Kaum kleinzukriegen
Wurzel-Mikrobiom robuster als gedacht
Das Mikrobiom einer Pflanze ist wichtig für ihre Gesundheit und Überlebensfähigkeit. Wie reagiert also eine Pflanze, wenn das Zusammenspiel gestört wird? Diese Frage haben Wissenschaftler mithilfe antimikrobieller Peptide am Beispiel Tabak untersucht – mit erstaunlichen Erkenntnissen.
Die Erforschung von Pflanze-Mikrobiom-Interaktionen hat in den letzten Jahren immer mehr Aufmerksamkeit erlangt. Dank moderner Screening-Methoden können Mikrobengemeinschaften schnell und kostengünstig untersucht werden. „Das Wissen über den Einfluss des Mikrobioms auf eine Pflanze in freier Wildbahn steckt allerdings noch in den Kinderschuhen“, schreiben Forscher des Max-Planck-Instituts für chemische Ökologie in ihrer aktuellen Publikation. Das Mikrobiom einer Pflanze sei viel zu komplex, um einzelne Gattungen oder Arten einfach in Gut oder Böse einzuteilen. Ein Ansatz, um Rückschlüsse über den spezifischen Einfluss zu sammeln, besteht darin, ausgewählte Bakteriengruppen zu entfernen und dann zu beobachten, was passiert.
Antimikrobielle Peptide sollen nützliche Bakterien verdrängen
„Um das Mikrobiom zu verändern und die Auswirkungen dieser Veränderungen zu testen, machten wir uns die Expression von antimikrobiellen Peptiden zunutze. Unsere Pflanzen zeigten dadurch eine Aktivität gegen verschiedene Bakterienarten der Gattung Bacillus, die bekanntermaßen nützlich für die Pflanzengesundheit sind“, so Erstautor Arne Weinhold.
Antimikrobielles Peptid Mc-AMP1 wirkt hauptsächlich gegen nützliche Bakterien
Für ihre Studie wählten die Wissenschaftler das antimikrobielle Peptid Mc-AMP1 des Eiskrauts (Mesembryanthemum crystallinum). Sobald die Tabakpflanzen (Nicotiana attenuata) begannen, Mc-AMP1 in den Blättern und Wurzeln zu produzieren, setzte in den Vorversuchen eine antibakterielle Wirkung gegen vornehmlich nicht-pathogene Bakterien ein. Anschließend ging es in den Feldversuch.
Die Forscher erwarteten, dass die transgenen Pflanzen dort eingeschränktes Wachstum und eine verminderte Fortpflanzungsrate zeigen würden. „Damit hätten wir nachweisen können, wie wichtig diese Bakterien für die Pflanze sind“, so Weinhold. Doch zur Überraschung zeigten sich die Versuchspflanzen unbeeindruckt: Im Feldversuch unterschieden sie sich nicht von den Kontrollpflanzen. Wachstum, Fortpflanzungsrate und Schädlingsresistenz blieben nahezu unverändert.
Fehlende Bakterienstämme offenbar unmittelbar ersetzt
Sequenzierungsanalysen ergaben, dass die Absonderung der antibakteriellen Peptide keine signifikanten Effekte auf die Zusammensetzung der Mikrobengemeinschaft hatte. Einzelne Stämme waren zwar betroffen, ihre Abwesenheit wurde aber durch andere Bodenbakterien ersetzt. Die Wissenschaftler schließen daraus: Das Mikrobiom einer Pflanze kann in der freien Natur nicht so leicht beeinflusst werden wie bisher angenommen.
Antimikrobielle Peptide sind Teil des natürlichen Immunsystems
Antimikrobielle Peptide (AMP) sind kein künstliches Konstrukt. Sie werden natürlicherweise von Menschen, Tieren und Pflanzen produziert – beispielsweise bei einer Entzündungsreaktion im menschlichen Darm. Da die meisten nützlichen Bakterien dort gegen AMPs resistent sind, gerät die Darmflora nicht bei jeder Entzündung aus dem Gleichgewicht. In der Medizin werden antimikrobielle Peptide auch als mögliche Alternative für Antibiotika in Erwägung gezogen, um insbesondere Krankheitserreger zu bekämpfen, die resistent gegen gewöhnliche Antibiotika geworden sind.
In der Landwirtschaft sollen transgene Pflanzen mit AMPs die Resistenz gegenüber Schädlingen erhöhen. Phytotoxische Effekte und verschiedene Veränderungen, die die AMPs beim Wachstum der Pflanze hervorrufen können, haben eine breitgefächerte Anwendung in der Landwirtschaft jedoch bisher verhindert.
Feldversuche bilden Realität ab
Während antimikrobielle Peptide zwar in vitro gegen einzelne Bakterienstämme höchst wirksam sein können, ist ihre Anwendbarkeit auf ganze Bakteriengemeinschaften in natürlichen Umgebungen somit fraglich und noch nicht gut untersucht. Deshalb sei es so wichtig, Pflanzen nicht nur im Gewächshaus, sondern unter natürlichen Bedingungen, also in natürlichen Böden, in ihrem angestammten Lebensraum zu untersuchen, so Studienleiter Ian Baldwin: „Laborexperimente, in denen Menschen die Variablen bestimmen, produzieren nur Ergebnisse innerhalb der Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft. Experimente hingegen, die in der realen Welt, der Natur, durchgeführt werden, produzieren Resultate, die zwar schwer zu interpretieren sind, aber über die Grenzen des menschlichen Vorstellungsvermögens hinausgehen.“
Ähnlich wie bei Menschen gestaltet sich die Erforschung des pflanzlichen Mikrobioms mit seinen Auswirkungen auf die Pflanze als ein komplexes Unterfangen. Weitere Studien sollen zeigen, wie die Pflanzen Bodenbakterien rekrutieren, wie sie ihr Zusammenleben mit ihren bakteriellen Partnern aufrechterhalten und wie sie verhindern, dass sich schädliche Erreger anreichern.
Quelle:
Weinhold, A. et al. (2018): Antimicrobial peptide expression in a wild tobacco plant reveals the limits of host-microbe-manipulations in the field. In: eLIFE, (17. April 2018), doi: 10.7554/eLife.28715.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
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Titelbild: Auf diesem Versuchsfeld erforschten die Wissenschaftler der Abteilung Molekulare Ökologie die ökologischen Wechselwirkungen des Kojotentabaks Nicotiana attenuata in seinem natürlichen Lebensraum. (Bildquelle: © Arne Weinhold, MPI chem. Ökol.)