Durchbruch im PLANT 2030 Projekt ROOT
Gerste: Mehr Nährstoffe und Widerstandskraft durch größeres Wurzelsystem
Die Ergebnisse des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekts ROOT können sich sehen lassen: Durch einen gezielten Eingriff in den Hormonhaushalt von Gerstenwurzeln konnten Wissenschaftler deren Masse und Ausdehnung fast verdoppeln. Die Arbeit markiert einen Meilenstein bei der Optimierung der Wurzelsysteme von Kulturpflanzen.
Komplex und kompliziert, so lässt sich das Organ im Untergrund beschreiben. Wurzeln verleihen Pflanzen nicht nur Standfestigkeit und Stabilität, sie versorgen sie auch mit Wasser und Nährstoffen. Auf diese Weise tragen sie zur Vitalität und Produktivität von Pflanzen bei. Pflanzenforscher und -züchter sehen in der Optimierung der Wurzelarchitektur von Nutzpflanzen daher großes Potenzial. Welche Vorteile sich daraus ziehen lassen, zeigt eine aktuelle Studie aus dem PLANT 2030-Projekt ROOT am Beispiel Gerste (Hordeum vulgare).
Cytokinin-Hebel umgelegt
Durch gezielte Stimulation des Wurzelwachstums ist es gelungen, nicht nur die Trockentoleranz, sondern auch den Anteil relevanter Nährstoffe in den Körnern zu erhöhen. Der entscheidende Hebel war, den Cytokinin-Gehalt im Wurzelbereich durch gezielten Abbau zu senken. Das Pflanzenhormon ist dafür bekannt, das Längenwachstum und die Bildung von Seitenwurzeln zu hemmen.
Den Hormongehalt zu reduzieren, erforderte Vorarbeit. Die Forscher brauchten ein Gen, das für ein Cytokinin abbauendes Enzym kodiert. Fündig wurden sie in der Modellpflanze Arabidopsis thaliana: das Cytokininoxidase/Dehydrogenase-Gen, kurz CKX-Gen. Die Forscher wollten aber auch, dass das CKX-Gen nur in den Wurzeln aktiv ist und nicht in Spross, Blättern oder Samenkörnern. Daher kombinierten sie das Gen mit Promotoren, die nur in den Wurzeln ein Gen einschalten. Diese (EXP und PER) fanden sie in einer mit Gerste genetisch verwandten Pflanze, dem Reis (Oryza sativa).
Wachstumsförderung im Wurzelwerk
Von Anfang an zeigten die Gerstenpflanzen nach Einführung des CKX-Gens eine erhöhte Enzymaktivität in den Wurzeln und infolgedessen einen niedrigeren Cytokinin-Gehalt. Bereits zwei Wochen nach der Keimung waren die Wurzeln in den CKX-Pflanzen im Vergleich zur Kontrollgruppe 70 % länger, die Wurzeloberfläche und -biomasse um bis zu 50 % größer.
Als die Forscher die Gerstenpflanzen nach der Kornreife erneut verglichen, stellten sie keine Unterschiede im Sprosswachstum oder Kornertrag fest. Was für Außenstehende wie ein Rückschlag klingen mag, war ein Erfolg. Bislang wurde angenommen, dass eine Stärkung des Wurzelwachstums zu einer Beeinträchtigung des Pflanzenertrags führen würde. Der Clou war, das CKX-Gen ausschließlich in der Wurzel zu aktivieren. So gelang dem Team um Projektkoordinator Thomas Schmülling und Erstautor Eswarayya Ramireddy von der Freien Universität Berlin der Durchbruch.
Mehr wertvolle Inhaltsstoffe: ein möglicher Beitrag zur Bekämpfung von globaler Mangelernährung
Interessante Ergebnisse brachte die Analyse der Blätter und Körner der CKX-Pflanzen in Bezug auf 16 Inhaltsstoffe. Hier zeigten sich deutliche Unterschiede im Vergleich zu den Kontrollpflanzen. Die Blätter der Gerstenlinien mit dem größeren Wurzelsystem enthielten mehr Phosphor, Magnesium, Kalium und Calcium. Für uns Menschen besonders relevant war, dass die Körner bis zu 36 % mehr Calcium, 56 % mehr Kupfer und 44 % mehr Zink enthielten. Drei lebensnotwendige Spurenelemente für Menschen, deren Aufnahme aus dem Boden durch das ausgedehnte Wurzelwerk verbessert wurde.
Zinkmangel ist neben Eisen- und Vitamin B-Mangel eines der weltweit größten Ernährungsprobleme, von denen ca. 2 Milliarden Menschen betroffen sind. Zinkmangel schwächt das Immunsystem und führt zu höherer Kindersterblichkeit. Die Autoren schlagen vor, dass eine Erhöhung des Zinkgehalts in Getreidekörnern durch ein verbessertes Wurzelsystem ein Beitrag für eine nachhaltige Lösung dieses Ernährungsproblems sein könnte. Tatsächlich wurde in einer ersten Feldstudie der erhöhte Zinkgehalt in den Körnern der CKX-Gerste bestätigt. Der Gehalt lag über der Zielgröße des HarvestPlus Programms.
Erhöhung der Trockentoleranz: sehr willkommen in Zeiten des Klimawandels
Unser Sommer 2018 deutet es bereits an: Der Klimawandel ist nicht mehr zu leugnen und Dürreperioden werden weltweit zunehmen. Daher war die Freude bei den Forschern groß, dass die neuen Gerstenlinien mit den größeren Wurzelsystemen auch trockentoleranter als die Kontrollgruppe waren und weniger unter Trockenstress litten.
Die Wissenschaftler hoffen noch auf einen weiteren positiven Effekt. Da die Pflanzen sich besser mit Nährstoffen aus dem Boden versorgen, könnten Landwirte Dünger einsparen. Das spart Kosten und reduziert negative Umweltwirkungen wie die Entstehung von klimaschädlichen Gasemissionen und Grundwasserbelastungen.
Quellen:
- Ramireddy, E. et al. (2018): Root Engineering in Barley: Increasing Cytokinin Degradation Produces a Larger Root System, Mineral Enrichment in the Shoot and Improved Drought Tolerance. In: Plant Physiology, Vol. 177, S. 1078-1095, (14. Juli 2018), doi.org/10.1104/pp.18.00199.
- Jukolwska, M. (2018): Releasing the Cytokinin Brakes on Root Growth. In: Plant Physiology, Vol. 177, S. 865-866, (14. Juli 2018), doi.org/10.1104/pp.18.00660.
- Ramireddy, E. et al. (2018) Zn-fortified cereal grains in field-grown barley by enhanced root cytokinin breakdown. In: Plant Signaling & Behaviour, im Druck.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Wilde Gerstenart aus Israel liefert passendes Gen
- Exomsequenzierung von Gerste
- Genetischer und Geografischer Ursprung der Gerste aufgeklärt
Titelbild: Thomas Schmülling und Eswarayya Ramireddy vom PLANT 2030 Projekt Root. (Bildquelle:© Reinhard Kunze / FU Berlin)
PLANT 2030 vereint die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Forschungsaktivitäten im Bereich der angewandten Pflanzenforschung. Derzeit umfasst dies die nationalen Förderinitiativen: „Pflanzenzüchtungsforschung für die Bioökonomie“, „Pflanzenbiotechnologie der Zukunft“ und „Innovative Pflanzenzüchtung im Anbausystem (IPAS)“ sowie die vier Ausschreibungen des transnationalen Programms „PLANT-KBBE“. Weitere Informationen finden Sie unter: PLANT 2030