„Missing link“ des pflanzlichen Immunsystems

Neue Second Messenger-Moleküle entdeckt

21.07.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Rostpilze gehören zu den Pflanzenkrankheiten, die die größten Ernteverluste verursachen. (Bildquelle: © Yue Jin/wikimedia.org)

Rostpilze gehören zu den Pflanzenkrankheiten, die die größten Ernteverluste verursachen. (Bildquelle: © Yue Jin/wikimedia.org)

Genau wie alle anderen Lebewesen besitzen auch Pflanzen ein Immunsystem. Damit erkennen und bekämpfen sie Krankheitserreger. Bisher ist über das pflanzliche Immunsystem jedoch vergleichsweise wenig bekannt. Eine neue Studie deckt jetzt zwei komplett neue Klassen von Second Messenger-Molekülen auf, die an der Immunantwort beteiligt sind. Diese Erkenntnisse könnten dabei helfen, das Immunsystem von Nutzpflanzen zu stärken und Ernteverluste durch Krankheiten zu senken.

Weizenrost, Kartoffelbraunfäule oder Apfelschorf: Diese und andere Krankheiten vernichten jedes Jahr einen beträchtlichen Teil der Ernte. Damit das in Zukunft seltener passiert, brauchen wir widerstandsfähigere Nutzpflanzen, deren Immunsystem sich besser gegen Bakterien, Pilze oder Viren verteidigen kann. Dem steht bisher im Weg, dass vieles über das pflanzliche Immunsystem noch immer unbekannt ist.

Ein Team aus Wissenschaftlern unter der Leitung von Jijie Chai und Jane Parker vom Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln und der Universität Köln haben jetzt zwei Klassen von kleinen Molekülen identifiziert, die Teil der pflanzlichen Immunantwort sind. Um die Entdeckung besser zu verstehen, muss man sich zunächst mit dem pflanzlichen Immunsystem vertraut machen.

Infizierte Pflanzenteile sterben ab

Alle Pflanzen nutzen zur Verteidigung sogenannte NLR-Proteine, die aus einer nukleotidbindenden Domäne und leucinreichen Repeat-Rezeptoren bestehen. Eindringende Mikroorganismen aktivieren die NLRs, die daraufhin eine Immunreaktion in Gang setzen: Die Pflanze bekämpft die Erreger direkt und/oder die infizierten Pflanzenteile sterben durch programmierten Zelltod rasch ab, damit der Erreger sich nicht weiter ausbreiten kann.

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Der Apfelschorf wird ebenfalls durch einen Pilz verursacht.

Der Apfelschorf wird ebenfalls durch einen Pilz verursacht.

Bildquelle: © James Lindsey/wikimedia.org/CC BY-SA 3.0

Es gibt verschiedene Klassen von NLR-Proteinen. Eine davon wird als TIR-NLR oder kurz TNL bezeichnet, denn sie enthält eine sogenannte Toll/Interleukin-1-Rezeptor (TIR)-Domäne. Diese leitet Signale an das Immunprotein EDS1 weiter (Enhaned Disease Susceptibility 1). Auch andere TIR-haltige Proteine können mit EDS1 kommunizieren. Daraufhin assoziiert EDS1 mit weiteren Proteinen. Diese EDS1-Komplexe aktivieren dann die Immunantwort, wie beispielsweise den programmierten Zellltod (EDS1 – PAD4) oder die Bekämpfung der Erreger (EDS1-SAG101).

Nachbau der Immunkaskade in Insektenzellen

Bisher war unklar, wie genau die TNL-Rezeptoren und die TIR-Proteine mit EDS1 kommunizieren. Um das herauszufinden, stellten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die wichtigsten Komponenten des pflanzlichen Immunsignalwegs in Insektenzellen nach. Auf diese Weise konnten sie große Mengen der Moleküle isolieren und charakterisieren.

Sie fanden zwei neue Klassen von Molekülen (pRib-AMP/ADP), die von TNLs oder TIRs produziert werden und als „second messengers“ oder sekundäre Botenstoffe auf EDS1 einwirken. Es handelt sich um sogenannte modifizierte Nukleotidmoleküle, die bisher noch in keinem anderen lebenden Organismus beschrieben worden sind. Sie binden hochspezifisch an einen der beiden EDS1-Proteinkomplex und bewirken, dass sich noch weitere Proteine anlagern können, die für das Auslösen der Immunantwort wichtig sind.

Neue widerstandsfähigere Nutzpflanzen werden gebraucht

Bisher werden Resistenzgene vor allem aus Wildpflanzen in Kultursorten eingekreuzt. Ein besseres Verständnis von den Komponenten des pflanzlichen Immunsystems könnte aber dabei helfen, das Immunsystem unserer Nutzpflanzen mit Hilfe von Präzisionszüchtung oder gentechnologischer Methoden zu stärken.

Denn gerade in Kombination mit dem Klimawandel führen Pflanzenkrankheiten immer häufiger zu großen Ernteverlusten. Der Hitzesommer 2018 bot zum Beispiel dem Braunrosterreger Puccinia recondita beste Bedingungen. Dieser Pilz liebt hohe Temperaturen, nachts muss es mindestens 15 Grad warm sein, tagsüber gern mehr. Dann kann er sich rasend schnell in Weizenfeldern ausbreiten und Ertragsverluste von über 50 Prozent hervorrufen. Auch andere wichtige Nutzpflanzen wie Reis, Mais oder die vor allem in Afrika verbreitete Cassava (Maniok) sind anfällig gegenüber Krankheitserregern. Um die weltweite Ernährungssicherheit zu sichern, braucht es daher neue Varianten mit einer besseren Resistenz gegen Schädlinge


Quellen:

  • Huang, S. et al. (2022): Identification and receptor mechanism of TIR-catalyzed small molecules in plant immunity. In: Science, (7. Juli 2022), doi:10.1126/science.abq3297.
  • Jia, A. et al. (2022): TIR-catalyzed ADP-ribosylation reactions produce signaling molecules for plant immunity. In: Science, (7. Juli 2022). doi:10.1126/science.abq8180.

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Titelbild: Rostpilze gehören zu den Pflanzenkrankheiten, die die größten Ernteverluste verursachen. (Bildquelle: © Yue Jin/wikimedia.org)