Pflanzen fressen Pflanzen

28.11.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ist ein Einzeller - hat jedoch neben der Photosynthese auch noch einen anderen Weg zur Energiegewinnung. (Quelle: © Universität Bielefeld)

Die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii ist ein Einzeller - hat jedoch neben der Photosynthese auch noch einen anderen Weg zur Energiegewinnung. (Quelle: © Universität Bielefeld)

Ein deutsches Forscherteam entdeckte erstmals, dass sich die Grünalge Chlamydomonas reinhardtii nicht nur von Sonnenlicht durch Photosynthese ernähren kann, sondern auch in der Lage ist, pflanzliche Cellulose zu spalten. Die Grünalge ist damit der erste pflanzliche Organismus für den die Energiegewinnung aus Cellulose nachgewiesen werden konnte. Diese Erkenntnis könnte zudem die Biokraftstoffproduktion vereinfachen.

Lebewesen, die - im Gegensatz zu Pflanzen - nicht in der Lage sind, Energie direkt aus Sonnenlicht zu ziehen (Photosynthese) werden als heterotroph bezeichnet. Sie müssen sich daher von organischen Stoffen ernähren. Bislang kannte man jedoch nur einige Würmer, Bakterien und Pilze, die pflanzliche Cellulose verdauen können. Cellulose ist ein Hauptbestandteil pflanzlicher Zellwände und damit der am häufigsten vorkommende organische Stoff der Erde. Der Abbau von Cellulose Stoff dient als wichtige Kohlenstoffquelle.

Auch Grünalgen können Cellulose abbauen

Wie alle Lebewesen benötigt auch die Mikroalge Kohlenstoff für das Wachstum. Bei der Photosynthese nutzt die Alge Kohlendioxid als Kohlenstoffquelle. Doch wie verhält sich die Alge, wenn nicht ausreichend CO2 vorhanden ist? Deutsche Forscher der Universität Bielefeld ließen dazu die mikroskopisch kleine Grünalgenart Chlamydomonas reinhardtii in einer Kohlendioxid (CO2)-armen Umgebung wachsen. Das Forscherteam entdeckte, dass die Alge Enzyme (sogenannte Cellulasen) bilden kann, die die Grünalge dazu befähigen Cellulose in Zucker umzuwandeln. So konnte die Alge organische Cellulose zu Energie umwandeln und trotz CO2-Mangels weiterwachsen.

„Dieses Verhalten ist damit erstmals für einen pflanzlichen Organismus nachgewiesen worden“, erklärt der Leiter der Studie, Professor Dr. Olaf Kruse. „Dass Algen Zellulose verdauen können, widerspricht bisher jeder Lehrbuchmeinung. Gewissermaßen fressen Pflanzen hier Pflanzen.“

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In Experimenten konnte erstmals nachgewiesen werden, dass ein pflanzlicher Organismus auch Cellulose für die Energiegewinnung nutzen kann. (Quelle: © Universität Bielefeld)

In Experimenten konnte erstmals nachgewiesen werden, dass ein pflanzlicher Organismus auch Cellulose für die Energiegewinnung nutzen kann. (Quelle: © Universität Bielefeld)

Nun wollen die Forscher testen, ob auch andere Algenarten dazu in der Lage sind.

Eine Alge für die Forschung

Die einzellige Süßwasseralge ist weltweit verbreitet und dient der pflanzlichen Grundlagenforschung als Modellorganismus, z.B. für die Untersuchung der Chloroplasten-basierten Photosynthese. Dies bereits lange bevor ihr Erbgut (Genom) im Jahr 2010 vollständig sequenziert wurde (Merchant, S.S. et al.). Zudem erforscht man an Algen ebenfalls biotechnologische Prozesse, darunter auch ihr Potential bei der Gewinnung von Bioenergie, wie z.B. Biokraftstoffen.

Helfer bei der Biokraftstoffproduktion

Wird bei der Erzeugung von Biokraftstoffen auf Biomasse in Form von organischen Reststoffen zurückgegriffen, spricht man von Biokraftstoffen der zweiten Generation. Durch die Verwendung von Reststoffen konkurrieren diese Biokraftstoffe nicht mit Nahrungs- oder Futtermitteln. Es ergeben sich allerdings andere Probleme. So ist beispielsweise die Produktion von Cellulose-Ethanol sehr aufwändig, kostspielig und somit noch nicht wirtschaftlich.

Beim biologischen Abbau pflanzlicher Cellulose sind große Mengen an speziellen Enzymen (Cellulasen) notwendig, die derzeit vor allem aus Pilzen gewonnen werden. Hier könnten die Ergebnisse der deutschen Forscher ansetzten. Eine effizientere und kostengünstigere Umwandlung von Cellulose in Zucker könnte mithilfe der Algen gelingen; Beispielsweise Altpapier könnte von den Algen zersetzt und so für die Vergärung zu Ethanol nutzbar gemacht werden. Der Vorteil der Algen: Die Grünalgen bräuchten zum Wachsen lediglich Licht, Wasser und Kohlenstoffdioxid, anders als Pilze. Diese benötigen organisches Material, um zu wachsen.


Quelle:
Blifernez-Klassen, O. et al. (2012): Cellulose degradation and assimilation by the unicellular phototrophic eukaryote Chlamydomonas reinhardtii. In: Nature Communications 3, 1214, 20. November 2012, doi: 10.1038/ncomms2210.
 


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