Kampf den Saftsaugern

Pflanzliche Abwehrmechanismen gegen saugende Schadinsekten funktionieren sehr universell

15.12.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blattläuse haben ein Pflanzenblatt befallen. (Bildquelle: © Hans / Pixabay)

Blattläuse haben ein Pflanzenblatt befallen. (Bildquelle: © Hans / Pixabay)

Einige Pflanzenarten sind weniger anfällig als andere gegen Schadinsekten. Die zugrunde liegenden Abwehrstrategien sind im Pflanzenreich aber weitgehend konserviert und wirken oftmals gegen ein breites Spektrum an Insektenarten.

Saugende Schadinsekten führen weltweit zu hohen Ertragseinbußen in der Landwirtschaft: Die Tiere entziehen den Pflanzen Nährstoffe, fügen ihnen Wunden zu und erleichtern so, dass Krankheitserreger eindringen. Die häufigste Gegenmaßnahme sind chemische Insektizide. Sie schützen zwar den Ertrag, können jedoch auch Nutzinsekten oder sogar der menschlichen Gesundheit schaden. Zudem haben sich in der Vergangenheit meist resistente Insektenpopulationen entwickelt, wenn die Landwirtschaft ein Insektizid sehr intensiv über längere Zeit eingesetzt hat.

108 Studien ausgewertet

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In Deutschland sind ca. 30 Zikaden-Arten als Schädlinge von Kulturpflanzen bekannt. Diese saugen an ihren Wirtspflanzen entweder am Mesophyll, am Xylem oder am Phloem.

In Deutschland sind ca. 30 Zikaden-Arten als Schädlinge von Kulturpflanzen bekannt. Diese saugen an ihren Wirtspflanzen entweder am Mesophyll, am Xylem oder am Phloem.

Bildquelle: © DenisDoukhan / Pixabay

Einige Pflanzen sind jedoch von Natur aus besser gegen Insektenbefall geschützt. Forscher:innen der Leibniz-Universität Hannover und des britischen National Institute of Agricultural Botany haben sich nun gefragt, wie universell diese Schutzmechanismen wohl wirken. Eine Metastudie führte sie zu dem Ergebnis: sehr universell.

Das Team analysierte dazu 108 Studien, bei denen mit elektrophysiologischen Methoden die Interaktionen von insgesamt 41 Insektenarten mit mehr als 30 Pflanzenarten aus zwölf Pflanzenfamilien untersucht wurden. Ein Fokus lag dabei auf saugenden Insektenarten, die sich vom Pflanzensaft ernähren, darunter Blattläuse, Blattflöhe, Weiße Fliegen, Pflanzenhüpfer und Kleinzikaden. Sauginsekten nutzen spezielle Mundwerkzeuge, sogenannte Stilette, um die pflanzliche Epidermis zu penetrieren, das Mesophyllgewebe zu durchdringen und das vaskuläre Gewebe anzusaugen. Dort nehmen sie den Pflanzensaft und mit ihm Nährstoffe der Pflanze auf.

Interaktion zwischen Insekt und Phloem exakt vermessen

Um sich dagegen zu wehren, haben Pflanzen vier mögliche „Abwehrfronten“: physikalisch-morphologische Barrieren, chemische Insektenabwehr durch sekundäre Pflanzenstoffe, ernährungsphysiologische Effekte oder Stoffwechselveränderungen wie veränderte Genexpressionen und Proteinprofile. Im Ergebnis kann sich die Zeit verkürzen, die sich Insekten auf dem Blatt aufhalten. Es kann auch länger dauern, bis die Tiere ihr Stilett einsetzen. Außerdem kann sich die Dauer des Saugens verkürzen. Die sogenannte „Electrical Penetration Graph“-Technik erzeugt mittels Drähten und Elektroden einen offenen Stromkreis zwischen Blatt und Insekt, der sich während des Saugens schließt. So lassen sich dessen Zeitpunkt und Dauer exakt messen.

Herausgekommen ist in der Metaanalyse, dass die häufigsten Abwehrmethoden chemische Prozesse beinhalten, gefolgt von physikalischen Barrieren. Letztere beruhten vor allem auf einer hohen Dichte von Blatthaaren und der Zusammensetzung der epidermalen Wachsschicht. Sie beeinflussen die Aufenthaltsdauer der Schädlinge auf der Blattoberfläche bis zum „ersten Stich“ und den Zeitaufwand der Schädlinge, mit ihren Mundwerkzeugen das Phloem zu erreichen. Das Forschungsteam fand, dass zahlreiche Pflanzenarten über wirkungsvolle Mechanismen verfügen, die den Zugang zum Phloem erschweren und die gegen ein breites Spektrum an Sauginsektenarten wirken.

Auch auf den Geschmack kommt’s an

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Ein Pflanzenhüpfer „zapft“ eine Wirtspflanze an. 

Ein Pflanzenhüpfer „zapft“ eine Wirtspflanze an. 

Bildquelle: © vasanthkumar / Pixabay

Andere Abwehrmechanismen im Phloem reduzieren die Dauer, die die Insekten am Pflanzensaft saugen, oder verzögern deren Speichelsekretion. So zeigte sich in den Studiendaten, dass Pflanzen mit einer für die Tiere unattraktiveren Zusammensetzung von Aminosäuren besonders wehrhaft sind. Auch ein ansonsten geringerer Nährwert oder chemische Abwehrmoleküle im Pflanzensaft haben diese Wirkung.

Ein Fazit des Forschungsteams: Bei den untersuchten Pflanzenfamilien gab es viele ähnliche Abwehrstrategien, die eine vergleichbare Reaktion der Schädlinge hervorrufen. Die zugrunde liegenden Mechanismen dürften somit im Pflanzenreich weitreichend konserviert und gegen ein breites Spektrum an Schadinsektenarten effektiv sein. Allerdings haben zu wenige der in dieser Analyse ausgewerteten Studien die Abwehrmechanismen im Detail untersucht. Daher sind noch eingehendere Studien nötig, die individuellen Interaktionen zwischen Pflanzenarten und den jeweiligen Schädlingen aufklären.

Potenzial zur Anpassung von Nutzpflanzen an die Erderwärmung

Für die Pflanzenzüchtung könnte dieses Wissen sehr vorteilhaft sein: Bereits heute hat der Klimawandel zu höheren Verlusten durch Schadinsekten geführt. Fachleute gehen davon aus, dass ein weiterer Temperaturanstieg um ein Grad Celsius das Ausmaß der Schäden noch einmal um rund zehn Prozent steigern würde. Methoden, die Nutzpflanzen gleich gegen eine Vielzahl von Schädlingen stärken, könnten deshalb einen wichtigen Beitrag zur Nahrungssicherheit leisten. Dass es prinzipiell möglich sein sollte, Pflanzensorten mit hoher Widerstandskraft gegen eine breite Palette von Schadinsekten zu entwickeln, macht die Metastudie in jedem Fall deutlich.


Quelle:
Leybourne, D. J., Aradottir, G. I. (2022): „Common resistance mechanisms are deploayed by plants against sap-feeding herbivorous insects: insights from a meta-analysis and systematic review“. In: Scientific Reports, 12:17836 (2022). doi: 10.1038/s41598-022-20741-3.

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Titelbild: Blattläuse haben ein Pflanzenblatt befallen. (Bildquelle: © Hans / Pixabay)