Kostengünstig und sicher
Krebsimpfstoffe aus Pflanzen
Immuntherapien sind vielversprechende neue Ansätze gegen verschiedene Krebserkrankungen. Sie funktionieren ähnlich wie eine Impfung und helfen dem Körper, sich aus eigener Kraft gegen den Tumor zu wehren. Immuntherapien basieren auf Antigenen, speziellen Proteinen, die zu Impfstoffen verarbeitet werden. Wissenschaftler erproben derzeit Pflanzen als Produktionsstätten für diese Antigene – mit zunehmendem Erfolg.
Nach den Herzkreislauferkrankungen ist Krebs in Deutschland die zweithäufigste Todesursache. Krebs kann zwar nahezu jedes Organ befallen, kommt aber am häufigsten in Lunge, Darm und der weiblichen Brust vor. Im Kampf gegen den Krebs gibt es zahlreiche Optionen. Neben Operationen, Strahlen- und Chemotherapien sind auch Immuntherapien auf dem Vormarsch. Immuntherapeutika wirken, indem sie das Immunsystem so verändern, dass es den Tumor selbst eliminieren kann.
Krebsbehandlung oft zu teuer
Doch eine adäquate Krebsbehandlung kann sich nicht jeder leisten. In vielen Ländern der Erde ist der Kostendruck auf Krebspatienten enorm, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem globalen Aktionsplan zur Vorbeugung und Kontrolle nicht übertragbarer Erkrankungen beschreibt. Neben alternativen, pharmazeutischen Produktionssystemen wie Mikroalgen, Gram-positiven Bakterien, Würmern und Speisepilzen mausern sich auch Pflanzen immer mehr zu kostengünstigen Pharmafabriken. Gegenüber anderen Herstellungsverfahren punkten Pflanzen gleich mehrfach:
- Ihre biosynthetische Kapazität ist besonders hoch, das bedeutet, dass sie große Mengen des gewünschten Wirkstoffs herstellen können.
- Ihre Produktionskosten sind niedrig.
- Die Systeme sind leicht skalierbar - also vom Laborversuch mit wenigen Pflanzen auf ganze Felder zur Massenproduktion übertragbar.
- Pflanzen als Pharmafabriken überzeugen durch ein hohes Sicherheitsniveau, da sie menschlichen Pathogenen nicht als Wirt dienen.
- Indem sie gegessen werden, transportieren Pflanzen den pharmazeutischen Wirkstoff direkt ins Innere des Körpers.
Pflanzenbasierte Pharmaproduktionen sind längst keine Fiktion mehr. So stehen bereits Grippeimpfstoffe aus Pflanzen kurz vor der Markteinführung, ein pflanzlich hergestelltes Enzym zur Behandlung von Morbus Gaucher wird bereits vermarktet. Doch wie sieht es im Bereich der Krebsbekämpfung und –prävention aus?
Hier lassen sich Wirkstoffe gegen krebsauslösende Bakterien oder Viren von Wirkstoffen, die den Krebs unmittelbar attackieren, unterscheiden. Rund um den Globus arbeiten Wissenschaftler daran, Antigene für die Immuntherapie bei Krebs kostengünstig und sicher in Pflanzen zu produzieren. Viele der Tierversuche sind vielversprechend: Pflanzen eignen sich grundsätzlich als Pharmafabriken zur Impfstoffherstellung.
Hepatitis B
Trotz des Vorhandenseins eines Impfstoffes ist etwa ein Drittel der Weltbevölkerung mit dem Hepatitis B Virus infiziert. 800.000 Todesfälle sind dem Virus, das neben Leberzirrhosen auch Leberzellkarzinome auslösen kann, jährlich geschuldet. Wissenschaftler erproben derzeit die kostengünstige Produktion von HBV-Impfstoffen in Tabakpflanzen, Mais und Kopfsalat.
Humanes Papillom Virus (HPV)
Das humane Papillomvirus kann Gebärmutterhalskrebs auslösen, die zweithäufigste Krebsart bei Frauen. Von den 120 bisher bekannten Virustypen sind 15 in der Lage, Krebs zu verursachen. Eine Impfung gegen HPV kommt sowohl in der Prophylaxe, als auch in der Therapie des Zervixkarzinoms zum Einsatz. In der Erprobung befinden sich Herstellungssysteme in Tomaten, Kartoffeln und Tabakpflanzen.
Magenkrebs
Schätzungen zufolge ist die Hälfte der Menschen mit dem Gram-negativen Bakterium Helicobacter pylori infiziert. Inzwischen gibt es auch antibiotikaresistente Stämme, sodass eine Impfung gegen den weit verbreiteten Magenkeim, der zu Magenkrebs führen kann, immer attraktiver wird. Bei der Herstellung eines Impfstoffes kommen derzeit Tabakpflanzen, Reis, Erdnuss, Möhren und die Modellpflanze Arabidopsis thaliana zum Einsatz - bisher allerdings nur im Labormaßstab.
Darmkrebs
Gerade in den westlichen Industriestaaten zählt Darmkrebs zu den häufig auftretenden Krebserkrankungen. Da an der Entstehung dieser Krebsart keine Viren oder Bakterien beteiligt sind, richten sich die Impfstoffe direkt gegen die entarteten Zellen. Sie werden derzeit auf Versuchsbasis in Tabakpflanzen hergestellt.
Non-Hodgkin Lymphome
Non-Hodgkin Lymphome sind bösartige Erkrankungen des lymphatischen Systems. Personalisierte Impfstoffe gegen Non-Hodgkin Lymphome aus Pflanzen sind bisher in ihrer Entwicklung am weitesten fortgeschritten und befinden sich bereits in ersten klinischen Studien, also der Erprobung am Menschen. Wissenschaftler lassen die Antigene zur Herstellung der Impfstoffe von der Tabakpflanze Nicotiana benthamiana produzieren.
Brustkrebs
Dank weitreichender Früherkennungsmaßnahmen ist Brustkrebs meist kein Todesurteil mehr. Auch hier dient N. benthamiana als Antigen-Produzent für die vielversprechende Immuntherapie. Bisher befinden sich alle Ansätze jedoch noch auf Laborniveau.
Bisher konzentrieren sich die Bemühungen auf parenteral verabreichte Antigene, die zunächst noch aufgereinigt werden müssen. Doch selbst dieser Reinigungsprozess verteuert die Produktion in Pflanzen nicht maßgeblich. Die hohe Qualität der pflanzlich produzierten Proteine sowie der Mangel an Säuger-Pathogenen machen Pflanzen zu einem attraktiven und zukunftsträchtigen Produktionsorganismus für Impfstoffe gegen Krebserkrankungen.
Quelle:
Wong-Arce, A. et al. (2017): Plant-Made Vaccines in the Fight Against Cancer. In: Trends in Biotechnology, (30. Januar 2017), doi: 10.1016/j.tibtech.2016.12.002.
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Titelbild: Aufgrund seiner großen Blätter eignet sich Tabak besonders gut zur Impfstoffherstellung. (Bildquelle: © iStock.com/ GoranMihajlovski)