Weniger und mehr
Weniger Pestizide und mehr ökologische Anbaumethoden – beides tut der Umwelt gut und wäre heute schon möglich
Ein verringerter Einsatz von Pestiziden muss nicht zwingend Ernteeinbußen nach sich ziehen. Und die ökologische Landwirtschaft ist zwar ein wichtiger und ausbauwürdiger Weg in die Zukunft der nachhaltigen Lebensmittelproduktion, aber ganz allein kann sie die Welt auch nicht retten.
Wie können wir die Landwirtschaft in Zukunft umweltfreundlicher gestalten und gleichzeitig große Herausforderungen bewältigen, wie die stetig wachsende Weltbevölkerung mit Lebensmitteln zu versorgen? Im Zuge dieser Diskussionen kommen immer wieder landwirtschaftliche Methoden wie hoher Pestizidverbrauch und Düngereinsatz in den Fokus sowie die Frage, ob die ökologische Landwirtschaft nicht der Ausweg aus diesem Dilemma sein könnte. Diesen Themen widmen sich zwei neue Studien.
Wieviel Pestizid ist wirklich nötig?
Konventionelle Landwirtschaft hat oftmals einen hohen Pestizidverbrauch und oft ist nicht klar, wie hoch die Gefährdung durch die Pestizide für Umwelt und Menschen wirklich sind. Aktuell wird wieder über die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat in der EU diskutiert. Aber wie viel Pestizid wird wirklich benötigt, ohne Ertragseinbußen zu erhalten?
Um diese Frage zu klären, erfasste ein Forschungsteam die Daten von 946 landwirtschaftlichen Betrieben aus allen Bereichen der Landwirtschaft in ganz Frankreich. Neben Daten zu den landwirtschaftlichen Produkten, Erntemengen und Anbaumethoden wurden auch Daten zu den klimatischen und bodenkundlichen Parametern erfasst. Um einen Überblick über den Pestizideinsatz zu bekommen, wurde der sogenannte Treatment Frequency Index (TFI) errechnet: Er erfasst die Häufigkeit der Pestizidanwendungen pro Flächeneinheit und angebauter Pflanze. Eine mögliche Reduktion von Pestiziden ergab sich, indem Höfe mit ähnlichen Anbaubedingungen und ihre Erträge mit einem „Zielhof“ mit geringerem Pestizideinsatz abgeglichen wurden.
Einsparmöglichkeiten bis zu 42 Prozent
Das Forschungsteam fand heraus, dass in 77 Prozent der untersuchten Bauernhöfe eine Reduktion des Pestizid-Einsatzes möglich wäre, ohne dass es zu Einbußen bei den Erntemengen und/oder der Rentabilität käme. In 59 Prozent der untersuchten Bauernhöfe wäre eine Reduktion des gesamten Pestizideinsatzes von 42 Prozent möglich, ohne dass es zu negativen Effekten käme. Im Einzelnen bedeutet das eine Reduktion von 37 Prozent der verwendeten Herbizide, 47 Prozent der verwendeten Fungizide und 60 Prozent der verwendeten Insektizide. In 11 Prozent der untersuchten Bauernhöfe konnte eine Reduktion des Pestizideinsatzes sogar eine Steigerung der Rentabilität bewirken.
Bei den übrigen 23 Prozent der Höfe käme es im Zuge einer Reduktion von Pestiziden zu Verlusten bei den Erntemengen und/oder der Wirtschaftlichkeit, bei 22 Prozent sogar zu einem Verlust sowohl der Produktivität als auch der Rentabilität. Hier handelt es sich laut des Forschungsteams hauptsächlich um Höfe, auf denen in großem Stil Pflanzen für die industrielle Produktion angebaut werden, in erster Linie Saatmais, Zuckerrüben und Kartoffeln. Die hier erreichten, hohen Erntemengen hängen laut des Forschungsteams mit einem hohen Pestizidverbrauch zusammen, so dass eine Reduktion von den Landwirten nicht in Betracht gezogen würde.
Weitere Möglichkeiten zur Verringerung des Pestizideinsatzes
Das Forschungsteam betont, dass es wichtig ist, andere Maßnahmen zur Schädlingskontrolle einzuführen, wie etwa veränderte Saatzeiten, eine geregelte Fruchtfolge, angepasste Stickstoffdüngung, Rotation zwischen Mais und Grassaaten auf den Flächen. Besonders müssten im Bereich des intensiven Anbaus von Pflanzen für die industrielle Produktion neue Möglichkeiten entwickelt werden, die die hohen Pestizidgaben verringern, wie zum Beispiel Sorten mit einer geringeren Anfälligkeit für Krankheiten oder Bandspritzung in Kombination mit mechanischer Bodenbearbeitung bei Zuckerrüben. Bevor es zu einer starken Reduktion des Pestizideinsatzes kommt, sollten zudem die Auswirkungen auf den Handel mit landwirtschaftlichen Produkten gründlich erforscht werden, denn solch ein tiefer Eingriff würde mit hoher Wahrscheinlichkeit auch größere Umwälzungen im gesamten landwirtschaftlichen Markt nach sich ziehen.
Ökologischer Landbau als Allheilmittel?
Oft wird im Hinblick auf Pestizide auch gefordert, dass die Landwirtschaft allgemein umgebaut werden solle, weg von der konventionellen, zum Teil industrieähnlichen Produktion und hin zum ökologischen Landbau. Die Frage ist dabei: Kann der ökologische Landbau allein den wachsenden Bedarf der Weltbevölkerung an Lebensmitteln decken? Dem ging ein Forschungsteam in einer Übersichtsstudie nach und untersuchte die Vor- und Nachteile der ökologischen Landwirtschaft in Bezug auf die Produktion von Nahrungsmitteln, die Auswirkungen auf die Umwelt sowie die Vor- und Nachteile für Produzenten und Verbraucher.
Im Umweltschutz (fast) unschlagbar
In Fragen des Umweltschutzes hat der ökologische Landbau ganz klar viele Vorteile, sowohl bei der Artenvielfalt als auch bei der Reinhaltung von Wasser und der Gesunderhaltung von Böden, insbesondere durch den begrenzten Einsatz von Düngern und Pestiziden. Zudem können Böden, die nach den Regeln des ökologischen Landbaus bewirtschaftet werden, mehr Kohlenstoff speichern und sind besser vor Erosion geschützt.
Auch beim Klimawandel kann die ökologische Landwirtschaft punkten: Durch die Vermeidung von Mineraldünger, der mittels energieintensiver Verfahren hergestellt wird, kann hier CO2 eingespart werden. Bei den anderen Treibhausgasen wie Lachgas (N2O) und Methan (CH4) sieht die Bilanz etwas gemischter aus. So sind die N2O-Freisetzungen per Ertragseinheit höher als bei der konventionellen Landwirtschaft, namentlich durch den geringeren Ertrag. Gleichzeitig sind sie aber per Flächeneinheit wiederum niedriger als bei der konventionellen Landwirtschaft.
Geringere Erträge und hohe Preise
Bei den Erträgen ist der ökologische Landbau der konventionellen Landwirtschaft allerdings klar unterlegen. Die Untersuchungen zeigen hier Lücken von fünf bis zu 40 Prozent je nach angebauter Feldfrucht. Sollte die Welternährung mit ökologischem Landbau erzeugt werden, müsste wesentlich mehr Fläche dafür verwendet werden als es bei der konventionellen Landwirtschaft der Fall ist, was sich wiederum negativ auf die Naturräume auswirken würde. Gründe für die niedrigeren Erträge sieht das Forschungsteam unter anderem in der Verwendung von Sorten, die eigentlich für den konventionellen Landbau gezüchtet wurden. Zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit der ökologischen Landwirtschaft wären neue, speziell hierfür gezüchtete Sorten von Vorteil.
Plus/Minus bei sozialen Fragen
Im Hinblick auf die Bedingungen für Landwirte und Verbraucher gibt es ebenfalls Vor- und Nachteile. Bauern, die ökologische Landwirtschaft betreiben, sind besonders in Entwicklungsländern oftmals in Kooperativen organisiert, profitieren von sozialen Netzwerken, bewahren traditionelles Wissen und erhalten durch die Zertifizierungsagenturen Zugang zu Gesundheitsprogrammen und ähnlichem.
Letztlich wird die Gesundheit der Arbeiter durch den verringerten Einsatz von Pestiziden geschont und somit auch die Gesundheit der Verbraucher, da die Produkte weniger belastet sind und zumindest im Bereich der sekundären Pflanzenstoffe auch höhere Mengen besitzen als konventionell hergestellte Produkte. Allerdings führen die höheren Preise, die unter anderem geringere Erträge in der ökologischen Landwirtschaft ausgleichen sollen, dazu, dass ökologisch erzeugte Produkte längst nicht für jeden erschwinglich sind.
Gemeinsam sind sie stark
Letztlich kann die ökologische Landwirtschaft alleine nicht das Lebensmittelproduktionssystem der Zukunft sein und die Weltgemeinschaft mit Lebensmitteln versorgen. Sie bietet einen wichtigen Weg, um umwelt- und sozialverträglich Nahrungsmittel zu produzieren. Allerdings ist das jeweils von den örtlichen Umständen abhängig und es müssen in einigen Bereichen weitere Verbesserungen stattfinden, um ihre Erträge zu steigern. Das Forschungsteam weist darauf hin, ökologische und konventionelle Landwirtschaft daher nicht als Gegensätze zu betrachten, sondern als Partner. Eine Steigerung der ökologisch bewirtschafteten Anbaufläche sowie von konventionell arbeitenden Landwirten vermehrt übernommene ökologische Praktiken wären die nächsten Schritte hin zu einer umweltverträglicheren, nachhaltigeren und gerechteren Lebensmittelproduktion.
Um unsere Lebensmittelproduktion nachhaltiger zu gestalten, können wir übrigens auch tatkräftig mithelfen, betont das Forschungsteam: Ein weitgehender Verzicht auf Fleisch sowie weniger „Wegwerfkultur“ bei den Lebensmitteln könnte sogar noch größeren Nutzen bringen als ökologische Anbaumethoden alleine. Wir haben es in der Hand.
Quellen:
- Lechenet, M. et al. (2017): Reducing pesticide use while preserving crop productivity and profitability on arable farms. In: Nature Plants 3, 17008 (1. März 2017), doi:10.1038/nplants.2017.8.
- Seufert, V. und Ramankutty, N. (2017): Many shades of grey – The context-dependent performance of organic agriculture. In: Science Advances, (10. März 2017), doi:10.1126/sciadv.1602638.
Zum Weiterlesen:
- Landwirtschaft im 21. Jahrhundert - Forscher suchen nach der Blaupause für die Landwirtschaft der Zukunft
- Noch Luft nach oben - Die ökologische Landwirtschaft ist deutlich leistungsfähiger als bisher angenommen
- Neue Funktionen eines Pflanzenhormons entdeckt - Brassinosteroide bauen Pestizide ab
- Gelb und giftig? Mit Neonicotinoiden gebeizter Raps schadet Wildbienen
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Titelbild: Laut einer neuen Studie werden oft mehr Pestizide eingesetzt als eigentlich nötig wären. (Bildquelle: © Superingo / Fotolia.com)