Pflanzenerbe durch Bürgerkrieg in Gefahr
Internationale Zusammenarbeit rettet syrische Genbank
Als 2011 in Syrien der Bürgerkrieg ausbrach, war eine der bedeutendsten Pflanzen-Genbanken der Welt in Gefahr. Ein Bericht beschreibt, wie die international koordinierte Rettung dieses unschätzbaren Erbes gelingen konnte.
Ob Getreide, Wurzelgemüse oder exotische Früchte – das Saatgut tausender Sorten von Kulturpflanzen wird in Genbanken rund um den Globus sicher verwahrt. MitarbeiterInnen sammeln und vermehren Pflanzen-Proben ihrer Region und stellen sie im Rahmen des Internationalen Vertrags über pflanzengenetische Ressourcen für Ernährung und Landwirtschaft (kurz Pflanzenvertrag) der Forschung kostenlos zur Verfügung. Diese Pflanzenressourcen sind eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Züchtung widerstandfähiger Kulturpflanzensorten, z. B. gegen Dürre, Hitze und Schädlinge. Genbanken leisten damit einen bedeutenden Beitrag zum Schutz der biologischen Vielfalt und zur weltweiten Ernährungssicherheit.
ICARDA-Saatgutbank durch Krieg bedroht
Das ‚International Center for Agricultural Research in the Dry Areas‘ (ICARDA) beherbergt die größte Saatgutsammlung von Kulturpflanzenarten des ‚fruchtbaren Halbmonds‘, der landwirtschaftlich bedeutendsten Region im Nahen Osten mit Ländern wie Syrien, Israel, Jordanien, Irak und Libanon. Die Genbank enthält auch Tausende Saatgutproben der wilden Verwandten von Kulturpflanzen.
Mit dem Ausbruch des Bürgerkriegs in Syrien 2011 drohte die ICARDA-Genbank, die sich ursprünglich nahe der Hauptstadt Aleppo befand, durch die Kriegsereignisse verloren zu gehen. Dank einer internationalen Rettungsaktion konnte dies glücklicherweise verhindert werden.
Zufluchtsort: Der Samentresor auf Spitzbergen
Das ICARDA hatte bereits im Jahr 2008 begonnen, Duplikate ihres Saatguts im gerade fertiggestellten ‚Svalbard Global Seed Vault‘ auszulagern. Dieser Samentresor befindet sich in einem Berg auf der norwegischen Insel Spitzbergen. Er ist ein nahezu katastrophensicherer Zweit-Aufbewahrungsort für Genbanken weltweit, also das zentrale „Backup“ der weltweiten Pflanzenressourcen.
Im Verlauf der ersten zwei Kriegsjahre versendeten das ICARDA weitere 14.000 Saatgutproben nach Spitzbergen. Weitere Samenproben sendete das ICARDA-Team anschließend noch an die nationale Saatgutbank der Türkei.
Wiederherstellung der Saatgutbank an neuen Standorten geglückt
Da ein Ende des Bürgerkrieges nicht in Sicht war, wurden neue Standorte für die ICARDA-Genbank gesucht. Fündig wurden die MitarbeiterInnen im Libanon und Marokko, wo sie jeweils ein neues Saatgutzentrum gründeten. 2015 erhielten die neuen Zentren Proben der geretteten Samen aus dem Tresor in Svalbard und begannen den Neuaufbau der Sammlung. Seit 2016 wurden jedes Jahr mehr als 30.000 Proben regeneriert und 99 Prozent der ursprünglichen Sammlung wiederhergestellt. Anschließend sendeten die ICARDA-Zentren neue Sicherheitsduplikate wieder nach Spitzbergen.
Zakaria Kehel, Leiterin der Abteilung für genetische Ressourcen, Vorzüchtung und Genbankoperationen bei ICARDA erläutert die Bedeutung des Wiederaufbaus der Sammlung: „Dadurch haben wir wieder einen einfachen Zugang zu unseren endemischen Saatgutproben und können die Pflanzen unter optimalen Bedingungen regenerieren und vermehren, also in ihrem natürlichen Lebensraum.“
Investitionen in die internationale Zusammenarbeit lohnen sich
Für Prof. Ola Westengen von der norwegischen Universität für Biowissenschaften und Erstautor des Berichts ist die Rettung von ICARDA der Beweis, dass das globale System von Genbanken zur Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt gut funktioniert. Dazu gehören Einrichtungen wie das Seed Vault und die Arbeit der internationalen Stiftung Crop Trust. In den vergangenen 15 Jahren hat der Crop Trust die Entwicklung von 26 globalen Strategien zur Erhaltung von Nutzpflanzen ermöglicht. Auch mit Unterstützung der deutschen Regierung erweitert und aktualisiert der Crop Trust die Mechanismen, um die Ex-situ-Erhaltung der Nutzpflanzenvielfalt weiter zu optimieren.
„Die Rettung der ICARDA-Sammlung auf Svalbard illustriert die Bedeutung der internationalen Zusammenarbeit. Ohne den Pflanzenvertrag hätten wir nicht eine Atmosphäre des Vertrauens gehabt. Die klaren Regeln für die Zusammenarbeit zum Schutz dieser wertvollen natürlichen Ressource hat das alles möglich gemacht“, unterstreicht Ola Westengen.
Quellen:
- Westengen, O. et al. (2020). Safeguarding a global seed heritage from Syria to Svalbard. In: Nature Plants 6, 1311–1317, (09. November 2020), doi: 10.1038/s41477-020-00802-z.
- Crop Trust (o.A.) (2020). An International Rescue Mission from Syria to Svalbard. In: Crop Trust Blog (13. November 2020).
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Exoten für die Pflanzenzüchtung- Neue Wege zur Nutzung genetischer Ressourcen
- Genbanken werden zu digitalen Ressourcenzentren
- Inventur der Ahnen - Zum Schutz von wilden Genen
Titelbild: Das ehemalige Gebäude der ICARDA-Genbank in Syrien. (Bildquelle: © Global Crop Diversity Trust/Cary Fowler; flickr; CC BY-NC-ND 2.0)