Schon gewusst? Von Wüstenpflanzen lernen

Welwitschia mirabilis als Blaupause für klimaresistente Nutzpflanzen?

29.04.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Einen Schönheitspreis wird die Welwitschia mirabilis wohl nie gewinnen. Doch Exemplare der Pflanzen-art können bis zu 1.500 Jahre in der Wüste Namib überleben. (Bildquelle: © Nhelia / Pixabay)

Einen Schönheitspreis wird die Welwitschia mirabilis wohl nie gewinnen. Doch Exemplare der Pflanzen-art können bis zu 1.500 Jahre in der Wüste Namib überleben. (Bildquelle: © Nhelia / Pixabay)

Eine Gruppe von Forscher:innen hat das Genom der Welwitschia mirabilis entschlüsselt. Über Millionen Jahre hinweg haben sich die extrem langlebigen Wüstenpflanzen perfekt an ihre karge Umgebung angepasst. Das zeigen auch verschiedene Gene des höchst effizienten Genoms. Ob die gewonnenen Erkenntnisse auch in der Pflanzenzüchtung eingesetzt werden können, ist noch umstritten.

Kann eine Pflanze mehr als tausend Jahre lang in der Wüste überleben? Was sich unglaublich anhört, ist tatsächlich wahr. Welwitschia mirabilis heißt die Wunderpflanze, die dieses Kunststück in der Namib-Wüste an der Südwestküste Afrikas schafft. Einzelne Exemplare der Art, die seit etwa 110 Millionen Jahren auf der Erde vorkommt, werden auf ein Alter von über 1.500 Jahren geschätzt.

Auf Duplizierung folgt sukzessive Verkleinerung des Genoms

Das Geheimnis der uralten Pflanzenart verbirgt sich in der DNA. Laut Einschätzung der Wissenschaftler:innen hat sich das Welwitschien-Genom vor etwa 78 bis 96 Millionen Jahren vollständig dupliziert. Daraus ergab sich mehr Spielraum für die Anpassung an den extremen Lebensraum Wüste. Denn die Kopie sichert das Überleben der Pflanze auch bei unvorteilhaften Genmutationen in der anderen Genkopie.

Klimatische Stressfaktoren könnten dazu geführt haben, dass die Aktivität der energiefressenden LTR-Retrotransposons (LTR-RTs) vor ein bis zwei Millionen Jahren quasi explodiert ist. Denn im Verbreitungsgebiet der Welwitschien, das bereits seit 55 bis 80 Millionen Jahren arid ist, ist es in den letzten 10 Millionen Jahren noch heißer und trockener geworden. Die LTR-RTs wurden jedoch nach und nach zu einem großen Teil durch Methylierung ausgeschalten. Dadurch hat sich das aktive Genom deutlich verkleinert und wurde energieeffizienter.

#####1#####
Charakteristisch für Welwitschia mirabilis sind die beiden Laubblätter, die bis zu 10 Jahre alt werden können. Da ältere Blätter oft einreißen, wirkt es so, als hätte die Pflanze mehr Blätter.

Charakteristisch für Welwitschia mirabilis sind die beiden Laubblätter, die bis zu 10 Jahre alt werden können. Da ältere Blätter oft einreißen, wirkt es so, als hätte die Pflanze mehr Blätter.

Bildquelle: © iStock.com / laranik

Zudem gehört das Welwitschien-Genom zu den Pflanzengenomen mit dem geringsten Anteil von Guanin-Cytosin-Basenpaaren. In nährstoffarmen Gebieten werden Genome mit mehr Adenin-Thymin-Basenpaaren bevorzugt, da diese weniger energiereiche Nährstoffe wie Stickstoff benötigen. Das Resultat: Welwitschia mirabilis braucht aufgrund ihres effizienten Genoms deutlich weniger Wasser und Nährstoffe, um zu überleben.

Nicht schön, aber robust

Dass die Welwitschien dem Wüstenklima trotzen können, liegt auch an der Pflanzenarchitektur. Dabei zählt nicht Schönheit, sondern Überlebensfähigkeit: Welwitschien gelten als ausgesprochen hässlich. Ihr Stamm ist kurz, rübenförmig und verholzt. Das weit verzweigte Wurzelwerk kann einen Radius von 15 Metern erreichen; eine Pfahlwurzel reicht bis zu drei Meter in die Tiefe. Die beiden charakteristischen Laubblätter entspringen dem Meristem.

Durch die vertrockneten Blattenden und die aufgerissenen Blätter sehen die Pflanzen oft aus, als stünden sie kurz vor dem Verdursten. Dank einiger genetischer Besonderheiten können die Blätter dennoch über zweieinhalb Meter lang und bis zu zehn Jahre alt werden. Zellverlängerungen durch „Saur“-Gene lassen die Blätter faserig werden, was vor Fressfeinden und Sandstürmen schützt. Die hölzernen Strukturen auch in jungen Blättern und das genetisch bedingte langsame, aber stetige Wachstum von nur zehn bis dreizehn Zentimetern pro Jahr steigern die Widerstandsfähigkeit.

Dass die Pflanze nicht mit ihren Blättern stirbt, liegt am Meristem – auch Bildungsgewebe genannt. Hier finden sich besonders viele schützende Hitzeschockproteine. Die Forscher:innen vermuten, dass die hohe Konzentration von NCED4-Enzymen im Meristem, die die Ausschüttung der stressregulierenden Abscisinsäure (ABA) steuern, das frühe Blattwachstum begrenzt bis das faserige Gewebe voll entwickelt ist. Solange das Meristem intakt ist, können immer neue Laubblätter nachwachsen. So macht auch der namibische Name der Welwitschia mirabilis Sinn: „Tweeblaarkanniedood“ – zwei Blätter, die nicht sterben können.

Welwitschia mirabilis als Blaupause für die Anpassung von Kulturpflanzen?

Ob die Entschlüsselung des Welwitschien-Genoms auch die Züchtung von klimaangepassten Kulturpflanzen voranbringen kann, darüber scheiden sich die Geister. Einige Forscher:innen wie ein Mitautor der Studie, Andrew Leitch, glauben, dass die spezialisierten Gene der Welwitschien auch für die Züchtung von Nutzpflanzen für die Landwirtschaft nützlich sein können. Doch es gibt auch Zweifel, dass sich diese Gene der Welwitschien einfach so auf Nutzpflanzen übertragen lassen beziehungsweise dort zu den gewünschten Eigenschaften führen. Noch ist Welwitschia mirabilis also keine generelle Blaupause für die Züchtung klimatisch robuster Pflanzen – aber weitere Forschung kann zeigen, was wir von den Überlebenskünstlern lernen können.


Quelle:
Wan, T. et al. (2021): The Welwitschia genome reveals a unique biology underpinning extreme longevity in deserts. In: Nature Communications, (12. Juli 2021), doi: 10.1038/s41467-021-24528-4.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Einen Schönheitspreis wird die Welwitschia mirabilis wohl nie gewinnen. Doch Exemplare der Pflanzenart können bis zu 1.500 Jahre in der Wüste Namib überleben. (Bildquelle: © Nhelia / Pixabay)