Kein Überleben ohne Wurzelbakterien
Pflanzliches Immunsystem ist alleine zu schwach gegen Bodenpilze
Das komplexe Mikrobiom im pflanzlichen Wurzelraum hält zwei Überraschungen bereit: Gegen Pilze und Scheinpilze im Boden können sich Pflanzen ohne die Hilfe von Bakterien nicht schützen. In der Gemeinschaft aus Mikroorganismen fördert das gesamte Wurzelmikrobiom jedoch das pflanzliche Wachstum.
Im Wurzelraum leben Bakterien, Pilze und Scheinpilze nebeneinander. Manche dieser Mikroorganismen können Pflanzen infizieren und schädigen. Gegen viele Angriffe hat das pflanzliche Immunsystem geeignete Antworten entwickelt, aber nicht gegen alle Angreifer kann sich die Pflanze wehren. Bislang war unklar, welche Rolle die Zusammensetzung der mikrobiellen Gemeinschaft im Wurzelraum bei der Frage spielt, ob eine Pflanze erkrankt oder geschützt ist. Um das herauszufinden, haben Pflanzenforscher um Paul Schulze-Lefert und Stéphane Hacquard vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln die Lage im Boden analysiert. Als Versuchsobjekt dienten Ackerschmalwandpflanzen (Arabidopsis thaliana).
Ähnliche Bakteriengemeinschaften, unterschiedliche Pilze
An zwei Standorten in Deutschland und einem Standort in Frankreich nahm das Team Pflanzenproben mit dem dazugehörigen Bodenmaterial. Per DNA-Amplikon-Sequenzierung der bakteriellen 16S-rRNA-Gene sowie der ITS-Regionen der Pilze und Scheinpilze identifizierten die Forscher 96 taxonomisch unterschiedliche Bakterien, 24 Pilze und einen Scheinpilz. Diese kamen an allen drei Standorten in erhöhter Zahl im Wurzelraum vor. Die Zusammensetzung der Bakteriengemeinschaft wies an allen untersuchten Orten eine hohe Ähnlichkeit auf, lediglich die taxonomische Zuordnung von Pilzen und Scheinpilzen war standortspezifischer.
Bakterien verdrängen Pilze in den Wurzeln
Die Interaktionen dieser Organismen analysierten die Forscher mittels einer Methode, mit der Korrelationswerte aus Kompositionsdaten abgeschätzt werden können (SparCC-Methode). Es zeigte sich zunächst, dass die Komplexität des mikrobiellen Netzwerks vom Boden über die Wurzeloberfläche bis ins Wurzelinnere um den Faktor vier abnimmt. Auffällig war eine stark negative Korrelation zwischen Bakterien und Pilzen in den Wurzeln. Das deutet darauf hin, dass beide Reiche um diese Nische konkurrieren.
Bei den Bakterien waren vor allem die Klassen Betaproteobacteria, Bacilli und Deltaproteobacteria an dieser Konkurrenz beteiligt, seitens der Pilze die Klassen Dothideomycetes, Leotiomycetes und Tremellomycetes. Als Schlüsselorganismen für das Gleichgewicht zwischen Bakterien und Pilzen identifizierten die Forscher auf Bakterienseite die Genera Variovorax, Kineosporia und Acidovorax, auf Pilzseite Davidiella und Alternaria.
Für weitere Einblicke ließen die Wissenschaftler die Pflanzen in Böden mit kontrolliertem Mikrobiom wachsen. Also nur Bakterien, nur Pilze, nur Scheinpilze sowie jede mögliche Kombination daraus. Aufgrund von Schwierigkeiten bei der Kultivierung konnten nicht alle Mikroorganismen berücksichtigt werden, die an den drei Standorten nachgewiesen wurden, aber immerhin 148 taxonomisch unterschiedliche Bakterien, 34 Pilze und acht Scheinpilze.
Ohne Bakterien sterben die Pflanzen
Nach vier Wochen zeigten sich stark unterschiedliche Effekte auf die pflanzliche Gesundheit: Alle Konstellationen ohne Bakterien schädigten das Wachstum der Pflanzen und schmälerten die Überlebensrate. Kombinationen aus Bakterien und Pilzen sowie aus Bakterien und Scheinpilzen führten zu einem vergleichbaren Wachstum wie bei mikrobenfreien Kontrollpflanzen.
Ackerschmalwandpflanzen mit dem komplexesten Wurzelmikrobiom – mit allen drei Reichen – übertrafen die Kontrollpflanzen beim Wachstum jedoch deutlich, gemessen an der Biomasse um 125 Prozent. Während sich die Zusammensetzung der Bakterien in allen Anordnungen als sehr stabil erwies, unterschieden sich die Gemeinschaften von Pilzen und Scheinpilzen bei An- und Abwesenheit von Bakterien signifikant.
Diesen Unterschied fanden die Forscher unabhängig davon, ob in der Erde eine Pflanze wuchs oder nicht. Daraus zogen die Wissenschaftler den folgenden Schluss: „Unsere Ergebnisse legen nahe, dass eine wesentliche physiologische Funktion der bakteriellen Wurzelmikrobiota darin besteht, die Pflanzen vor schädlichen Aktivitäten filamentöser Eukaryoten im Wurzelraum zu schützen“.
Jeder zweite Pilz beeinträchtigt seinen Wirt
In einem letzten Schritt schlüsselte das Team die beteiligten Organismen weiter auf und ließ jeweils einen der 34 Pilze allein die Ackerschmalwand besiedeln: In 18 Fällen beeinträchtigte der Pilz das Wachstum seines Wirtes. Lediglich sechs dieser 18 Pilze wurden durch Bakterien im Wurzelraum in Schach gehalten. Die übrigen zwölf Pilze störten die pflanzliche Entwicklung auch in Gegenwart der Bakteriengemeinschaft.
Ebenso testeten die Pflanzenforscher, welche Bakterien für den Schutz der Pflanze entscheidend sind. Dazu kombinierten sie die 34 Pilze wie zuvor mit der Gesamtheit der Bakteriengemeinschaft, aber auch mit verschiedenen eingeschränkten Bakteriengemeinschaften: (a) ohne Vertreter der Familie Pseudomondaceae, (b) ohne Vertreter der Familie Comamonadaceae und (c) ohne beide Familien. In den vorherigen Analysen hatten sich diese beiden Familien gegenüber Pilzen als besonders konkurrenzstark hervorgetan.
Das überraschende Ergebnis: Wenn beide Familien fehlten, blieb das Wachstum der Ackerschmalwand zwar hinter der Kontrolle zurück, doch die verbliebenen Bakterien konnten die Pflanze weitgehend vor den schädlichen Effekten der Pilze bewahren. „Das legt nahe, dass die beiden Familien einen Anteil daran haben, das normale pflanzliche Wachstum wiederherzustellen, aber dass in ihrer Abwesenheit Stämme anderer taxonomischer Linien zum Schutz der Ackerschmalwand beitragen“, so die Interpretation der Forscher.
Schutzfunktion bei Bakterien weit verbreitet
Umgekehrt ergaben weitere Versuche, dass bestimmte Stämme ganz alleine das Wachstum der Ackerschmalwand teilweise oder vollständig wiederherstellen konnten, wenn dieses durch Pilze beeinträchtigt wurde. Erfolgreich waren drei von drei getesteten Stämmen der Gattung Variovorax, vier von sechs Stämmen der Gattung Pseudomonas, zwei der vier Stämme der Gattung Rhizobacter und der eine getestete Stamm der Gattung Pelomonas, jedoch keiner der vier Stämme der Gattung Acidovorax. „Die schützende Aktivität der bakteriellen Wurzelraumgemeinschaft scheint demnach ein redundantes Merkmal mehrerer bakterieller Linien zu sein“, betonen die
Hacquard resümiert: „Wir haben gezeigt, dass das Immunsystem der Pflanzen allein nicht ausreicht, um sie gegen wurzelassoziierte Pilze und Scheinpilze aus dem Erdreich zu schützen, und dass wurzelassoziierte Bakterien eine erweiterte Immunfunktion erfüllen, die die Pflanze benötigt, um in der Natur zu überleben.“
In künftigen Studien will das Team nun die Gene und Moleküle bestimmen, die an diesem Effekt beteiligt sind. Aber schon von den bisherigen Erkenntnissen erhoffen sich die Pflanzenforscher einen großen Nutzen: Man könne nun gezielt in der landwirtschaftlichen Praxis versuchen, mit probiotischen Bakterien oder Bakteriengemeinschaften die Ackerpflanzen besser zu schützen.
Quelle:
Duran, P. et al. (2018): Microbial Interkingdom Interactions in Roots Promote Arabidopsis Survival. In: Cell, 175, 973-983, (1. November 2018), doi: 10.1016/j.cell.2018.10.020.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
Titelbild: Diese kolorierte elektronenmikroskopische Aufnahme zeigt unterschiedliche Bakterienarten an der Wurzeloberfläche der Ackerschmalwand. (Bildquelle: © Rainer Franzen, Palom Duren / Bildbearbeitung Magdalena Kosterska-Singer)