Landeroberung früher als gedacht
Bereits die Vorfahren heutiger Landpflanzen haben an Land gelebt
Die ersten Pflanzen an Land waren Grünalgen, so eine Theorie, die neue Nahrung aus molekularen Vergleichen bezieht. Danach waren die Algen aus denen sich die modernen Landpflanzen entwickelt haben nicht mehr im Wasser heimisch. Eine neue Publikation liefert Hinweise dafür, dass einzellige Grünalgen bereits terrestrisch lebten und sich aus diesen terrestrischen Algen die Vorfahren der Moose und Farne entwickelten. Trifft dies zu, muss die Entwicklungsgeschichte der Landpflanzen umgeschrieben werden.
In einem Punkt sind sich Biologen einig: Pflanzen haben ihren Ursprung in Grünalgen. Bisher ging man jedoch davon aus, dass sich die Vorfahren der Landpflanzen aus Algen der Gruppe der Charophyten (Charophyta) entwickelt haben, die bereits die Photosynthese beherrschten, aber noch ausschließlich im Wasser lebten. Eine alternative Hypothese bringt diese Geschichte nun ins Wanken.
Müssen unsere Biologiebücher umgeschrieben werden?
Vermutlich zumindest in einigen Details. Denn Algen könnten sogar schon hunderte Millionen Jahre vor den ersten Landpflanzen an Land gelebt haben. Die modernen Landpflanzen haben sich dieser Hypothese nach aus terrestrischen und nicht wie bisher wissenschaftlich anerkannt, aus aquatischen Algen entwickelt.
Botaniker haben diese Möglichkeit seit längerem vermutet, aber den Befürwortern der Theorie fehlten die Beweise. Ein direkter Beweis bleibt schwierig, da es kaum Fossilienfunde aus der Zeit gibt, in der das Land erobert wurde. Erst aus der Zeit vor rund 400 Millionen Jahren liegen reichlich Fossilienfunde vor. Doch da hatten sich die Landpflanzen bereits fest etabliert. Man ging bisher davon aus, dass sich diese Landpflanzen etwa 50 bis 80 Millionen Jahre zuvor, also vor 450-480 Millionen Jahren entwickelt hatten. Die neue Publikation liefert nun einige interessante Anregungen, um die alternative Sichtweise zu untermauern, dass der Landgang der Pflanzen bereits viel früher stattgefunden hat.
Zellwand liefert entscheidende Hinweise
Indizien lieferten Untersuchungen der Zellwände von Charophyten. Die Pflanzenzellwand gilt als eine Schlüsselanpassung für das Leben an Land. Denn diese Hülle schützt die Zelle und hilft der Pflanze auch unter dem Einfluss der Schwerkraft stabil zu wachsen. „Wir stellten fest, dass auch diese Algen eine Zellwand besitzen, die ähnlich komplex ist, wie die von terrestrisch lebenden Pflanzen. Dies erschien seltsam, weil die urzeitlichen Algen doch angeblich im Wasser wuchsen“, erklärt Studienautor Jesper Harholt. Im Wasser hätten die Algen die Zellwände jedoch nicht nötig. Zellwände basieren auf komplexen molekularen Vorgängen und kosten Energie. Grundbausteine von Zellwänden sind hochkomplexe Kohlenhydrate. Insgesamt sind etwa 250 Gene am Aufbau von Zellwänden beteiligt. Eine Komplexität, die nicht ohne Zwang mal eben so abläuft. Warum also sollten Algen eine aufwändige Zellwand ausbilden, die für ein Leben an Land, nicht aber für eines im Wasser angepasst ist?
Algen hatten das Land schon erobert
Daher vermuten die Forscher, dass die Vorfahren der Charophyten bereits an Land lebten. Die Algen waren terrestrisch und einige konnten sich an die Gegebenheiten an Land weiter anpassen, z. B. indem sie eine Zellwand entwickelten, die später weiter optimiert wurde. Lignine wurden synthetisiert, welche die Zelle vor UV-Licht schützten und gleichzeitig Stabilität verliehen, was eine Voraussetzung für mehrzelliges Leben ist.
Charophyten besitzen noch heute einige Merkmale, die denen der einfachen Landpflanzen ähnlich sind. So haben einige keine Geißeln mehr und sind zu einer sexuellen Fortpflanzung fähig. Einige Algenarten machen auch schon einen Generationswechsel durch, wie er von Moosen und Farnen bekannt ist. Evolutionsgeschichtlich moderne Landpflanzen, werden auch Embryophyten genannt, was dem Umstand geschuldet ist, dass sie bei der geschlechtlichen Fortpflanzung einen Embryo ausbilden.
Landleben oder Rückkehr ins Wasser
Während einige Algen sich weiter für das Leben an Land spezialisierten, gelang es anderen weniger gut. Sie wurden wieder ins Wasser verdrängt und fanden dort ihre Nischen. Jedoch behielten sie einige Merkmale, die auf das vormalige Leben an Land hindeuten und als Beweis der Stammesgeschichte herangezogen werden kann. So lässt sich auch erklären, warum die Forscher eine komplexe Zellwand bei den untersuchten im Wasser lebenden Algen fanden.
In einigen Arten von Grünalgen sind solche Merkmale konserviert. So wurde entdeckt, dass die Algenart Klebsormidium flaccidum, Gene mit modernen Landpflanzen gemein hat, die diese tolerant gegen Trockenheit und oxidativen Stress machen – wichtige Eigenschaften für ein Leben an Land. Zudem fehlt bei Charophyten der Augenfleck. Mit diesem nimmt die Alge Licht wahr, was für eine optimale Photosynthese entscheidend ist. Mit Augenfleck und Geißeln können sich Algen optimal im Wasser zur Lichtquelle hin positionieren. All diese Besonderheiten sehen die Forscher als Hinweise zugunsten ihres alternativen Szenarios.
Doch noch sind viele Fragen ungeklärt und wichtige Beweise für diese alternative Entwicklungsgeschichte der Pflanzen stehen noch aus. Aufgrund fehlender Fossilien, können nur vergleichende genetische Untersuchungen die benötigten Einblicke liefern.
Quelle:
Harholt, J., Moestrup, Ø. und Ulvskov, P. (2015): Why Plants Were Terrestrial from the Beginning. In: Trends in Plant Science, (16. Dezember 2015), doi: 10.1016/j.tplants.2015.11.010.
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Titelbild: In einem Punkt sind sich Biologen einig: Pflanzen haben ihren Ursprung in Grünalgen. (Bildquelle: © Gert Hansen, SCCAP, Copenhagen)