Schon gewusst? 470 Neophyten-Arten gibt es in Deutschland
Invasive Pflanzen sind zunehmend ein Problem
470 eingewanderte bzw. gebietsfremde Pflanzenarten gibt es mittlerweile hierzulande. Einige davon fühlen sich besonders wohl und verdrängen andere Pflanzen. Diese invasiven Arten sind eine Gefahr für die Biodiversität, für Land- und Forstwirtschaft und in manchen Fällen auch für unsere Gesundheit.
Für Neophyten gilt diese Definition: Es sind Pflanzenarten, die nach der Entdeckung Amerikas durch Christoph Kolumbus 1492 zu uns gekommen sind. Etwa die Hälfte aller Neophyten wurde absichtlich importiert. Die meisten davon als Zierpflanzen oder als land- und forstwirtschaftliche Nutzpflanzen wie die Kartoffel, der Mais und die Tomate. Der Rest wurde unbeabsichtigt eingeschleppt, beispielsweise als ungewollte Beimischung beim Saatgut.
Ein Prozent der Einwanderer ist invasiv
Nur wenige der Neuankömmlinge können in unserem Klima selbständig überleben und sich ausbreiten. Es gilt hier die sogenannte Zehner-Regel als Faustformel: Ca. 90 Prozent der neuen Pflanzenarten verschwinden wieder nach kurzer Zeit aus dem für sie fremden Lebensraum. Doch 10 Prozent der Einwanderer etablieren sich dauerhaft in naturnahen Lebensräumen. Und jede Zehnte dieser eingebürgerten Arten ist so erfolgreich, dass sie andere Pflanzenarten verdrängen: die invasiven Arten.
Invasive Arten lassen sich nicht von Gartenzäunen aufhalten, ihre Samen werden mit dem Wind oder durch Vögel weit verbreitet. Sie können sich schneller vermehren oder haben einen rasanteren Wuchs als heimische Arten. Die Europäische Union stuft aktuell 41 Pflanzenarten als invasiv ein. Sie verbreiten sich massiv, verdrängen dabei einheimische Arten.
In Deutschland treibt vor allem der Japanische Staudenknöterich, der Riesen-Bärenklau, das Drüsige Springkraut, die Schmalblättrige Wasserpest oder das Großblütige Heusenkraut Sorgenfalten auf die Stirn von so manchem Naturschützer. Einige dieser Arten stellen wir hier vor.
Japan-Import: Staudenknöterich
Zu den Top 10 der invasiven Arten in Deutschland gehört der Japanische Staudenknöterich. Der bayerische Naturforscher Phillip Franz von Siebold brachte Anfang des 19. Jahrhunderts einige Exemplare dieser Pflanze aus Asien nach Deutschland. Als Zierpflanze und Sichtschutz in Gärten startete diese Pflanze ihre europäische Karriere. Auch Imker schätzten sie als Bienenweide. 200 Jahre später ist Ernüchterung eingekehrt: Heute wächst nichts mehr anderes, wenn der Staudenknöterich mit bis zu vier Meter hohen Stängeln dichte Bestände bildet und anderen Pflanzen das Licht raubt. Stutzt man ihn, wachsen wie bei einer Hydra gleich mehrere neue Stängel. Was hilft, ist regelmäßiges Mähen und dann eine Abdeckung mit einer lichtundurchlässigen Folie. Diese Prozedur benötigt etwa drei Jahre. Weil das so arbeitsintensiv ist, hohe Kosten verursacht und alle Vorkommen dieser Pflanze unmöglich auf diese Weise bekämpft werden können, bleibt es nur Stückwerk. Städte wie Hamburg geben jetzt schon Hunderttausende Euro pro Jahr aus, um den Knöterich so einigermaßen unter Kontrolle zu halten. Experten wie der Biologe Stefan Nehring vom Bundesamt für Naturschutz befürchten, dass beim Staudenknöterich und einigen anderen invasiven Arten mit bereits starker Verbreitung „der Zug abgefahren sei“. Diese Pflanzen haben gewonnen und eine Ausrottung scheint nicht mehr möglich.
Riesen-Bärenklau: Ein Geschenk des Zaren
Zu den am stärksten bekämpften Neophyten in Deutschland zählt der Riesen-Bärenklau – ein Doldenblütler von beeindruckender Größe, der auch Herkuleskraut genannt wird. Die Pflanzen erreichen oft innerhalb weniger Wochen eine Wuchshöhe von über 3 Metern.
Es wird vermutet, dass der russische Zar Alexander I dem österreichischen Fürsten von Metternich einst Samen geschenkt hatte. Von da an wuchs und blühte der Bärenklau in Westeuropa. Erst in Gewächshäusern zur Erbauung seiner Besitzer, später entwich die Pflanze und eroberte viele Naturlandschaften. Er ist auch deshalb schwer zu bekämpfen, weil seine Samen bis zu zehn Jahren keimfähig bleiben. Einfach rausreißen reicht daher nicht, um das Problem dauerhaft zu beseitigen.
Diese Pflanze hat auch für uns Menschen sehr unangenehme Seiten: Wer die ursprünglich aus dem Kaukasus stammende Pflanze berührt, erleidet besonders bei Sonnenschein Hautverbrennungen. Diese Reaktion wird durch Furocumarine ausgelöst, eine Gruppe von chemischen Verbindungen, die in der Pflanze enthalten sind. Wenn die Haut mit dem Saft des Riesenbärenklaus in Kontakt kommt und anschließend dem Sonnenlicht (UV-Strahlung) ausgesetzt wird, startet die phototoxische Reaktion der Furocumarine. Aus diesem Grund sorgen die meisten Kommunen dafür, dass der Bärenklau vor Schulen und Kindergärten regelmäßig entfernt wird.
Vielblättrige Lupine: Die Samenschleuder mit der Superwurzel
Manche Hobbygärtner freuen sich sogar über diese Pflanze und säen sie aus, ist sie doch gerade bei Bienen und Hummeln als Futterpflanze beliebt. Doch in freier Wildbahn entpuppt sich diese Lupine aus Nordamerika als wahrer Aggressor. Ihre metertiefen Pfahlwurzeln gehen Symbiosen mit Knöllchenbakterien ein, die für die Pflanze Stickstoff binden. So können die Lupinen auch in sehr mageren Böden prächtig wachsen. Auf Magerwiesen verdrängen sie so andere Blütenpflanzen, etwa Arnika, Borstgras, Katzenpfötchen, Knabenkraut, Trollblume oder die Türkenbundlilie. Und gleichzeitig verbreitet sie sich rasant: Pro Pflanze entstehen ca. 2.000 Samenkörner, die bis zu sechs Meter weggeschleudert werden. Das hat Konsequenzen. So sind beispielsweise ursprünglich artenreiche Bergwiesen in der Rhön heute nur noch monotone Lupinen-Landschaften.
Mit ihr ist nicht gut Kirschen essen: Traubenkirsche
Die Spätblühende Traubenkirsche ist ein Beispiel, wie man sich Probleme selber schaffen kann. Dieser Baum stammt aus Nordamerika und wurde im 20. Jahrhundert in Deutschland intensiv für die Aufforstung von Wäldern und als Zierpflanze genutzt. Zu spät merkte man, dass diese Pflanze dichte Bestände bildet, die das Wachstum einheimischer Pflanzen durch Licht- und Nährstoffkonkurrenz behindern. Ihr Laub enthält außerdem chemische Verbindungen, die den Boden sauer machen und das Wachstum von anderen Pflanzenarten hemmt. In der Forstwirtschaft kann die Spätblühende Traubenkirsche daher die Regeneration von Nutzholzbeständen beeinträchtigen und damit große wirtschaftliche Verluste verursachen. Bei der Bekämpfung dieser Baumart werden heute meistens mechanische Methoden angewendet, also eine arbeitsintensive Entfernung der Pflanze einschließlich der Wurzeln. Auch der Einsatz von Herbiziden kommt in Frage, sollte jedoch nur mit Vorsicht und unter Berücksichtigung der Umweltauswirkungen angewendet werden.
Die „Unsterbliche“: Ambrosia
Die Pflanzen der Gattung Ambrosia, insbesondere die Beifuß-Ambrosie, sind in Deutschland als invasive Arten auf dem Vormarsch und haben erhebliche gesundheitliche und ökologische Auswirkungen. Das Wort „Ambrosia“ setzt sich aus den griechischen Wörtern „a-„ (nicht) und „mbrotos“ (sterblich) zusammen, bedeutet also „unsterblich“ oder „unvergänglich“. Kein gutes Omen für eine invasive Art.
Die Beifuß-Ambrosie stammt ursprünglich aus Nordamerika und gelangte im 19. Jahrhundert durch verunreinigtes Saatgut und Vogelfutter nach Europa und hat sich seither weit verbreitet.
Ambrosia ist eine der stärksten Allergieauslöser. Ihr Pollen kann Heuschnupfen, Bindehautentzündungen und Asthma auslösen. Schon geringe Pollenmengen können starke allergische Reaktionen hervorrufen. Die Pflanze blüht von Juli bis Oktober, wobei die Pollenkonzentration in der Luft besonders im Spätsommer und Herbst hoch ist. Dies verlängert die Allergiesaison für Betroffene erheblich.
Aber auch andere Pflanzen haben das Nachsehen: Ambrosia kann dichte Bestände bilden, die einheimische Pflanzenarten verdrängen. Sie konkurriert um Licht, Wasser und Nährstoffe und kann somit die Biodiversität reduzieren. Durch ihre dichte Wurzelstruktur laugt sie den Boden stark aus und verschlechtert so die Bedingungen für andere Pflanzen. Ein frühzeitiges Erkennen und das sofortige Entfernen kleiner Bestände sind entscheidend, um eine großflächige Ausbreitung dieser Pflanze zu verhindern.
Wie jeder helfen kann, invasive Arten einzudämmen
Findet man in seinem Garten invasive Pflanzen, sollte man vor allem eine Regel einhalten: Die Pflanzen nicht einfach in der Natur entsorgen, also z.B. im nächstgelegenen Wald oder am Rand eines Feldweges. So fördert man nur die Verbreitung dieser Pflanzen. Besser ist es, die Pflanzenreste zu kompostieren oder in die Biotonne zu geben. Und besonders gefährliche Pflanzen wie Ambrosie und Riesen-Bärenklau gehören in den Restmüll, der bekanntlich verbrannt wird.
Weitere Informationen:
Umgang mit invasiven Arten | Empfehlungen für Gärtner, Planer und Verwender (Zentralverband Gartenbau e.V. / Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Bundesamt für Naturschutz)
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Mach mit und werde „Citizen Scientist“! - Naturbegeisterte können großen Beitrag zum Artenschutz leisten
- Schnelles Handeln erforderlich! - Drastischer Beifuß-Pollen Anstieg prognostiziert
Titelbild: Invasive Arten verdrängen in vielen Ökosystemen heimische Pflanzenarten | Symbolbild (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de, erstellt mit DALL·E)