Wo binden Transkriptionsfaktoren (TF)?

Neue Methode zur genomweiten Analyse von TF-Bindestelle

08.08.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais ist eine wichtige Nahrungspflanze. Um sie züchterisch zu verbessern, muss man wissen, an welchen Stellen im Genom man ansetzten muss. (Bildquelle: © 1195798 / Pixabay)

Mais ist eine wichtige Nahrungspflanze. Um sie züchterisch zu verbessern, muss man wissen, an welchen Stellen im Genom man ansetzten muss. (Bildquelle: © 1195798 / Pixabay)

Egal ob Größe, Ertrag oder Resistenz gegenüber Krankheiten: In all diesen Eigenschaften unterscheiden sich Pflanzen. Der Grund dafür sind häufig Unterschiede in den sogenannten regulatorischen Bereichen des Erbguts. Jetzt stellen Wissenschaftler:innen eine neue Methode vor, mit der das gesamte Erbgut einer Pflanze auf diese Unterschiede hin untersucht werden kann. Dieses Wissen ist auch wichtig für die Züchtung neuer, verbesserter Sorten.

Gene kodieren alle Eigenschaften eines Organismus. Doch es kommt nicht nur darauf an, welche Gene in den Zellen vorhanden sind. Mindestens genauso wichtig ist es auch, wann und in welcher Höhe eine Pflanze diese Gene exprimiert, also abliest und in Proteine übersetzt. Dieser Prozess wird unter anderem von den sogenannten Transkriptionsfaktoren gesteuert. Das sind Proteine, die an die regulatorischen DNA-Bereiche wie Promoter und Enhancer binden und so Gene an- oder abschalten.

Man schätzt, dass im Mais (Zea mays) bis zu 50 Prozent der phänotypischen Varianz auf Unterschiede in diesen regulatorischen DNA-Bereichen zurückzuführen sind. Sie sind daher ein wichtiger Angriffspunkt für die züchterische Verbesserung der Maispflanzen. Bisher war es jedoch schwierig, solche Unterschiede im Genom überhaupt zu finden. Jetzt hat ein internationales Team von Wissenschaftlern eine neue Methode entwickelt, die genau das möglich macht. Das Ergebnis: Mehr als 6000 neue Genorte haben die Wissenschaftler:innen gefunden, die dazu beitragen könnten, Pflanzen mit höheren Erträgen und einer besseren Schädlingsresistenz zu züchten.

Die Suche nach der Nadel im Heuhaufen

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Unterschiede in regulatorischen Genelementen beeinflussen etwa die Hälfte des Phänotyps der Maispflanze.

Unterschiede in regulatorischen Genelementen beeinflussen etwa die Hälfte des Phänotyps der Maispflanze.

Bildquelle: © Albrecht Fietz – Pixabay

Das Problem an den konventionellen Methoden wie genomweiten Assoziationsstudien (GWAS) war bislang ihre geringe Präzision. Meist findet man damit relativ große Regionen im Genom, die gleich mehrere Unterschiede wie SNPs oder InDels beinhalten. Und während man bei Variationen in kodierenden DNA-Bereichen anhand der Sequenzunterschiede vorhersagen kann, ob und welchen Einfluss diese Variation haben wird, ist dies bei Veränderungen in nicht-kodierenden Bereichen kaum möglich.

Man weiß also nie: Hat diese Mutation eine Auswirkung auf den Phänotyp der Pflanze oder nicht? „Unter den Millionen von nicht-ursächlichen Genomunterschieden genau die zu finden, die für unterschiedliche Eigenschaften wie zum Beispiel der Schädlingstoleranz verantwortlich sind, ist die ultimative Suche nach der Nadel im Heuhaufen“, erklärt Thomas Hartwig, Erstautor der Studie. Hartwig leitet die Forschungsgruppe Crop Yield in Maize an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf sowie die FIND-CIS-Gruppe am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln.

Hybridpflanzen weisen den Weg

Um diese Probleme zu überkommen, nutzten die Forscher:innen um Dr. Zhi-Yong Wang (Carnegie Institution for Science) F1-Hybride, also die ersten Nachkommen aus einer Kreuzung von zwei reinerbigen Maislinien (B73 x Mo17). Dadurch haben die F1-Hybride an vielen Genorten unterschiedliche Allele – ein mütterliches und ein väterliches. Dann fokussierten sie sich in ihrer Analyse zunächst auf alle Gene, die mit dem Brassinoid-Stoffwechsel in Zusammenhang stehen. Dieses Pflanzenhormon aktiviert die BZR1-Familie von Transkriptionsfaktoren, die anschließend an unzählige Promotoren und Enhancer binden können.

Aus der Modellpflanze Arabidopsis waren bereits tausende Zielgene des Transkriptionsfaktors BZR1 bekannt und es gab Hinweise darauf, dass die Signalweiterleitung in Mais der in Arabidopsis ähnelt. Dann kam die neue Methode namens HASCh-Seq zum Einsatz: Hybrid-Allele-spezifisches Chromatin-Bindungs-Sequenzierung.

Bei HASCh-Seq (eine Abwandlung von ChiP-Seq) wird zunächst eine Chromatin-Immunpräzipitation durchgeführt. Durch Fixierung mit Formaldehyd werden die zu einem Zeitpunkt bestehenden Bindungen von Transkriptionsfaktoren mit der DNA fixiert. Nach Zerstörung der Zellen mit Ultraschall entstehen DNA-Fragmente von einigen hundert Basenpaaren Länge. DNA-Stücke mit gebundenen Zielprotein (hier BZR1) werden mit einem spezifischen Antikörper immunpräzipitiert und die DNA-Fragmente vom Proteinliganden getrennt. Die Identität der gereinigten DNA-Stücke wird dann mittels Sequenzierung der zweiten Generation ermittelt.

„Unsere analytische Methode erlaubt es uns, präzise zu messen, ob Transkriptionsfaktoren mehr an den mütterlichen oder väterlichen Genomanteil binden“, erklärt Dr. Julia Engelhorn, Postdoc am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln.

Zur Hälfte genetisch, zur Hälfte epigenetisch

Mit Hilfe dieses Vorgehens konnte das Team zeigen, dass die phänotypischen Unterschiede ungefähr zur Hälfte genetisch und zur anderen Hälfte epigenetischen Ursprungs sind. „Unsere Studie kann als Wegweiser dafür dienen, wo man die interessanten Regionen im Genom findet“, so Engelhorn.  Denn der Vergleich mit GWAS-Daten zeigt, dass Hunderte von Allel-spezifischen BZR1-Bindungsloci mit wichtigen ertrags- und krankheitsbezogenen Merkmalen verknüpft sind. Das kann auch den Pflanzenzüchtern dabei helfen, neue Maislinien zu züchten, die ertragreich und fit für die Herausforderungen des Klimawandels sind.


Quelle:
Hartwig, T., Banf, M., Prietsch, G.P. et al. Hybrid allele-specific ChIP-seq analysis identifies variation in brassinosteroid-responsive transcription factor binding linked to traits in maize. Genome Biol 24, 108 (2023). https://doi.org/10.1186/s13059-023-02909-w

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Titelbild: Mais ist eine wichtige Nahrungspflanze. Um sie züchterisch zu verbessern, muss man wissen, an welchen Stellen im Genom man ansetzten muss. (Bildquelle: © 1195798 / Pixabay)