„Teilzeit-Killer“

Neue fleischfressende Pflanze entdeckt

20.08.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Triantha occidentalis zählt nun zu den Kanivoren. (Bildquelle: © Qianshi Lin)

Triantha occidentalis zählt nun zu den Kanivoren. (Bildquelle: © Qianshi Lin)

Eine Pflanzenart, deren Karnivorie gerade erst entdeckt wurde, fängt Insekten nur zur Blütezeit – mit klebrigen Härchen am Blütenstiel. Trotzdem ist sie auf Bestäubung durch Insekten angewiesen.

Fleischfressende Pflanzen (Karnivoren) sind eine kleine Gruppe im Pflanzenreich. Bisher konnten etwa 800 solcher Pflanzenarten in 13 Pflanzenfamilien entdeckt werden. Forscher:innen untersuchten jetzt eine Pflanzenart – Triantha occidentalis – aus der Familie der Simsenliliengewächse (Tofieldiaceae). Sie ist an der Westküste Nordamerikas heimisch und wächst auch in direkter Nähe zu großen Städten. Trotzdem war sie bis vor kurzem als Fleischfresser unentdeckt geblieben.

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Triantha occidentalis ist die erste neue fleischfressende Pflanze, die von Botanikern seit 20 Jahren identifiziert wurde.

Triantha occidentalis ist die erste neue fleischfressende Pflanze, die von Botanikern seit 20 Jahren identifiziert wurde.

Bildquelle: © Danilo Lima

Eigene Stickstoffversorgung

Karnivore Pflanzen sind etwas Besonderes: Sie haben Fallen entwickelt, mit denen sie Insekten und andere kleine Tiere fangen und verdauen können. So kommen sie an wichtige Nährstoffe, vor allem Stickstoff und Phosphor, und sind so weniger abhängig von der Nährstoffversorgung aus dem Boden. Manche Habitate, wie zum Beispiel Moore, haben einen niedrigen pH-Wert. Hier gibt es kaum nitrifizierende Bakterien, die Stickstoffverbindungen im Boden in pflanzenverfügbares Nitrat umwandeln. Hier haben karnivore Pflanzen einen Standortvorteil gegenüber „normalen“ Pflanzen.

Diese Lebensweise ist aber auch aufwändig: Das Fangen eines Insekts verbraucht viel Energie. Außerdem sind zu Fallen umgebildete Blätter nicht optimal für die Photosynthese. Die Pflanzen sind daher meist auf sonnige Standorte angewiesen, um ihren Energiebedarf zu decken. Außerdem haben sie nur schwach ausgebildete Wurzeln. Aufgrund ihrer Spezialisierung sind sie auf normalen Böden daher kaum konkurrenzfähig.

Ein neues Mitglied im Kreise der Karnivoren

T. occidentalis wächst bevorzugt in Sümpfen, Mooren und an Flussufern. Die Pflanzenart hat zudem eine ungewöhnliche Fangstrategie entwickelt: Ihre rötlichen und mit schimmernden, klebrigen Tröpfchen besetzten Fanghärchen sitzen nur am bis zu 80 cm langen Blütenstiel, direkt unter der Blüte. Damit riskiert sie, auch mal potentielle Bestäuber zu fangen. Das ist bisher einzigartig, da karnivore Pflanzen normalerweise dafür Sorge tragen, dass potentielle Bestäuber nicht „ins Netz gehen“. Daher sind Fangvorrichtung und Blüte meist weit voneinander entfernt.

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Gefangen! Diese Nahaufnahme zeigt klebrige rötliche Drüsenhaare und gefangene Insekten.

Gefangen! Diese Nahaufnahme zeigt klebrige rötliche Drüsenhaare und gefangene Insekten.

Bildquelle: © Qianshi Lin

Daher fiel zunächst nicht auf, dass T. occidentalis zu den karnivoren Pflanzenarten zählt. Auf die Schliche kamen ihr die Forscher:innen nur, weil in einer vorangegangenen Studie zur molekularen Evolution von Pflanzen auffiel, dass T. occidentalis einige Gene fehlen – die gleichen wie bei bekannten karnivoren Pflanzen.

Diese Gene codieren unter anderem für eine Ferredoxin-Plastochinon-Reduktase, die für den Elektronenfluss im Photosystem I zuständig ist und die Anpassung der Photosynthese bei schnell wechselnden Lichtbedingungen optimiert. Für karnivore Pflanzen, die am liebsten in vollem Sonnenlicht wachsen, scheinen diese Gene entbehrlich zu sein.

Erhöhter N15-Gehalt

Ein weiterer Hinweis auf Karnivorie bei einer Pflanzenart ist der Anteil des Stickstoff-Isotops N15 im Pflanzengewebe. N15 ist ein natürlich vorkommendes Isotop, dass sich durch Isotopenfraktionierung in organischem Material anreichert. Dadurch haben Fleischfresser am Ende der Nahrungskette die höchsten N15-Werte. Erhöhte Werte dieses Isotops haben die Forscher:innen nun auch in den Blättern von T. occidentalis nachgewiesen, ebenso wie im Gewebe des am gleichen Standort vorkommenden Rundblättrigen Sonnentaus (Drosera rotundifolia). Zwei weitere nicht-karnivore Pflanzenarten vor Ort (Erigeron peregrinus und Nephrophyllidium crista-galli) zeigten keine erhöhten N15-Werte.

Den eindeutigen Nachweis der Karnivorie lieferten die Forscher:innen, nachdem sie die Pflanzen mit N15-angereicherten Fruchtfliegen fütterten. Daraufhin konnten sie eine Zunahme von N15 vor allem in den Blütenstängeln von T. occidentalis beobachten. Der N15-Wert sank nach zwei Wochen wieder auf das Niveau vor der Fütterung. Die Forscher:innen vermuten, dass der Stickstoff abtransportiert und möglicherweise in den Wurzeln gelagert wird.

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Blüte von Triantha occidentalis in einem Moor im Cypress Provincial Park, British Columbia, Kanada.

Blüte von Triantha occidentalis in einem Moor im Cypress Provincial Park, British Columbia, Kanada.

Bildquelle: © Danilo Lima

Sie berechneten aufgrund dieser Daten, dass rund 64 Prozent des Stickstoff-Gehaltes in den Blättern von T. occidentalis von erbeuteten Tieren stammen könnte. Weitere Untersuchungen konnten zeigen, dass das Sekret der Fanghaare von T. occidentalis eine für Karnivore typische Phosphatase enthält. Sie hat die Aufgabe, Phosphat aus den gefangenen Insekten zu mobilisieren.

Schutz vor Pollenklau?

Interessanterweise gehört T. occidentalis zu den Einkeimblättrigen, unter denen es nur wenige Karnivore gibt. Denn vermutlich erschwert die bei Monokotylen typische parallele Blattnervatur die Fallenbildung. Die Forscher:innen vermuten zudem, dass die feinen Fanghärchen lediglich kleine Tiere fangen können. Größere Insekten, die auch als Bestäuber in Frage kommen, würden von den Härchen kaum aufgehalten. Möglicherweise schützt sich die Pflanze so vor dem „Pollenklau“ kleiner gefräßiger Krabbler.

Weitere Untersuchungen zur Fangstrategie und auch zu möglichen karnivoren Verwandten seien noch nötig, um das Zusammenspiel zwischen Beute, Bestäuber und Pflanze besser zu verstehen, betonen die Forscher:innen.