Hochertragslandwirtschaft: Fluch oder Segen für die Umwelt?

Eine einfache Antwort gibt es nicht

24.10.2018 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Der Weizenanbau in Europa war einer der Agrarbereiche, für den genug Daten vorlagen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Der Weizenanbau in Europa war einer der Agrarbereiche, für den genug Daten vorlagen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)

Die konventionelle Landwirtschaft ist schlecht für die Umwelt, der Bioanbau dagegen schont die Biodiversität. Doch pauschale Aussagen stimmen selten. Forscherinnen und Forscher der Universität Cambridge haben jetzt genauer hingeschaut – und zeigen neue Denkansätze auf.

40% der eis- und wüstenfreien Landfläche der Erde werden heute schon durch die Landwirtschaft in Anspruch genommen. Die wachsende Weltbevölkerung und der steigende Bedarf an Lebensmitteln werden wohl dazu führen, dass noch mehr Naturflächen in Äcker umgewandelt werden. Das macht die Landwirtschaft zur größten Bedrohung der globalen Biodiversität. Es stellt sich die Frage, mit welcher Landwirtschaftsform die Biodiversität der Erde bestmöglich erhalten werden kann. Die wenigsten würden wohl antworten: Mithilfe der industrialisierten Landwirtschaft.

Die globale Biodiversität ist in Gefahr

In der Tat gibt es zahlreiche Hinweise, wie schädlich die Hochertragslandwirtschaft für die Umwelt ist. Es geht unter anderem um Nährstoffverluste im Boden, Wasserverschmutzung, Bodenerosion und eine hohe Emission von Treibhausgasen. Die Liste ist ebenso lang wie besorgniserregend. Verfechter der industrialisierten Landwirtschaft argumentieren dagegen seltener unter Umweltaspekten. Vielmehr geht es um die Sicherstellung der Lebensmittelproduktion und wirtschaftliche Aspekte.

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Eine moderate Düngung mit anorganischem Stickstoff kann den Landverbrauch beim Reisanbau in China verringern.

Eine moderate Düngung mit anorganischem Stickstoff kann den Landverbrauch beim Reisanbau in China verringern.

Bildquelle: © Pixabay.com/CC0

Die Befürworter des Ökolandbaus hingegen loben die Umwelt-Vorteile dieser Landwirtschaftsform. Die Gesundheit von Böden, Reinheit des Wassers und die Schonung von Wildpflanzen und Tieren stünden hier im Mittelpunkt. Die Rollenzuschreibungen scheinen klar, die Fronten sind verhärtet.

Grabenkämpfe müssen überwunden werden

Die Wissenschaftler aus Cambridge untersuchten diese Schwarz-Weiß-Zuschreibungen jetzt mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden und bringen eine neue Perspektive in die Debatte. Ihre Hypothese ist ebenso einfach wie einleuchtend. Wenn man eine Ertragssteigerung auf den bereits existierenden Ackerflächen erreichen kann, werden die verbleibenden natürlichen Lebensräume verschont und nicht in artenarmes Ackerland umgewandelt. Dies wäre jedoch zwangsläufig die Folge, wenn der Ökolandbau mit seinen meist niedrigeren Erträgen ausgedehnt würde.

Auf dem Prüfstand

Die Forscher führen an, dass die Hochertragslandwirtschaft pro Flächeneinheit zwar die bekannten negativen Effekte wie Treibhausgasemissionen oder Nährstoffverluste aufweist. Solche Metriken würden jedoch auch die Gesamtauswirkungen von Systemen mit niedrigeren Erträgen unterschätzen. Deshalb haben die Forscher einen Ansatz entwickelt, der stattdessen die Umweltwirkungen und Landkosten (Ertrag pro Fläche) pro Produktionseinheit vergleicht.

Für einige Agrarbereiche wie Reisanbau in Asien, Weizenanbau in Europa sowie Rindermast in Südamerika haben die Forscher mit dieser Methode verschiedene Umwelteffekte beschrieben. Ausreichend Datensätze lagen vor für CO2-Emmissionen, Wassernutzung, Einsatz von Stickstoff und Phosphor sowie Bodenverluste. Die Wissenschaftler stellen auch fest, dass brauchbare Daten überraschend knapp sind und die wenigsten Studien solche Effekte im Zusammenhang mit den Feldinformationen gemessen haben.              

Wichtige Ergebnisse trotz schwieriger Datenlage

Dennoch konnten die Wissenschaftler einige Ergebnisse präsentieren. Ein zentrales Fazit war, dass die Hochertragslandwirtschaft nicht generell größere Umweltbeeinträchtigungen verursacht als konkurrierende Anbausysteme.

So zeigte sich, dass eine moderate Düngung mit anorganischem Stickstoff den Landverbrauch beim Reisanbau in China verringern kann - ohne dass der CO2-Ausstoß oder die benötigte Wassermenge sich erhöhen. Ein weiteres Beispiel ist der CO2-Ausstoß bei der konventionellen Rindermast in Südamerika. Weide-Systeme mit größerem Flächenbedarf lassen mehr CO2 entstehen. Sie stellten auch fest, dass die Treibhausgasemissionen pro Tonne Rindfleisch durch kluges Weidemanagement halbiert werden könnten.

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Bodenerosion kann eine negative Folge der Hochertragslandwirtschaft sein.

Bodenerosion kann eine negative Folge der Hochertragslandwirtschaft sein.

Bildquelle: © lucag_g/Fotolia.com

Auch bei der konventionellen Milchproduktion in Europa kamen ähnliche Ergebnisse zutage. Sie verbraucht weniger Fläche und führt zu geringeren Treibhausgasemissionen als der biologische Betrieb – hauptsächlich durch den Einsatz von Futterkonzentraten, der zu einer geringeren Methanproduktion bei den Tieren führt. Auch der Verlust von Bodenmaterial, Stickstoff und Phosphat war bezogen auf die absolute Produktionsmenge geringer als bei der biologischen Bewirtschaftung.

Die Autoren merkten jedoch gleichzeitig an, dass ihre Studie weitere wichtige Faktoren wie die Bodengesundheit oder die Auswirkungen der Pestizidbelastung auf die menschliche Gesundheit nicht berücksichtigt.

Alle Produktionssysteme kommen an ihre Grenzen

Ihr Appell lautet, dass Hochertragssysteme hinsichtlich ihrer Umweltwirkungen weiter optimiert werden müssen. So verursacht der intensive Einsatz von Pflanzenschutzmitteln in vielen Produktionssystemen zu hohe Umweltkosten. Auch der Einsatz von mit Hilfe fossiler Brennstoffe hergestelltem Ammonium-Nitrat-Dünger führt zu starken negativen Effekten. Alle existierenden Produktionssysteme – sowohl Bio als auch konventionell – stoßen nach Meinung der Wissenschaftler heute an ihre Grenzen, wenn es um den Schutz von Biodiversität geht. Es müssten daher auch bessere Rahmenbedingungen geschaffen werden, die umweltschonende und zugleich ertragreiche Anbaupraktiken effektiv fördern – dazu zählen Ausbildung, eine bessere Infrastruktur und eine umstrukturierte Agrarsubventionierung.


Quelle:
Andrew Balmford et al. (2018): The environmental costs and benefits of high-yield farming. In: Nature sustainability, (14. September 2018), https://doi.org/10.1038/s41893-018-0138-5

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Titelbild: Der Weizenanbau in Europa war einer der Agrarbereiche, für den genug Daten vorlagen. (Bildquelle: © Pixabay/CC0)