Photosynthetisches Gewebe aus dem Biodrucker

Mikroalgen auf Gelmatrix versprechen vielfältige Anwendungen

27.05.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ein Mini-T-Shirt zeigt die photosynthetischen lebenden Materialien, die im Labor mithilfe von 3D-Druckern hergestellt wurden. (Bildquelle: © University of Rochester photo)

Ein Mini-T-Shirt zeigt die photosynthetischen lebenden Materialien, die im Labor mithilfe von 3D-Druckern hergestellt wurden. (Bildquelle: © University of Rochester photo)

Wer an Pflanzen denkt, dem fallen meist nur Wildblumen und Bäume ein. Doch auch Mikroalgen zählen dazu und haben ein nicht zu unterschätzendes Anwendungspotenzial – beispielsweise als „lebende Materialien“.

Drucken – damit meint man längst nicht mehr nur den Betrieb der Tintenstrahl- oder Laserdrucker in den Büros und vielleicht noch der großen Offset-Maschinen der Zeitungsverlage. 3-D-Drucken das ist mittlerweile eine Technologie, mit der sogar Häuser gebaut oder auch Zellverbände für medizinische Anwendungen erzeugt werden können – z. B. künstlich erzeugte Hauttransplantate für Verbrennungsopfer. Letzteres Beispiel gehört zur Kategorie „Bioprinting“. Doch hier ergibt sich immer ein wesentliches Problem: Die Zellen benötigen ein Gerüst, das sie verbindet oder in bestimmten Strukturen hält, ohne Funktionalität und Vitalität der Zellen zu beeinträchtigen. Eine neue Biohybrid-Struktur für Mikroalgen haben Forscher:innen nun entwickelt. Sie ist robust und günstig herzustellen.

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Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Chlamydomonas reinhardtii.

Rasterelektronenmikroskopische Aufnahme von Chlamydomonas reinhardtii.

Bildquelle: © Dartmouth Electron Microscope Facility, Dartmouth College / wikimedia.org / CC0

Alge + Seide = Luftreiniger

Die Ideen hinter sogenannten lebenden Materialien sind vielfältig: Die Zellen darin dienen beispielsweise als Sensoren, als Energieerzeuger, als Filter oder als Fabrik für bestimmte chemische Wertstoffe. Im 3-D-Druck ist es möglich, die Zellen so zu arrangieren, dass ihre Anordnung die natürliche zeitliche wie räumliche Ausbreitung imitiert. Demonstriert wurde dieses Verfahren bereits für Mikroalgen, Bakterien, Pilze sowie tierische und pflanzliche Zellen.

Besonders interessiert ist die Forschung an Mikroalgen, da diese nicht nur eine Vielzahl interessanter Stoffwechselprodukte bilden, sondern auch die Photosynthese beherrschen. Beispielsweise wurden Mikroalgen bereits auf Seidengerüste gedruckt und so als Luftreiniger verwendet. Andere Gerüste für Mikroalgen sind Biopolymere aus Alginat, Moos oder Stärke. Doch die meisten der so erzeugten lebenden Materialien sind leicht zerbrechlich und haben eine geringe mechanische Festigkeit.

Diesmal jedoch haben die Forscher:innen auf bakteriell erzeugte Cellulose als Gerüst gesetzt. Cellulose ist ein vielseitiges, zellfreundliches und robustes Biopolymer mit hoher Zugfestigkeit und Bruchzähigkeit. Durch den faserigen Aufbau von Cellulose gelangen Nährstoffe problemlos zu den eingeschlossenen Mikroalgen. Solche lebenden Materialien können dadurch über längere Zeit vital bleiben und eignen sich beispielsweise zur Luft- und Abwasserreinigung (z. B. Kohlendioxid- oder Schwermetallabscheidung, Sauerstoffanreicherung).

Gesundes Wachstum auf Cellulose

Zunächst testete das Team, ob die Mikroalge Chlamydomonas reinhardtii auf bakterieller Cellulose wachsen kann. Unter photomixotrophischen Bedingungen – also bei Versorgung mit Licht, Kohlendioxid und einer weiteren Kohlenstoffquelle – war das der Fall. Wurden die Mikroalgen auf Cellulose gedruckt und dann auf eine mit einer Kohlenstoffquelle angereicherte Agar-Platte gelegt, wuchsen sie aufgrund der eingeschränkten Nährstoffversorgung zwar langsamer, aber stabil. Die Algen erreichten nach sieben Tagen eine maximale Zelldichte.

Somit konnten die Forscher:innen zeigen, dass diese Organismen ohne Schaden das Druckverfahren überstehen und über die gesamte Dauer des Experimentes (28 Tage) vital waren. Innerhalb dieser Zeit stieg ihr Chlorophyllgehalt um den Faktor 33 – ein Zeichen für „Gesundheit“.

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Chlamydomonas reinhardtii ist eine einzellige Grünalgenart. In der Pflanzenforschung ist sie zentraler Modellorganismus für die entwicklungsbiologischen und physiologischen Prozesse von höheren Pflanzen. Erfahren Sie mehr in unserem Steckbrief.

Chlamydomonas reinhardtii ist eine einzellige Grünalgenart. In der Pflanzenforschung ist sie zentraler Modellorganismus für die entwicklungsbiologischen und physiologischen Prozesse von höheren Pflanzen. Erfahren Sie mehr in unserem Steckbrief.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Ohne Kontakt zur Agar-Platte überlebten die Mikroalgen nur drei Tage. Wurden sie in diesem Zeitraum auf die Agar-Platte zurückgelegt, nahmen sie das Wachstum wieder auf. Das zeigt, dass es für ein dauerhaftes Wachstum ausreicht, die Mikroalgen in Intervallen mit frischen Nährstoffen zu versorgen.

Stabil und strukturell vielseitig

Eine andere Frage bereitete den Forschenden jedoch Sorge: Grundsätzlich ist C. reinhardtii durchaus in der Lage, sich von Cellulose zu ernähren. Würde die Mikroalge also mit der Zeit ihr Gerüst zersetzen und das Material seine Stabilität verlieren?

Erfreulicherweise fand das Team bei den auf Cellulose gedruckten Mikroalgen keine Anzeichen dafür, dass es zum Abbau der Cellulose kommt. Möglicherweise werden Verdauungsenzyme innerhalb der Biodruckstruktur immobilisiert.

Nach diesem grundsätzlichen Erfolg erprobten die Forscher:innen, welche Strukturen sich auf diese Weise drucken lassen. Größen von 264 Quadratzentimetern stellten ebenso wenig ein Problem dar wie mehrlagige, hohle oder gefüllte geometrische Formen. Der Druck hatte dabei eine Präzision von einem Millimeter, die erst bei mehr als sechs Lagen schlechter wurde. Und das, obwohl nur ein 250 US-Dollar teurer Drucker zum Einsatz kam. Einem Upscaling dürfte nach Einschätzung des Teams deshalb wenig im Wege stehen.

Wasserfest und recyclingfähig

Auch die Stabilität überzeugte das Team: Biegen, Knicken, Eindrücken – nach jeder Belastung kehrte das Biohybrid-Material in seine Ausgangsform zurück. Ohne Cellulosegerüst hielt der Mikroalgendruck keiner dieser Belastungen stand. Auch eine einmonatige Lagerung unter normalen Umwelteinflüssen veränderte weder Form noch die grüne Farbe des Biohybrid-Materials. Außerdem erwies es sich als wasserfest: Keine Mikroalgen lösten sich aus dem Verbund – ein wichtiger Faktor mit Blick auf potenzielle Umweltauswirkungen. Nicht zuletzt hat das Material ein nachhaltiges Lebensende, denn seine Komponenten können getrennt und wiederverwertet werden.


Quelle:
Balasubramanian, S. et al. (2021): Bioprinting of Regenerative Photosynthetic Living Materials. In: Advanced Functional Materials, 2011162, (April 2021), doi: 10.1002/adfm.202011162.

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Titelbild: Ein Mini-T-Shirt zeigt die photosynthetischen lebenden Materialien, die im Labor mithilfe von 3D-Druckern hergestellt wurden. (Bildquelle: © University of Rochester photo)