Weiße Fliege mit „geklauten“ Superkräften

Horizontaler Gentransfer zwischen Pflanze und Insekten nachgewiesen

12.04.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Hier sieht man eine Weiße Fliege, die gerade an einem Blatt nascht. (Bildquelle: © Jixing Xia and Zhaojiang Guo)

Hier sieht man eine Weiße Fliege, die gerade an einem Blatt nascht. (Bildquelle: © Jixing Xia and Zhaojiang Guo)

Erstmals hat ein Team aus Wissenschaftlern nachgewiesen, dass ein horizontaler Gentransfer auch zwischen Pflanzen und Insekten vorkommen kann. Die Weiße Fliege (Bemisi tabaci) hat sich vor Millionen von Jahren ein Gen aus Pflanzen stibitzt, mit dessen Hilfe sie die pflanzliche Abwehr umgehen kann. Liegt hier auch ein Schlüssel zur Züchtung resistenterer Nutzpflanzen?

Die Weiße Fliege (Bemisi tabaci) ist im Freiland wie im Gewächshaus ein gefürchteter Pflanzenschädling – und dabei nicht gerade wählerisch. Stand heute sind mehr als 600 Pflanzen bekannt, von denen sich die Insekten ernähren können. Sie saugen den Pflanzensaft aus und übertragen dabei viele gefürchtete Viruskrankheiten. Verheerende Ernteausfälle sind die Folge. Verschlimmert wird die Situation noch dadurch, dass man mit zugelassenen Insektiziden die Schädlinge kaum noch bekämpfen kann.  

Die Pflanzen sind gegen Bemisi tabaci nahezu machtlos. Ihre beste Waffe gegen Angreifer, die sogenannten Phenolglykoside, wirkt gegen die Weiße Fliege nicht. Denn die etwa einen Millimeter kleinen Insekten, die mehr mit Blattläusen als mit Fliegen verwandt sind, können die eigentlich tödlichen Moleküle neutralisieren. Das Werkzeug dafür haben sie vor langer Zeit den Pflanzen selbst „geklaut“ – über horizontalen Gentransfer.

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Die Weiße Fliege (Bemisia tabaci) ist ein gefürchtetes Schadinsekt. Sie ernährt sich vom Pflanzensaft und kann dabei noch mehr als 60 verschiedene Viruskrankheiten übertragen, was zu großen Ernteverlusten führen kann.

Die Weiße Fliege (Bemisia tabaci) ist ein gefürchtetes Schadinsekt. Sie ernährt sich vom Pflanzensaft und kann dabei noch mehr als 60 verschiedene Viruskrankheiten übertragen, was zu großen Ernteverlusten führen kann.

Bildquelle: © Jixing Xia and Zhaojiang Guo

Horizontaler Gentransfer zwischen Pflanze und Insekten

Es war bereits bekannt, dass diese Art der Genübertragung von Mikroorganismen wie Pilzen und Bakterien auf Insekten und Pflanzen stattfinden kann. Beispielsweise stammt ein pflanzliches Transportprotein für das Element Bor vermutlich von Bakterien. Doch dass ein Insekt sich ein Gen aus einer Pflanze „stibitzt“ hat, ist nun erstmalig entdeckt worden.

Es handelt sich um das Gen BtPMaT1. Mit Hilfe dieses Gens können die weißen Fliegen eine Malonylgruppe an die Phenolglykoside anhängen und sie somit unschädlich machen. Zum Beweis für ihre Hypothese haben die Wissenschaftler die Insekten an gentechnisch veränderten Tomatenpflanzen fressen lassen, die eine doppelsträngige RNA herstellten, welche die Expression von BtPMaT1 durch eine sogenannte RNA-Interferenz, kurz RNAi, behindert. Die Ergebnisse waren eindeutig: Nahezu alle weißen Fliegen, die an diesen Tomatenpflanzen herumknabberten, starben. Milben oder Blattläuse hingegen wurden von der dsRNA nicht beeinträchtigt.

Bisher ist unklar, wie genau es die Fliegen geschafft haben, das Gen aus dem pflanzlichen Genom heraus- und in ihr eigenes hineinzukopieren. Möglicherweise hat ein Virus als Genshuttle gedient. Auch ist bisher unklar, aus welcher Pflanze das Gen überhaupt stammt. Hierzu werden vielleicht in der Zukunft Erkenntnisse vorliegen, wenn Genome von mehr und mehr Pflanzenarten sequenziert werden.

Neue Ideen für den Pflanzenschutz

Diese Entdeckungen könnte zu einer neuen Strategie im Pflanzenschutz führen: Suche Insekten-schützende Gene, die die Tiere durch horizontalen Gentransfer erhalten haben und mache die Kulturpflanzen durch RNA-Interferenz wieder gegen den Fein resistent.

Und es würde die Nachhaltigkeit des Pflanzenschutzes erhöhen: „Man könnte somit die weißen Fliegen bekämpfen ohne nützliche Insekten wie Bestäuber zu schädigen“, sagte Jonathan Gershenzon vom Max-Planck-Institut für Chemische Ökologie in Jena gegenüber dem Journal Science.


Quelle:
Xia, J., et al. (2021): Whitefly hijacks a plant detoxification gene that neutralizes plant toxins. In: Cell, 184, (7), 1693-1705.e17, (1. April 2021), doi: 10.1016/j.cell.2021.02.014.

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Titelbild: Hier sieht man eine Weiße Fliege, die gerade an einem Blatt nascht. (Bildquelle: © Jixing Xia and Zhaojiang Guo)