Wilder Emmer ist sequenziert

Neue und gleichzeitig ursprüngliche Quelle für verbesserten Weizen

19.07.2017 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wissenschaftler haben das Genom des Wilden Emmers sequenziert. (Bildquelle: © Janine Fretz Weber/ Fotolia.com)

Wissenschaftler haben das Genom des Wilden Emmers sequenziert. (Bildquelle: © Janine Fretz Weber/ Fotolia.com)

Emmer spielt in der modernen Landwirtschaft kaum noch eine Rolle. Die Gene des Emmers sind jedoch besonders wertvoll für die Weizenzüchtung. Das Urgetreide besitzt viele positive Eigenschaften, die dem modernen Weizen fehlen. Mit Hilfe der jetzt vorliegenden Genomsequenz des Wilden Emmers lassen sich heutige Weizensorten gezielt verbessern.

Wer schon einmal im Bioladen Brot gekauft hat, dem ist Emmer womöglich ein Begriff. In der konventionellen Nahrungsmittelproduktion ist das Urgetreide jedoch schon lange nicht mehr präsent. Dabei war Emmer einst „der Weizen des alten Roms“. Denn der Weizen, der heute eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit ist, entstand erst durch die Aufnahme des gesamten Gensatzes des Wildgrases Aegilops tauschii Coss. in das Genom des Emmers.

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Weizen entstand durch die Aufnahme des gesamten Gensatzes des Wildgrases Aegilops tauschii Coss. in den Emmer. Mehr zu der wichtigen Nahrungspflanze finden Sie hier: Weizen

Weizen entstand durch die Aufnahme des gesamten Gensatzes des Wildgrases Aegilops tauschii Coss. in den Emmer. Mehr zu der wichtigen Nahrungspflanze finden Sie hier: Weizen

Bildquelle: © H.-J. Sydow/wikimedia.org; gemeinfrei

Heute liefert uns Weizen direkt oder indirekt 20 Prozent der weltweit produzierten Nahrungsenergie. Nach Mais und Reis ist Weizen global betrachtet damit die drittbedeutendste Nahrungspflanze. Aus diesem Grund wird der Weizen intensiv beforscht und stetig weiterentwickelt.

Brüchige Ähren machen das Getreide landwirtschaftlich uninteressant

Auf den Wilden Emmer (Triticum turgidum ssp. dicoccoides) gehen nahezu alle heutigen Kulturweizensorten zurück. Seine brüchigen Ähren, aus denen sich die Körner schlecht mit Maschinen ernten lassen, haben das Getreide jedoch aus der heutigen Landwirtschaft nahezu ganz vertrieben.

Wilder Emmer: Ertragreich und widerstandfähig

Dennoch ist das Getreide für die Züchtung moderner Weizensorten heute wieder sehr interessant. Wilder Emmer ist extrem anspruchslos und wächst auch auf wenig fruchtbaren Böden ertragreich. Er ist besonders widerstandfähig gegen Krankheiten und kommt mit Trockenperioden wesentlich besser zurecht als herkömmlicher Weizen.

Anspruchslose, ertragreiche Nahrungspflanzen werden in den kommenden Jahrzehnten an Bedeutung gewinnen, da die Weltbevölkerung wächst und der Klimawandel für immer extremere Umweltbedingungen sorgen wird. Die besonderen Eigenschaften des Wilden Emmers in modernen Weizen einzukreuzen, war bisher zu anspruchsvoll für die Züchtung. Denn schon die Erzeugung einer neuen Weizen-Sorte aus unterschiedlichen Kulturweizenlinien dauert 10 bis 15 Jahren. Ohne tiefgreifende Kenntnisse des Genoms des Wilden Emmers würde das Einkreuzen von Emmereigenschaften viele Jahrzehnte in Anspruch nehmen.

Modernste Technik zur Genomsequenzierung

Ein internationales Team aus Wissenschaftlern unter deutscher Beteiligung hat nun das Genom des Wilden Emmers sequenziert. Dazu benutzten die Forscher eine neue Methode, die Chromosome-Conformation-Capture-Sequenzierung (Hi-C), die auf der 3D-Architektur des Genoms aufbaut. „Solch innovative Technologien erlaubten es uns, die Sequenz des Wilden Emmers und anderer Weizengenome in hoher Qualität zu erarbeiten“, erläutert Nils Stein, Leiter der Arbeitsgruppe Genomik Genetischer Ressourcen am IPK in Gatersleben. Auch bei der kürzlich veröffentlichten Sequenzierung des Gerstengenoms hatte das Team um Stein dieses Verfahren eingesetzt.

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Diese Forschung wurde unter anderem durch die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte

Diese Forschung wurde unter anderem durch die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekte "TRITEX" und "BARLEX" unterstützt.

Mehr zum Projekt "TRITEX"...

Mehr zum Projekt "BARLEX"...

Schwierige Sequenzierung

Die Sequenzierung von Getreidegenomen ist kein einfaches Unterfangen. Das Genom des Wilden Emmers setzt sich aus 14 Chromosomen zusammen, auf denen insgesamt 10.1-Gigabasen Erbinformation verteilt sind. Damit ist das Genom des Wilden Emmers dreimal so groß wie das des Menschen. Zudem enthalten Getreidegenome zahlreiche sehr ähnliche Sequenzabschnitte, die die Sequenzierung und das anschließende Zusammenführen der ermittelten Teilsequenzen zur vollständigen genomischen Sequenz stark verkomplizieren.

Vergleicht man nun die Genome moderner Weizensorten mit dem des Wilden Emmers, findet man neue Gene, die sich jetzt in den modernen Weizen einkreuzen lassen. Ziel ist es, die positiven Eigenschaften beider Getreidearten in verbesserten Weizensorten zu vereinen. Die neuen Weizen-Pflanzen sollen weiterhin stabile Ähren besitzen, die sich ohne Verluste ernten lassen. Gleichzeitig sollen sie aber noch besser an widrige Umweltbedingungen wie Trockenheit angepasst und gegen Krankheiten unempfindlich sein. Und natürlich sollen sie möglichst hohe und stabile Erträge liefern.

Weizen mit bestimmten Mikronährstoffen oder Vitaminen anzureichern, könnten weitere Zuchtziele sein, um nicht nur eine kalorisch ausreichende, sondern auch eine möglichst ausgeglichene Ernährung sicher zu stellen. Aber auch die zunehmenden Unverträglichkeiten von Weizenprodukten bis hin zu Allergien liegen im Blick der Pflanzen- und Ernährungsforschung.

Unschätzbare Ressource für die zukünftigen Zuchtbemühungen

Der Vergleich der Genome vom Wilden Emmer und Weizen zeigt auch, wie sich der Wilde Emmer während seiner Domestikation durch den Menschen verändert hat. Vor etwa 10.000 Jahren haben Menschen im Gebiet des sogenannten fruchtbaren Halbmonds im Vorderen Orient Wildformen des Weizens erstmals angebaut, um ihre Ernährung zu sichern. Auf diese Weise konnten die ersten sesshaften Gesellschaften entstehen, die zu unserer heutigen modernen Zivilisation führten.

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Nils Stein bei der Beobachtung von Getreide unter Gewächshausbedingungen.

Nils Stein bei der Beobachtung von Getreide unter Gewächshausbedingungen.

Bildquelle: © IPK/Sebastian Mast

Aus dem Genom des Wilden Emmers lassen sich auch Gene identifizieren, die jene Merkmale kontrollierten, die von den frühen Menschen während der Weizendomestikation verändert wurden. Sie dienten als Grundlage für die Entwicklung der modernen Weizensorten.

Eduard Akhunov, ein beteiligter Wissenschaftler von der Kansas State University, äußerte sich dazu: „Diese Gene repräsentieren eine unschätzbare Ressource für die zukünftigen Zuchtbemühungen. Der Wilde Emmer könnte zu einer neuen, ursprünglichen Quelle werden, um die Ernährungsqualität von Getreide sowie die Toleranz gegenüber Krankheiten und Trockenheit zu verbessern.“

Wie bereits bei anderen Kulturpflanzen lässt sich nun nachvollziehen, dass durch Veränderungen bei wenigen Genen aus dem wilden Vorfahren die heute vertraute Nutzpflanze wurde. So genügten Varianten in zwei Genen, dass die Samen bei Kulturweizen fester in der Ähre verbleiben, während sie beim Wilden Emmer leicht ausfallen.

Forscher in vielen Ländern versuchen mit Hochdruck solche Domestikationsgene zu identifizieren. Damit wird die Grundlage geschaffen, um auch andere Wildpflanzen in Kulturpflanzen zu verwandeln. Solche Pflanzen wären besser an die sich verändernden Umweltbedingungen angepasst und sie wären womöglich auch eine neue Rohstoffquelle für die Industrie und Pharmazie. Neue Kulturpflanzen könnten zudem dazu beitragen, die Diversität im Anbau zu erhöhen und die vielerorts eingeengten Fruchtfolgen wieder zu bereichern. Dies käme der Umwelt und der landwirtschaftlichen Produktivität gleichermaßen zugute.


Quelle:
Avni, R., et al. (2017): Wild emmer genome architecture and diversity elucidate wheat evolution and domestication. In: Science, 357(6346):93-97, (07. Juli 2017), doi: 10.1126/science.aan0032.

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Titelbild: Wissenschaftler haben das Genom des Wilden Emmers sequenziert. (Bildquelle: © Janine Fretz Weber/ Fotolia.com)