Kostengünstige Impfstoffproduktion in Pflanzen

Schon der pflanzliche Rohextrakt schützt vor Vogelgrippe

13.06.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Nicotiana benthamiana gehört zu den Tabakpflanzen und eignet sich als Produktionssystem für die Impfstoffherstellung. (Bildquelle: © Chandres, gemeinfrei / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Nicotiana benthamiana gehört zu den Tabakpflanzen und eignet sich als Produktionssystem für die Impfstoffherstellung. (Bildquelle: © Chandres, gemeinfrei / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Zur Bekämpfung der Vogelgrippe hat ein deutsch-vietnamesisches Forschungsteam stabile H5-Hämagglutinin-Oligomere in Tabakpflanzen hergestellt. Der Rohextrakt der Pflanzen zeigte eine hohe Wirksamkeit gegen den H5N1-Virusstamm. Die Impfstoffe waren lagerstabil und induzierten bereits nach einer einzigen Dosis eine starke antivirale Immunantwort.

Zoonotische Krankheitserreger stellen eine ständige Bedrohung für die Menschheit dar. Ein prominentes Beispiel ist die Vogelgrippe, die aufgrund der Übertragungsmöglichkeit von Vögeln auf den Menschen weltweit Pandemien auslösen kann. Nicht alle H5-Influenza-Viren sind für den Menschen gefährlich sind, aber einige Subtypen, wie beispielsweise H5N1, haben bereits in Südostasien zu schweren Krankheitsausbrüchen mit hohen Todesraten bei infizierten Menschen geführt.

Um Geflügel zu schützen und Influenza-Pandemien zu verhindern, werden effektive und kostengünstige Impfstoffe benötigt. Eine vielversprechende Lösung könnte die Produktion von Impfstoffen in Pflanzen sein.

Zu teuer, zu aufwändig

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Aviäres Influenzavirus (HPAIV), elektronenmikroskopische Aufnahme.

Aviäres Influenzavirus (HPAIV), elektronenmikroskopische Aufnahme.

Bildquelle: © Gemeinfrei / Wikipedia

Bisherige pflanzenbasierte Produktionssysteme für Vakzine waren aber noch nicht ausreichend wirtschaftlich: aufwendige Aufbereitung der Pflanzenextrakte oder zu niedrige Expressionsraten der Antigene verursachen hohe Kosten. Zu den notwendigen Verarbeitungsschritten des Rohextraktes gehören u.a. Filtration, Diafiltration, Zentrifugation sowie Flussfiltration und/oder chromatographische Schritte.

Große, stabile Hämagglutinin-Oligomere sind die Lösung

Einem Forschungsteam des Leibniz-Instituts für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) ist nun zusammen mit vietnamesischen Kolleg:innen von Universitäten und einem pharmazeutischen Unternehmen ein Durchbruch gelungen. Ihr Erfolgsrezept: die Expression von zwei Fusionsproteinen, die zu stabilen und sehr großen H5-Hämagglutinin-Oligomeren führen, die die Pflanzen in ihrem Endoplasmatischen Retikulum speichern.

Das Hämagglutinin H5 ist ein Oberflächenprotein, das auf dem H5-Subtyp des Influenza-A-Virus vorkommt. Es ist spielt eine Schlüsselrolle bei der Infektion von Wirtszellen, da es dem Virus ermöglicht, an spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche von Zielzellen zu binden und so in die Zellen einzudringen. Aus diesem Grund ist dieses Protein ein geeignetes Antigen für eine Impfstrategie.

Das eine in Tabak exprimierte Fusionsprotein enthält ein Hämagglutinin H5-Trimer, gefolgt von dem sogenannten S•Tag-Motiv der Ribonuklease A aus Rinderpankreas. Dieses bildet nicht-kovalente Komplexe mit der S•Protein-Sequenz des anderen Fusionsproteins. Das S•Protein-Motiv stammt ebenfalls aus der Ribonuklease A. Auf diese Weise entstehen die großen H5-Hämagglutinin-Oligomere.

Sehr hohe Wirksamkeit

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Ausbreitung der Vogelgrippe Typ H5 | Stand 2014.

Ausbreitung der Vogelgrippe Typ H5 | Stand 2014.

Bildquelle: © NordNordWest, Wikipedia, CC BY-SA 3.0 de

​​​​​​​Bei nachfolgenden Experimenten konnten das Team die Wirksamkeit des Impfstoffes demonstrieren. Zum Einsatz kam lediglich der Rohextrakt der Pflanzen, ohne aufwändige Reinigungsschritte. Der Extrakt löste starke humorale Immunantworten, starke neutralisierende Antikörperantworten und Resistenz bei Hühnern gegenüber einem wilden HPAIV-H5-Virusstamm aus. In allen drei Parametern erzeugten pflanzliche Rohextrakte mit H5-Oligomeren sogar bessere Reaktionen als Extrakte mit lediglich den H5-Trimeren. Die neutralisierenden Antikörper, die durch zweimalige und einmalige Immunisierung induziert wurden, schützten geimpfte Hühner mit einer Effizienz von 92% bzw. 100% vor zwei tödlichen H5N1-Virusstämmen.

Impfen auch für den Artenschutz?

Noch ist der in dieser Studie hergestellte Impfstoff nicht auf dem Markt. Doch wie dringend ein kosteneffektives Produktionssystem für Impfstoffe gegen Vogelgrippe nicht nur für Geflügelhalter benötigt wird, zeigt ein Beispiel aus den USA – und hier geht es um Artenschutz.

Die US-Regierung hat gerade erstmals die Genehmigung zur Impfung von bedrohten Kondoren gegen den H5N1-Erreger erteilt. Diese Entscheidung ist von großer Bedeutung, da die Kondore in den letzten Jahrzehnten kurz vor dem Aussterben standen und erst durch intensive Schutzmaßnahmen wieder eine stabile Population erreicht haben. Nun bedroht die Ausbreitung der Vogelgrippe diese Fortschritte. Die bisherigen Bemühungen zur Eindämmung der Vogelgrippe basierten hauptsächlich auf strengen Biosicherheitsmaßnahmen und dem Töten infizierter Vögel. Die Impfung der Kondore wird nun als zusätzliche Maßnahme betrachtet.


Quelle:
Phan, H. T. et al. (2023): „Plant crude extracts containing oligomeric hemagglutinins protect chickens against highly Pathogenic Avian Influenza Virus after one dose of immunization.“ In: Veterinary Research Communications (2023) 47:191–205. doi: 0.1007/s11259-022-09942-3

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Titelbild: Nicotiana benthamiana gehört zu den Tabakpflanzen und eignet sich als Produktionssystem für die Impfstoffherstellung. (Bildquelle: © Chandres, gemeinfrei / Wikipedia, CC BY-SA 3.0)