Geflügelte Helfer
Vögel und Fledermäuse als Schädlingsbekämpfer
Chemische Pflanzenschutzmittel geraten wegen ihrer Nebenwirkungen immer mehr in die Kritik. Alternativen sind daher sehr gefragt. Jetzt könnten Kohlmeisen, Falken und Fledermäuse Teil der Lösung werden.
Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft ist eins der beherrschenden Themen unserer Tage. Egal ob Insektizide wie zum Beispiel Neonikotinoide oder das Herbizid Glyphosat, Pflanzenschutzmittel stehen stark in der Kritik und werden wegen ihrer nachgewiesenen oder befürchteten Nebenwirkungen von Verbrauchern größtenteils abgelehnt.
Trotzdem muss etwas gegen Pflanzenschädlinge unternommen werden, denn ganz ohne Pflanzenschutz sinken die Erträge um etwa die Hälfte. Alternativen sind daher sehr gefragt. Eine neue Übersichtsstudie fasst jetzt zusammen, wie tierische Schädlinge durch ihre natürlichen Feinde wie Vögel und Fledermäuse gezielt bekämpft werden können.
Die Krux mit dem Pflanzenschutz
Seit dem 20. Jahrhundert sind chemische Pflanzenschutzmittel die erste Wahl im Kampf gegen Schadorganismen. Durch ihren Einsatz konnten die Erträge weltweit deutlich gesteigert werden. Allerdings haben sie auch Nachteile: Noch in Erinnerung sind die Auswirkungen von DDT auf verschiedene Vogelarten in den Siebziger Jahren. Auch das aktuell beobachtete Insektensterben wird teilweise auf den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zurückgeführt.
Ein weiteres Problem ist die Entstehung von Resistenzen bei den Zielorganismen. So kostet zum Beispiel die Bekämpfung der Kohlschabe (Plutella xylostella) - ein bedeutender Kohlschädling - weltweit etwa vier bis fünf Milliarden US-Dollar pro Jahr. Die Kosten sind explodiert, weil der Schädling bereits gegen verschiedene Wirkstoffe resistent wurde.
Neben den Auswirkungen auf die Umwelt ist die Bekämpfung von Schädlingen mit Pflanzenschutzmitteln generell teuer: Die Kosten lagen in den USA im Jahr 2016 bei etwa 15,2 Milliarden US-Dollar. Das sind 4,4 Prozent der landwirtschaftlichen Produktionskosten. Rechnet man die Schäden an Menschen und der Umwelt hinzu, kommen noch einmal etwa 10 Milliarden US-Dollar jährlich obendrauf.
Neonikotinoide vor dem Aus?
Der schädliche Einfluss von Neonikotinoiden auf Wildbienen (staatenbildende Bienen, Solitärbienen und Hummeln) sowie Honigbienen wurde aktuell in einer großen Meta-Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (European Food Safety Authority, EFSA) untersucht. Nach Auswertung von über 1.500 Studien kam die Behörde zu dem Schluss, dass insbesondere die Neonikotinoide Imidacloprid, Clothianidin und Thiamethoxam eine große Gefahr für Bienen darstellen.
Mit diesen Stoffen werden vorwiegend die Samen von Nutzpflanzen vor der Aussaat behandelt. Sie verteilen sich dann bei der Keimung in der ganzen Pflanze (systemische Wirkung) und sollen so alle Pflanzenteile vor knabbernden Schadinsekten schützen. Dadurch gelangen die Wirkstoffe auch in den Pollen und können von Bienen aufgenommen werden. Dort verursachen sie Schäden am zentralen Nervensystem und die Tiere können sich nicht mehr richtig orientieren. Zusätzlich trägt der Wind zur Verbreitung des Wirkstoffes in der Umwelt bei. Er verfrachtet Erde mit Wirkstoffresten auf Wildpflanzen und in Oberflächengewässer. Auch hier besteht wieder die Gefahr, dass Bienen mit den Wirkstoffen in Kontakt kommen.
Seit 2013 ist daher die Behandlung von Saatgut mit Neonikotinoiden bei Raps (Brassica napus), Mais (Zea mays) und Sonnenblumen (Helianthus) verboten. Möglicherweise wird die EU-Kommission das Verbot auf alle Außenanwendungen ausdehnen. Nur in Gewächshäusern soll der Einsatz weiterhin erlaubt sein.
Der Feind meines Feindes ist mein Freund
Aber es geht auch anders. Eine schonende Bekämpfungsmethode nutzt die natürlichen Feinde der Schädlinge. Dass vor allem Vögel effektive Schädlingsbekämpfer sind, ist schon länger bekannt. So zeigte eine Studie, dass Apfelplantagen in den Niederlanden mit ausreichend Nistgelegenheiten für Kohlmeisen (Parus major) bis zu 50 Prozent weniger Raupenfraß aufwiesen als Kontrollplantagen.
Der Amerikanische Buntfalke (Falco sparverius) wurde im US-Bundesstaat Michigan über ein künstliches Angebot an Nistgelegenheiten in Kirsch- und Blaubeerplantagen angesiedelt. Seitdem dezimiert er dort diverse Schädlinge, von Heuschrecken über Nagetiere bis hin zu Staren, die es auf die Kirschen abgesehen haben. Auch der Maori-Falke (Falco novaeseelandiae), eine nur in Neuseeland vorkommende Falkenart, wurde in der Nähe von Weinbergen angesiedelt. Dort bejagt er erfolgreich traubenklauende Vogelarten und bringt den Winzern eine Ersparnis von 234 bis 326 Dollar pro Jahr und Hektar.
Praktizierter Artenschutz
Neben den Vorteilen für die Landwirte ist diese Förderung von Vögeln vor allem eins: praktizierter Artenschutz. Der Maori-Falke ist in seiner Heimat stark bedroht. Das künstliche Erschließen neuer Areale in den Weinbergen führte zu einer erfolgreichen Ansiedlung mit höheren Nistraten und höheren Bruterfolgen als in nicht bewirtschafteten Gebieten. Auch der Amerikanische Buntfalke ist gefährdet und die Zahl der Tiere sank kontinuierlich in den letzten Jahrzehnten. Durch die Anbringung von Nistgelegenheiten konnten sich lokale Populationen wieder deutlich erholen. Die Belegung der Nistplätze in den Plantagen erreichte nahezu 100 Prozent und die Nisterfolge stiegen an.
Ähnliche Erfolge gibt es bei Fledermäusen zu vermelden. Auch sie profitieren von einem forcierten Einsatz als Schädlingsbekämpfer: In Spanien wurde die Mückenfledermaus (Pipistrellus pygmaeus) durch künstliche Nisthilfen in der Nähe von Reisfeldern angesiedelt. Sie bejagt einen gefürchteten Reisschädling, den Gestreiften Reisstängelbohrer (Chilo suppressalis).
Und idealerweise genau in der Zeit, in der er die meisten Schäden anrichtet. Die künstlich errichteten Schlafplätze für die Fledermäuse waren in kürzester Zeit hoch frequentiert und in den letzten zehn Jahren gingen die Schäden an den Reispflanzen rapide zurück.
Hilfe für die Helfer
Um die tierischen Helfer in der Nähe von Feldern und Plantagen erfolgreich anzusiedeln, braucht es Nisthilfen, Ansitzstangen sowie ausreichend Schlafplätze für Vögel und Fledermäuse. Aber auch strukturierende Landschaftselemente wie Hecken und Feldgehölze sowie ungenutzte Ackerränder und Blühstreifen sind wertvolle Unterstützter beim Anlocken dieser Tiere.
Ansitzmöglichkeiten für Greifvögel erhöhen ebenfalls den Jagderfolg auf tierische Schädlinge. Gezielte Fütterungen können zudem die Tiere in der Region halten, wenn es gerade mal keine Schädlinge zu jagen gibt.
Bares Geld
Der Vorteil beim Einsatz der fliegenden Pflanzenschützer liegt auf der Hand: Es wird weniger mit chemischen Pflanzenschutzmitteln gespritzt und die Methode fördert den Erhalt von bedrohten Arten. Tierische Schädlingsbekämpfer sind außerdem eine Ökosystem-Dienstleistung, die viel Geld sparen kann: So wird geschätzt, dass allein der Appetit von Fledermäusen auf Pflanzenschädlinge weltweit mehrere Millionen Dollar „wert“ ist. Zudem sind viele Verbraucher bereit, für pestizidfreie Feldfrüchte mehr Geld auszugeben.
Dem gegenüber stehen natürlich die Kosten für die Ansiedlung der Tiere. Eine Kalkulation für die Kirschplantagen in Michigan zeigte allerdings, dass die Farmer durch die Anwesenheit der Falken in einem Zeitraum von fünf Jahren über 2,2 Millionen US-Dollar zusätzlich einnehmen und 46 neue Jobs entstehen könnten. Der Ansatz, natürliche Fressfeinde zur Schädlingsbekämpfung einzusetzen, rechnet sich also.
Trotzdem muss noch viel über die Zusammenhänge zwischen Landschaft, Pflanzenschädlingen und deren Feinde untersucht werden, betonen die Wissenschaftler. Dann kann es in Zukunft vielleicht einen ökologisch gesehen besseren Pflanzenschutz geben, von dem alle Beteiligten profitieren können.
Quelle:
Lindell, C. et al. (2018): Enhancing agricultural landscapes to increase crop pest reduction by vertebrates. In: Agriculture, Ecosystems and Environment Vol 257, (3. Februar 2018), doi: 10.1016/j.agee.2018.01.028.
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Titelbild: Der Maori-Falke hilft bei der Schädlingsbekämpfung in den Weinbergen. (Bildquelle: © Ken Paterson/Wikimedia.org/CC BY-SA 4.0)