Züchtungsmethode revolutioniert Pflanzenzucht

26.02.2010 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Kartoffeln. (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)

Kartoffeln. (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)

Tilling heißt eine hochkomplexe Methode, die der Evolution auf die Sprünge hilft. Gentechnik kommt dabei nicht zum Einsatz, denn die Forscher optimieren nur die vorhanden Eigenschaften. Die auf diese Weise kürzlich entwickelte Super-Kartoffel bietet großes Potential für die industrielle Verarbeitung.

Beim Tilling werden mithilfe der Chemikalie Ethylmethansulfonat gezielt Punktmutationen im genetischen Code der Pflanzensamen ausgelöst. Auch natürlicherweise können solche Prozesse ablaufen, beispielsweise ausgelöst durch UV-Strahlung im Sonnenlicht. Allerdings beschleunigt die Chemikalie die Veränderungen in der Pflanze. 

Das Verfahren selbst ist nicht neu. Doch Eckhard Tacke vom Kartoffelforschungsunternehmen Bioplant in Ebstorf hat mit seinem Team das Verfahren mit einer neuartigen schnellen Suchmethode verknüpft. Aus Tausenden von Keimlingen werden damit jene herausgefiltert, die die gewünschten Eigenschaften aufweisen. 

Tacke hat mit dieser neuartigen Technik eine Kartoffel entwickelt, die ähnlich der gentechnisch veränderten (GV) Kartoffelsorte Amflora ausschließlich die Stärkeart Amylopektin enthält. Eine herkömmliche Kartoffel enthält normalerweise die beiden Stärkekomponenten Amylopektin und Amylose. In der Industrie werden sie aufwändig und kostenintensiv getrennt, da beide Stärkearten zu unterschiedlichen Zwecken Verwendung finden. Dieser Vorgang entfällt sowohl bei der GV-Kartoffel Amflora als auch bei der nun durch Tilling entwickelten Kartoffel, was der Industrie enorme Kosten sparen würde. Allein die deutsche Papier- und Klebstoffindustrie verarbeitet jährlich mehr als 500.000 Tonnen dieser speziellen Stärke.

Aber auch die Lebensmittelindustrie könnte von der neuen Kartoffel profitieren. Die GV-Kartoffel Amflora darf bisher nur versuchsweise und streng kontrolliert angebaut werden. Die Tilling-Kartoffel kann dagegen ohne Einschränkung auf deutschen Äckern wachsen und kommerziell vermarktet werden. Entsprechend testet der größte deutsche Kartoffelstärkehersteller Emsland Group aus Emlichheim in Niedersachsen bereits die besonders reine Stärkefraktion der neuen Kartoffelsorte. Amylopektin könnte nach erfolgreichen Versuchsreihen in den Lebensmittellaboren schon bald in der heimischen Küche und in Restaurants zu finden sein.

Tilling ist ein Verfahren, das ursprünglich ausschließlich der Grundlagenforschung diente. Mittlerweile stehen jedoch viele landwirtschaftliche Produkte im Mittelpunkt von Forschungsprojekten, z.B. Tomaten, verschiedene Getreidesorten, Bananen und Sojabohnen. Das Bundesforschungsministerium in Berlin fördert die Etablierung der Technologie im Projekt „Gabi-Till“ seit 2004 an Gerste, Raps, Kartoffel und Zuckerrübe. Und auch immer mehr Unternehmen investieren in die neue Technik, allen voran Saatgutproduzenten. So entstehen immer mehr “getillte“-Pflanzen mit verbesserten Eigenschaften. Von länger haltbaren Erdbeeren würde beispielsweise sowohl der Handel als auch die Kunden profitieren. Salzresistente Tomaten ermöglichen den Anbau in dürregeplagten Gebieten auf salzigen Böden. Und glutenfreies Getreide könnte Hunderttausenden Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten das Leben erleichtern.

Vermutlich werden in Zukunft beide Verfahren - Tilling und Gentechnik weiterhin zum Einsatz kommen. Denn selbst Forscher wie Tilling-Erfinder Steve Henikoff vom Fred Hutchinson Cancer Research Center in Seattle betonen, das Verfahren könne die Gentechnik nicht in allen Feldern ablösen. In manchen Fällen sei es unumgänglich, fremde Gene in eine Pflanze einzuschleusen. Um beispielsweise Mais widerstands-fähiger gegen Insekten zu machen, wird das Pflanzengen durch Erbinformationen eines Insekts ergänzt. Mit Tilling geht das nicht. Zudem ist Gentechnik einfacher, da der genaue Aufbau des Erbguts im Gegensatz zum Tilling nicht bekannt sein muss. Andererseits werden immer mehr Genome einzelner Pflanzen entschlüsselt, was die Anwendung von Tilling in der Pflanzenzucht erleichtert. In jedem Fall werden die Möglichkeiten erheblich erweitert, Pflanzen mit deutlich verbesserten Eigenschaften zu züchten.


Titelbild: Kartoffeln. (Quelle: © Rainer Sturm / pixelio.de)