Der kleine und feine Unterschied
Ein Gen regelt die Herausbildung von Männlein und Weiblein bei Algen
Ein spezielles Gen reguliert bei verschiedenen Algenarten die Ausdifferenzierung von Keimzellen zur geschlechtlichen Fortpflanzung.
„Alge“ ist ein Überbegriff für verschiedene Gruppen von Eukaryoten, die Photosynthese betreiben. Als Algen werden sowohl Einzeller als auch mehrzellige Lebewesen bezeichnet. Als Vorläufer der höheren Pflanzen sind Algen für die Forschung sehr interessant, da sie Einblicke in die Evolution ermöglichen. Auch die geschlechtliche Fortpflanzung wird von Wissenschaftlern erforscht, da ihr Ursprung und die Entwicklung von einfachen Mechanismen hin zu „modernen“ Fortpflanzung bis heute noch viele Fragen aufwirft. In einer neuen Studie untersuchten Forscher jetzt ein spezielles Gen in nahe verwandten ein- und mehrzelligen Algenarten, um die Entwicklung von Keimzellen (Gameten), die zur geschlechtlichen Fortpflanzung benötigt werden, nachzuvollziehen.
Fortpflanzung bei Algen und höheren Pflanzen
Algen sind wie die höheren Pflanzen dazu in der Lage, sich ungeschlechtlich und geschlechtlich zu vermehren. Zur ungeschlechtlichen Fortpflanzung gehört zum Beispiel die vegetative Vermehrung. Sie geschieht durch einfache Zellteilung, die nachfolgende Generation ist genetisch identisch mit dem Elternteil (Klon). Bei der geschlechtlichen Fortpflanzung, wie wir sie von den höheren Pflanzen und Tieren einschließlich des Menschen her kennen, sind spezielle Zellen (Gameten) nötig, die jeweils einen einfachen (haploiden) Chromosomensatz eines der Elternteile enthalten. Die Verschmelzung beider Zellen zu einer neuen, diploiden Zelle (Zygote) ermöglicht einen Austausch von Erbinformationen, was eine verbesserte und schnellere Anpassung an die Umwelt und somit das Überleben der Art sicherstellt.
Ein Vorläufer dieser modernen Fortpflanzung ist die Isogamie. Hier verschmelzen äußerlich gleich aussehende Gameten, die sich aber hinsichtlich ihrer genetischen „Innenausstattung“ unterscheiden. Sie werden als „Plus-“ und „Minus-Gameten“ bezeichnet. Im Laufe der Evolution entwickelten sich auch äußerlich unterscheidbare Gameten (Anisogamie), die weiblichen Zellen wurden nach und nach größer und zunehmend unbeweglich, während die männlichen beweglich blieben und in größerer Anzahl produziert wurden (Oogamie).
Von plus/minus zu männlich/weiblich
In Algen kann man die verschiedenen Arten der geschlechtlichen Fortpflanzung gut untersuchen, da auch eng verwandte Arten hier unterschiedlich weit entwickelt sind. Die Forscher betrachteten für ihre neue Studie die einzellige, haploide Algenart Chlamydomonas reinhardtii, die sich mit Plus- und Minus-Gameten fortpflanzt, und verglichen sie mit der nahe verwandten, mehrzelligen Alge Volvox carteri, die in Anzahl und Größe klar unterscheidbare männliche und weibliche Gameten auf getrennten Individuen aufweist.
In Chlamydomonas ist ein spezielles Gen, bezeichnet als CrMID, verantwortlich für die Produktion unterschiedlicher Gameten. Ist es auf dem Chromosom an entsprechender Stelle (Genlocus) vorhanden, entstehen „Minus“-Gameten. Fehlt es, entstehen „Plus“-Gameten. Ein vergleichbares Gen, VcMID, entdeckten die Forscher jetzt in Volvox carteri. Es befindet sich in männlichen Algen am gleichen Genlocus wie in Chlamydomonas. Um seine Funktion herauszufinden, bauten die Forscher das Gen in eine weibliche Alge ein und aktivierten es. Daraufhin bildeten sich männliche Gameten. Wurde das Gen hingegen in einer männlichen Volvox-Alge künstlich inaktiviert, bildeten sich weibliche Gameten. Bei einer teilweisen Inaktivierung bildeten sich männliche und weibliche Gameten innerhalb eines Individuums. In einem zweiten Versuch tauschten die Forscher das Volvox-Gen gegen seinen Vorläufer aus Chlamydomonas aus. Hier zeigte sich, dass das ältere Gen nicht in der Lage war, den Job seines Nachfolgers zu übernehmen.
Damit konnten sie nachweisen, dass die Anwesenheit von MID für die Differenzierung der Gameten eine wichtige Funktion erfüllt. Das Gen ist in beiden Arten am selben Ort lokalisiert, aber in Volvox ist es um das Fünffache größer, entsprechend seiner Aufgabe, die Ausdifferenzierung männlicher Gameten zu regulieren, die sich auch äußerlich von den weiblichen unterscheiden. Die Forscher betonen, dass damit ein wichtiger Baustein zum Verständnis der Entwicklung geschlechtlicher Fortpflanzung, wie sie auch bei höheren Pflanzen und Tieren vorkommt, gefunden wurde. Das könnte besonders hinsichtlich der Züchtung neuer Pflanzensorten und auch von Algen wichtig werden – vor allem, da Algen als vielversprechende Ressource der Zukunft für die Gewinnung von Biomasse und Bioenergie gelten.
Quelle:
Geng, S. et al (2014): Evolution of sexes from an ancestral mating-type specification pathway. In: PLOS Biology Vol. 12 (7), (8. Juli 2014). dx.doi.org/10.1371/journal.pbio.1001904
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Titelbild: Die mehrzelligen Algen der Gattung Volvox bilden Kolonien mit männlichen und weiblichen Individuen aus (hier Volvox aureus). (Bildquelle: © micro_photo/ Fotolia.com)