Nischensignale erhalten ewige Jungbrunnen

08.10.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Zwiebelwurzel unterm Mikroskop  (Quelle:© iStockphoto.com/ Karl Dolenc)

Zwiebelwurzel unterm Mikroskop (Quelle:© iStockphoto.com/ Karl Dolenc)

2 000 Jahre alt und noch immer Ursprung für Wachstum und Erneuerung: Wie Stammzellen durch kleine Signalmoleküle aus ihrer Umgebung ewig jung und teilungsfähig bleiben, ist auch für die Pflanzenzüchtung eine spannende Frage.

Nicht alle Lebewesen sind wie Sequoia sempervirens. Der Küstenmammutbaum hat 2 000 Jahre alte Zellen und sie werden nicht alt. Nichtsdestotrotz besitzen alle Pflanzen und Tiere wohl geschützte Zentren, aus denen heraus sich die Organismen als Embryo entwickeln und die ein Leben lang  ihr Erneuerungspotential behalten. Stammzellen sitzen in geschützten Nischen, beim erwachsenen Menschen zum Beispiel im Knochenmark, bei Pflanzen an den Spross- und Wurzelspitzen. Sie sind umgeben von Spezialzellen, die sie ernähren und mit Signalen versorgen. Japanische Biologen haben nun mehr über den genauen Mechanismus herausgefunden, wie Signale aus der Umgebung Wurzelstammzellen jung und teilungsfähig halten.

Der Schlüssel zur Erhaltung von Stammzellen ist wahrscheinlich im Zusammenspiel von vielen kleinen Signalmolekülen zu suchen. Sie stammen von Organisationszellen, die in direkter Nachbarschaft zu Stammzellen positioniert sind. In der Wurzel zählen zu diesen Signalen klassische, lange bekannte Moleküle wie der pflanzliche Wachstumsfaktor Auxin, aber auch neu entdeckte kleine Peptidsignale. Sie regen das Wachstumszentrum in der Wurzel an, deshalb werden sie RGFs genannt (root meristem growth factor).

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Die Stammzellnische (1) besteht aus Stammzellen umgeben von Organisationszellen. Von dort wächst die Wurzel in zwei Richtungen: an der Spitze entstehen Stärkezellen zum Schutz der Wurzelhaube (2-3). Dahinter liegt die Wachstumszone (5). Dort strecken sich die Zellen  und schieben die Wurzelspitze tiefer in die Erde. Durch die Reibung lösen sich Zellen an der Spitze ab (4). 

Die Stammzellnische (1) besteht aus Stammzellen umgeben von Organisationszellen. Von dort wächst die Wurzel in zwei Richtungen: an der Spitze entstehen Stärkezellen zum Schutz der Wurzelhaube (2-3). Dahinter liegt die Wachstumszone (5). Dort strecken sich die Zellen  und schieben die Wurzelspitze tiefer in die Erde. Durch die Reibung lösen sich Zellen an der Spitze ab (4). 

Bildquelle: © SuperManu (Emmanuel.Boutet) / Wikimedia.org; CC BY-SA 2.5

Pflanzliche „Alleskönner“

Die Ansammlung der Signalmoleküle in ihrer Umgebung hindert Stammzellen daran, sich wie gewöhnliche Zellen weiterzuentwickeln. Eine normale Zelle würde zunächst wachsen und sich dann spezialisieren. Je nach dem, in welchem Gewebe die Zelle entsteht, werden bestimmte Gene in der Zelle angeschaltet, die aus ihr beispielsweise eine Leitröhrenzelle zum Transport von Nährstoffen oder eine  farbstoffhaltige Zelle eines Blütenblattes werden lassen. In der Stammzelle sollen solche Gene jedoch nicht abgelesen werden. Solange die Transkription verhindert wird, sind Stammzellen „Alleskönner“: Sie sind pluripotent und teilen sich asymmetrisch, das heißt,  die eine Tochterzelle wird zur Spezialzelle in einem beliebigen Gewebe. Die andere Tochterzelle behält die Stammzellfunktion. Spezialisierte Zellen können sich nur symmetrisch teilen, so entstehen aus Blattzellen ausschließlich neue Blattzellen.

Für die Regulierung, welche Gene in der Zelle abgelesen werden, sind unter anderem Transkriptionsfaktoren verantwortlich. Manche heften sich zum Beispiel direkt an die DNA und verhindern so, dass sie abgelesen wird. Die neu beschriebenen Wurzelwachstumsfaktoren im Modellorganismus Arabidopsis thaliana erhöhen die Produktionsrate von bestimmten Transkriptionsfaktoren in den Organisationszellen und tragen damit zur Erhaltung der Stammzellen bei.

Obwohl Tiere genau wie Pflanzen aus Stammzellen und deren teilungsaktiven Tochterzellen entstehen, ist es bei ihnen viel schwieriger, die genaue Funktionsweise zu erforschen. Anders als bei Tieren bewegen sich Zellen bei Pflanzen im Allgemeinen nicht. Unsere Blutzellen entstehen aus Stammzellen und bewegen sich dann frei im ganzen Körper umher. Bei Pflanzen dagegen lässt sich genau beobachten, wie aus einer Stammzelle eine ganze Linie von Tochterzellen entsteht. So bieten Pflanzen ein viel präziseres System, die Details der Stammzellregulation zu untersuchen als tierische Modelle.

Pflanzliche Stammzellen sind auch leichter zu lokalisieren. Sie sitzen an definierten Orten und bestimmen so das dreidimensionalen Aussehen der Pflanze. Überall dort wo etwas wächst, muss eine Stammzelle sitzen: an der Spitze des Sprosses (Apikalmeristem), an der Spitze eines Seitentriebes, eines Blattes oder einer Seitenwurzel. In der Baumrinde produzieren besondere Stammzellen Tochterzellen, aus denen sich Holz bildet.

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Küstenmammutbäume im Sequoia Nationalpark, USA.

Küstenmammutbäume im Sequoia Nationalpark, USA.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Oleksandr Buzko

Noch ein anderer Unterschied zwischen Tieren und Pflanzen ist wichtig, wenn es um die Funktion von Stammzellen geht. Im Gegensatz zu Tieren können sich Pflanzen nicht bewegen. Aber über die Regulation der Stammzellen kann sich die Pflanze ihrer Umwelt anpassen. Deshalb begegnet sie schädlichen Einflüssen mit Veränderungen in ihrem Entwicklungsprogramm. Wenn ein Teil der Pflanze verletzt wird, können Tochterzellen, die sich schon teilweise spezialisiert haben (teildifferenziert) wieder zu Stammzellen werden. Diese Reprogrammierung ermöglicht der Pflanze, Äste oder einzelne Blätter wieder neu wachsen zu lassen.

Neue Ansatzpunkte in der Pflanzenzüchtung

Für die Züchtung ist die Untersuchung von Stammzellen besonders interessant, weil sie für das Wachstum verantwortlich sind. Wenn man versteht, wie Stammzellnischen gesteuert werden, lassen sich die Kenntnisse nutzen, um Pflanzenlinien mit höherem Ertrag oder schnellerem Wachstum zu entwickeln. Die chemische Analyse des Signalnetzwerkes bietet das Potential, kleine Wirkstoffmoleküle zu finden, die als Signale wirksam sind und als neuartige Düngemittel eingesetzt werden könnten. Bei Versuchen mit Reis wurden schon erste Ergebnisse erzielt. Auch die Dürretoleranz ließ sich über das Eingreifen in Signalwege steigern. Bevor stammzellbasierte Verfahren in der Pflanzenzüchtung zur Anwendung gelangen, muss jedoch noch intensiv geforscht werden.


Quelle:
Matsuzaki, Y. et al. (2010): Secreted Peptide Signals Required for Maintenance of Root Stem Cell Niche in Arabidopsis. In: Science, (27 August 2010), DOI: 10.1126/science.1191132.

Zum Weiterlesen:

  • Farnusch, K. und Van der Hoorn, R. (2007): Small molecule approaches in plants. In: Current Opinion in Chemical Biology, (5. Januar 2007), doi: 10.1016/j.cbpa.2006.11.038.
  • Scheres, B. (2007): Stem-cell niches: nursery rhymes across kingdoms. In: Nature Reviews Molecular Cell Biology, (8. Mai 2007), doi: 10.1038/nrm2164.