Mustergültig angeordnet

Protein VRS2 steuert die Architektur der Gerstenähren

13.02.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Körner an einer Gerstenähre sind nicht zufällig verteilt. Vielmehr ist genau festgelegt, wie sie sich ausbilden. (Bildquelle: © Hans/pixabay, CCO)

Die Körner an einer Gerstenähre sind nicht zufällig verteilt. Vielmehr ist genau festgelegt, wie sie sich ausbilden. (Bildquelle: © Hans/pixabay, CCO)

Getreideähren sind nach regelmäßigen Mustern aufgebaut. Doch wenn das Gen vrs2 fehlt, gerät der Bauplan der Gerstenähren durcheinander. Das beeinflusst auch den Ertrag der Pflanzen. Ein besseres Verständnis der Ährenarchitektur ist daher wichtig für die gezielte Entwicklung ertragreicher Getreidesorten.  

Wie groß die Getreideernte sein wird, die ein Landwirt am Ende der Saison vom Feld holt, ist nie genau vorherzusehen. Sie hängt aber ganz entscheidend davon ab, wie viele Körner die Feldfrüchte ausbilden. Trotzdem ist bisher fast nichts über die molekularen Mechanismen bekannt, die bei der Ausbildung von Getreideähren und damit für die Nahrungsgrundlage der Menschen in aller Welt, eine Rolle spielen.  

Ein internationales Forscherteam unter Leitung von Thorsten Schnurbusch vom Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK Gatersleben) hat jetzt einen zentralen Regulationsmechanismus entdeckt, der die Architektur von Gerstenähren mitbestimmt. Gerste gilt den Forschenden am Institut nicht nur als Kulturpflanze, sondern auch als Modellsystem für andere Getreidearten wie zum Beispiel Weizen. Die Ergebnisse wurden vor kurzem im Fachblatt Nature Genetics veröffentlicht.  

Zweizeilig, sechzeilig, immer regelmäßig  

Im Zentrum steht der Transkriptionsfaktor VRS2 (SIX-ROWED SPIKE 2). Transkriptionsfaktoren steuern die Funktion anderer Gene. VRS2 reguliert die Konzentration von Zuckern sowie verschiedener Pflanzenhormone wie Auxin, Gibberelline und Cytokinine und steuert dadurch Wachstum und Entwicklung der Pflanze. Pflanzen mit mutiertem vrs2-Gen zeigten eine verzögerte Entwicklung und eine ungewöhnliche Ährenarchitektur.  

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Die Ährenarchitektur ist auch für den Ertrag entscheidend, denn in den Ähren sitzen die Körner (Samen) des Getreides.

Die Ährenarchitektur ist auch für den Ertrag entscheidend, denn in den Ähren sitzen die Körner (Samen) des Getreides.

Bildquelle: © andi-h / pixelio.de

Verschiedene Arten von Gerste (Hordeum vulgare) haben unterschiedlich ausgeprägte Ähren. Man unterscheidet zwischen zweizeiligen und mehrzeiligen Gerstensorten. Beide Arten bilden Blütenstände in einem regelmäßigen Muster: An jedem Knotenpunkt der Rhachis wachsen drei Blütenstände, ein zentraler und zwei seitliche.  

Ohne vrs2 fehlt das Muster  

Bei zweizeiligen Gersten sind die zwei seitlichen Blütenstände steril. Diese Sorten produzieren folglich nur ein Korn aus dem mittleren, fruchtbaren Blütenstand. Bei sechszeiliger Gerste hingegen sind alle Blütenstände fruchtbar. Diese Sorten bilden drei Körner pro Knotenpunkt aus.  

Die Gerstenlinie BW-NIL(vrs2.e) mit einem mutierten vrs2-Gen weicht von diesem Muster ab. Sie entwickelt an der Basis der Ähre überzählige fruchtbare Ährchen. Zur Spitze hin ähnelt sie hingegen der zweizweiligen Gerste mit nur noch einem fruchtbaren Ährchen pro Knoten. Es scheint, als gäbe es in diesem Mutanten eine Art Fruchtbarkeitsgradienten, der zur Ährenspitze hin abnimmt.  

Um herauszufinden, zu welchem Zeitpunkt der Entwicklung VRS2 zum Einsatz kommt, maßen die Wissenschaftler die Konzentrationen verschiedener Pflanzenhormone und Kohlenhydrate in der Gerstenlinie Bowman, einem Wildtyp, und der mutierten Gerstenlinie BW-NIL(vrs2.e). 

Sie fanden signifikante Differenzen im Gehalt von Saccharose sowie mehreren Gibberellinen. Außerdem fanden sie bei Wildtyp-Pflanzen einen Verteilungsgradienten von Auxin und Cytokinin in den Ähren. Bei den Mutanten fehlte dieser Gradient. Das ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass VRS2 an der Ausbildung eben dieses Hormongradienten beteiligt ist, der schlussendlich zu einer korrekten Ährenarchitektur führt. Auch Gene, die für die Blütenbildung verantwortlich sind, waren in vrs2-Mutanten stark herunterreguliert.  

Viele Getreidearten haben verwandte Proteine  

Weitere Analysen zeigten, dass das VRS2-Protein ein Transkriptionsfaktor ist, der zur Familie der SHI-Proteine gehört. Mitglieder dieser Proteinfamilie konnten auch in anderen Getreidearten nachgewiesen werden. Die Erkenntnisse am Modellsystem Gerste könnten deshalb auch dazu beitragen, die Ährenentwicklung anderer Getreidepflanzen besser zu verstehen und gezielt züchterisch zu verändern.


Quelle:
Youssef, H. et al. (2017): VRS2 regulates hormone-mediated inflorescence patterning in barley. In: Nature Genetics, Vol. 49(1):157-161, (Januar 2017), doi: 10.1038/ng.3717.    

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Titelbild: Die Körner an einer Gerstenähre sind nicht zufällig verteilt. Vielmehr ist genau festgelegt, wie sie sich ausbilden. (Bildquelle: © Hans/pixabay, CCO)