Am Scheideweg der Welternährung

22.11.2011 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Kalorien- und Eiweiß-Verbrauch ist in wohlhabenden Ländern um ein Vielfaches höher als in ärmeren Regionen. (Quelle: © iStocphoto.com/Valentyn Volkov)

Der Kalorien- und Eiweiß-Verbrauch ist in wohlhabenden Ländern um ein Vielfaches höher als in ärmeren Regionen. (Quelle: © iStocphoto.com/Valentyn Volkov)

US-Forscher prognostizieren den Nahrungsbedarf im Jahr 2050 und entwerfen vier Wege, den Bedarf zu decken. Weitermachen wie bisher stellt sich als ökologisch schlechtestes Szenario heraus. Die Studie verdeutlicht auch, dass bisherige Prognosen viel zu kurz griffen.

Von 2005 bis 2050 wird sich der Bedarf an Felderträgen verdoppeln, haben US-Forscher um David Tilman von der University of Minnesota errechnet. In „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (PNAS) berichten sie, dass ein höheres Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit einem höheren Konsum an Kalorien und Eiweiß einher geht. Für ihre Berechnung haben die Forscher die 100 bevölkerungsreichsten Nationen abhängig vom BIP in sieben Gruppen aufgeteilt und Pro-Kopf-Nachfrage nach Kalorien und Eiweiß ermittelt. Demnach ist beispielsweise in der wohlhabendsten Gruppe die Kalorienaufnahme 256 Prozent höher als in der ärmsten, der Eiweißverzehr liegt sogar um 430 Prozent darüber.

Anhand von Prognosen für das Wachstum des BIP der einzelnen Gruppen sowie des von den Vereinten Nationen prognostizierten Bevölkerungswachstums errechneten die Wissenschaftler auf Grundlage dieser Beziehung schließlich die globale Nachfrage nach Felderträgen im Jahr 2050. Damit liegt das Resultat der Studie höher als ein anderer Ansatz, der auf Prognosen regionaler Experten setzt und ein Nachfragewachstum von 70 Prozent erwartet. Würden allerdings alle Staaten das Niveau anstreben, das die wohlhabendste Gruppe in der aktuellen PNAS-Studie zurzeit besitzt, stiege die Nachfrage nach Kalorien global um 176 Prozent, nach Eiweiß um 238 Prozent – ausschlaggebend ist der hohe Fleischkonsum in wohlhabenden Ländern.

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Die Forscher entwickelten Szenarien, wie der erhöhte Bedarf an Felderträgen bis 2050 möglichst nachhaltig erreicht werden könnte.

Die Forscher entwickelten Szenarien, wie der erhöhte Bedarf an Felderträgen bis 2050 möglichst nachhaltig erreicht werden könnte.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Elena Elisseeva

Diese Berechnungen waren allerdings nicht das Ziel der US-amerikanischen Studie, sondern nur notwendige Grundlage: Den Forscher ging es darum, zu ermitteln, auf welche Weise der erhöhte Bedarf an Felderträgen im Jahr 2050 möglichst nachhaltig erreicht werden kann. Vier Szenarien hat die Studie dazu untersucht.

Zwei grundsätzliche Ansätze gibt es, die globalen Erträge zu erhöhen: Der gegenwärtige Ansatz besteht vor allem darin, in ertragsschwachen Regionen neue Anbauflächen durch Landnutzungsänderungen zu erzeugen, darunter ökologisch und für das Klima problematische Methoden wie Sumpfgebiete trockenlegen und Wälder roden. Die Alternative ist aufwendiger, aber nachhaltiger: Bestehende, ertragsschwache Flächen durch bessere Technik, bessere Sorten und besseres Management auf das Niveau ertragsstarker Flächen bringen.

Würde der heutige Trend fortgesetzt, hieße das der Studie zufolge, dass bis 2050 eine Milliarde Hektar Land in Äcker verwandelt würde – mit der Folge, dass jährlich drei Gigatonnen CO2-Äquivalente in der Landwirtschaft freigesetzt würden und das Klima erwärmten. Der Verbrauch an Stickstoff für Düngemittel stiege auf 250 Megatonnen pro Jahr. Hinzu käme eine hoher Verlust an Artenvielfalt und eine starke Gewässerbelastung.

Beim entgegengesetzten Szenario – optimale Ausnutzung existierender Flächen und möglichst effizienter Einsatz von Stickstoff – würden 200 Millionen Hektar Land umgewandelt und jährlich eine Gigatonne CO2-Äquivalente sowie 225 Megatonnen Stickstoff in die Umwelt entlassen. Auch andere ökologische Faktoren entwickelten sich günstiger. Die übrigen beiden Szenarien lägen dazwischen.

Erstrebenswert wäre daher ein Technologie- und Wissenstransfer in Richtung ökonomisch schwächerer Nationen anstelle weiterer Landnutzungsänderungen. Damit einhergehen müsste die Vermeidung von Überdüngung in reichen Nationen, wodurch der globale Stickstoffbedarf sinken könnte, obwohl ärmere Regionen den Einsatz steigern müssten. Sorten müssen regionalen Gegebenheiten angepasst werden.

Dass dieses Szenario mehr ist als eine Utopie, zeigen beispielsweise Feldversuche in China: Dort brachte ein intelligentes Boden-Frucht-Management einen Anstieg des Maisertrags, ohne dass der Stickstoffeinsatz erhöht worden wäre. Und in Simbabwe erzielte ein Feldversuch mit 1.200 Farmen bereits mit 17 Prozent mehr Stickstoffdünger und besserer Ausbildung der Bauern Ertragssteigerungen von 40 Prozent. Die zusätzlichen Einnahmen überstiegen die Düngemittelkosten um den Faktor vier.

Bemerkenswert ist zudem eine Randnotiz der Studie. Zwar seien Kalorienerträge einer Anbaufläche abhängig von Stickstoffdüngung, Niederschlag, Evapotranspiration, pH-Wert des Bodens, Höhenlage, Jahreszeit und ökonomischer Stärke des Landes. Genauso verlässlich lasse sich der Ertrag jedoch ermitteln, wenn man nur Stickstoffdüngung, Niederschlag und Ökonomie betrachte.