Unsere Hochleistungssorten

Welche Vielfalt nutzen wir?

16.09.2013 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Trotz der Vielfalt ernähren nur eine Hand voll Pflanzen die ganze Welt, darunter Weizen, Reis und Mais. (Quelle: © iStock.com / susoy)

Trotz der Vielfalt ernähren nur eine Hand voll Pflanzen die ganze Welt, darunter Weizen, Reis und Mais. (Quelle: © iStock.com / susoy)

Eigentlich hätten wir eine ziemlich große Auswahl an Nutzpflanzen. Trotzdem bilden nur eine gute handvoll Pflanzen unsere Grundnahrungsmittel. Für höhere Erträge nehmen wir einen Verlust an Vielfalt in Kauf. Doch welchen Preis sind wir bereit dafür zu zahlen?

Früher ernährten sich die Menschen von mehreren tausend Nutzpflanzenarten. Heute sind es nur noch rund 150, beim Großteil der Weltbevölkerung sogar nur 12.

Dabei hätten wir doch so viel Auswahl! Von den etwa 400.000 bekannten Pflanzenarten weltweit, sind rund 30.000 für den Menschen genießbar. Da wundert es, dass die Menschheit mit nur 30 Arten 95 Prozent ihres Kalorienbedarfes deckt. Die drei Haupternährer machen dabei Weizen, Reis und Mais aus. Sie decken die Hälfte des weltweiten Energiebedarfs aller Menschen.

Wie sieht es in Deutschland mit der Nutzpflanzenvielfalt aus?

Nach dem Ende des zweiten Weltkrieges nahm die Anzahl der in Deutschland angebauten Kulturpflanzenarten stark ab, denn die Landwirte spezialisierten sich immer mehr auf bestimmte Arten und intensivierten deren Anbau. Heute wird in Deutschland nur noch ein Bruchteil aller theoretisch anbaubaren Arten genutzt. Dazu zählen etwa:

  • 25 Marktfruchtpflanzenarten
  • 35 Futterpflanzenarten
  • 70 Gemüsearten
  • 30 Obstarten
  • 70 Heil- und Gewürzpflanzenarten
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Beliebtes Obst: In Deutschland wurden 2012 auf 31.640 Hektar Fläche über 970.000 Tonnen Äpfel geerntet (Statistisches Bundesamt).

Beliebtes Obst: In Deutschland wurden 2012 auf 31.640 Hektar Fläche über 970.000 Tonnen Äpfel geerntet (Statistisches Bundesamt).

Bildquelle: © Rainer Sturm / pixelio.de

Knapp die Hälfte der Fläche Deutschlands steht den Bauern zur landwirtschaftlichen Nutzung zur Verfügung. Über 60 Prozent dieser landwirtschaftlich genutzten Fläche bepflanzen die Bauern mit lediglich fünf verschiedenen Kulturarten. Im Anbau befinden sind vorwiegend moderne Zuchtsorten, die nach Angaben des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter e.V. einen umweltschonenden und ertragreichen Ackerbau ermöglichen.

Die Sortenvielfalt bei Hauptkulturen wie z.B. dem Winterweizen nimmt zu (2011 = 111 zugelassene Sorten, 1990 = 57 Sorten und 1970 = 38 Sorten). Der Marktanteil der jeweils fünf wichtigsten Sorten hat entsprechend abgenommen (2011 = 29%, 1990 = 44 % und 1970 = 80 %). Aber auch die Anbaufläche von Winterweizen hat sich in diesem Zeitraum auf heute 3,2 Mio. Hektar erhöht. Nur 15 Jahre vorher waren es 2,5 Mio. Hektar in Deutschland.

Für die Züchter lohnt sich die Bereitstellung regional angepasster Sorten für diese Hauptkulturen. Ökonomisch bedingt erweiterte sich so die genetische Vielfalt bei bestimmten Fruchtarten. Gleichzeitig verarmte die Diversität der angebauten Fruchtarten in Gänze. Traditionelle Landsorten sind mit wenigen Ausnahmen bei Obst, Gemüse und Getreide kaum mehr im Anbau.

Sortenvielfalt liegt brach

Somit steht den deutschen Bauern mit mehr als 2.600 national und weiteren mehreren tausend EU-weit zugelassenen Sorten eine große Vielfalt für den Anbau zur Verfügung. In der Praxis haben diese aber kaum eine Bedeutung.

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Heutiges Saatgut ist teures Saatgut (Beispiel Hybridzüchtung)

Einige Kulturpflanzen werden heute fast ausschließlich als sogenannte „F1“-Hybride gezüchtet, die aus der Kreuzung einer Mutter- und einer Vatersorte hervorgehen. „F1“-Saatgut ist hochoptimiert, genetisch jedoch einförmig. Die so erhaltenen Sorten sind an die Bedürfnisse der Verbraucher angepasst. So entstand beispielsweise auch die fadenlose Bohne, die es erst seit einigen Jahrzehnten gibt. Will man diese Sorten jedoch weiter vermehren, brechen die Hochleistungseigenschaften der Pflanzen zusammen. Das ist nicht etwa der Böswilligkeit oder Profitgier der Züchter geschuldet, sondern entspricht den Regeln der Vererbungslehre: Die sog. „F2“-Pflanzen, also die zweite Generation, sind nicht erbrein und eigenschaftsfest. Landwirte können Hybrid-Saatgut deshalb auch nicht durch Abnahme der Samen von den Pflanzen des vergangenen Jahres vermehren, sie müssen es jedes Jahr zur Aussaat neu einkaufen.

Heutiges Saatgut ist teures Saatgut (Beispiel Hybridzüchtung)

Einige Kulturpflanzen werden heute fast ausschließlich als sogenannte „F1“-Hybride gezüchtet, die aus der Kreuzung einer Mutter- und einer Vatersorte hervorgehen. „F1“-Saatgut ist hochoptimiert, genetisch jedoch einförmig. Die so erhaltenen Sorten sind an die Bedürfnisse der Verbraucher angepasst. So entstand beispielsweise auch die fadenlose Bohne, die es erst seit einigen Jahrzehnten gibt. Will man diese Sorten jedoch weiter vermehren, brechen die Hochleistungseigenschaften der Pflanzen zusammen. Das ist nicht etwa der Böswilligkeit oder Profitgier der Züchter geschuldet, sondern entspricht den Regeln der Vererbungslehre: Die sog. „F2“-Pflanzen, also die zweite Generation, sind nicht erbrein und eigenschaftsfest. Landwirte können Hybrid-Saatgut deshalb auch nicht durch Abnahme der Samen von den Pflanzen des vergangenen Jahres vermehren, sie müssen es jedes Jahr zur Aussaat neu einkaufen.

Bildquelle: © Sren Rudolph / pixelio.de

In anderen Ländern, z. B. den USA sieht es diesbezüglich nicht viel besser aus: Laut eines Berichts der Welternährungsorganisation FAO gingen von den beispielsweise 7.098 Apfelsorten, die es bis vor etwa 100 Jahren noch in den Vereinigten Staaten gab, bis heute 86 Prozent verloren - vom amerikanischem Kopfkohl sogar 95, von den Erbsen 94 Prozent.

Warum setzen Bauern auf Eintönigkeit, statt auf Vielfalt?

Wichtig ist für Landwirte vor allem der Ertrag einer Nutzpflanze, denn er sichert sowohl ihr Einkommen als auch die Versorgung der wachsenden Bevölkerung. Vor allem nach dem zweiten Weltkrieg führten Intensivierung und Arbeitsteiligkeit in der Landwirtschaft zu systematischer Züchtung besonders ertragreicher und widerstandsfähiger Sorten. Der Preis für diesen Fortschritt ist der Verlust der Vielfalt.

Alte Landsorten bergen neben geschmacklichen Variationen auch viele wertvolle genetische Eigenschaften, die moderne Hochleistungssorten nicht ersetzen können. Viele dieser Pflanzen wurden von Bauern über Jahrhunderte, manche sogar über Jahrtausende selektiert und gezüchtet. In ihrem Erbgut finden sich Gene, die für Resistenzen gegen Schädlinge und Krankheiten verantwortlich sind. Diese bleiben jedoch nur dann zukünftig erhalten, wenn die Pflanzen weiterhin angebaut werden und so die Vitalität ihrer Samen gewährleistet ist.

„Kein Mensch weiß, was wir in 20 Jahren brauchen“, so Anja Oetmann vom Informationszentrum für Genetische Ressourcen (IGR) im Bundeslandwirtschaftsministerium in einem Gespräch mit der Umweltschutzorganisation Greenpeace.

Handel und Verbraucher bestimmen, was wächst

Doch längst bestimmen nicht mehr allein die Bauern, was auf den Feldern wächst. Vielmehr setzen der Handel und die verarbeitende Industrie Maßstäbe und damit Zuchtziele, nach denen Züchter und im Anschluss die Bauern agieren: Bei alten Rosenkohlsorten beispielsweise reifen die Röschen immer wieder nach. Das ist für die industrielle Verwertung aber nachteilhaft, da die Ernte nicht zu einem Zeitpunkt stattfinden kann. So wurde diese Eigenschaft weggezüchtet. Sellerie muss sich „matschfrei“ zu Suppengrüngebinden schnüren lassen und bei Äpfeln werden vorrangig bekannte Sorten vom Verbraucher akzeptiert.

Hochleistungssorten  - ein zweischneidiges Schwert

Hochleistungssorten bringen ohne Zweifel erhebliche Vorteile für die Versorgung der Menschen mit Nahrungsmitteln mit sich. Durch Züchtungserfolge in Deutschland der letzten 20 Jahre profitierten die Menschen in folgenden Bereichen:

  • 20 Prozent mehr Flächenerträge allein in Deutschland
  • über 160 Mio. Tonnen weniger CO2-Emissionen durch Flächenausdehnung
  • weltweit 1 Mio. ha weniger kultivierte Flächen für die landwirtschaftliche Nutzung
  • jedes Jahr weizenbasierte Nahrung für 38 Mio. Menschen und Kartoffeln für 72 Mio. Menschen
  • 9 Milliarden Euro Beitrag zum Bruttosozialprodukt und damit sozialer Wohlfahrtsgewinn
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Züchterische Höchstleistung: Sie unterscheiden sich in Form, Größe und Farbe, aber die heute angebauten Kohlarten stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, dem Wildkohl.

Züchterische Höchstleistung: Sie unterscheiden sich in Form, Größe und Farbe, aber die heute angebauten Kohlarten stammen von einem gemeinsamen Vorfahren ab, dem Wildkohl.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ AnjelaGr

Die mühsam aus Inzuchtlinien entwickelten Hochleistungssorten wurden für den Anbau in der industriellen Landwirtschaft optimiert. Ob dieses Modell auf lange Sicht zukunftweisend sein kann, wird mehr und mehr bezweifelt. Der weltweite Trend muss durch die massiv wachsende Weltbevölkerung in Richtung einer Landwirtschaft gehen, die mit weniger Ressourcen stabile und höhere Erträge liefert.

Heutige Hochleistungssorten benötigen in der Regel erhebliche Mengen an Dünger, Pflanzenschutzmitteln und Wasser als Ersatz für die Anpassung an regionale Standorte. Würde man die Effekte auf die Umwelt z. B. durch die Emissionen auf das Klima oder die Austragung chemischer Verbindungen ins Grund- und Oberflächenwasser berücksichtigen, könnte sich eine andere Kosten-Nutzen-Relation ergeben.

Neben verbesserten Produktionsmethoden wie einer Präzisionslandwirtschaft, die Dünger und Pflanzenschutzmittel exakt dort positioniert, wo diese benötigt werden, kommt vor allem der Pflanzenzüchtung für die Weiterentwicklung der Landwirtschaft von Morgen eine große Bedeutung zu. Den anderen negativen Folgen der Hochleistungssorten versucht man heute mit integriertem Pflanzenschutz, Nährstoffmanagement und wassersparenden Bewässerungstechnologien entgegenzuwirken.