Am Wasser hängt die Keimung

Regulatorprotein für die Samenruhe bei Trockenheit identifiziert

24.08.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wann die Aussaat keimt, hängt von der vorhandenen Feuchtigkeit ab. (Bildquelle: © katerinavulcova / Pixabay)

Wann die Aussaat keimt, hängt von der vorhandenen Feuchtigkeit ab. (Bildquelle: © katerinavulcova / Pixabay)

Wenn Samen bei Trockenheit keimen, haben die jungen Pflanzen schlechte Überlebenschancen. Das Protein FLOE1 fungiert während der Samenruhe als Wassersensor und unterdrückt bei Dürre die Keimung.

Timing ist alles: Beginnt der Samen einer Pflanze zu einem ungünstigen Zeitpunkt zu keimen, kann das schnell das Ende bedeuten. Deshalb können Samen teilweise für Jahrhunderte in einem Ruhezustand überdauern, bis die Bedingungen für Keimung und Wachstum günstig sind. Dürre beispielsweise verhindert, dass ein Samen keimt. Doch wie merkt der Samen, dass ausreichend Wasser vorhanden ist? Eine internationale Forschungsgruppe hat nun ein wichtiges Protein identifiziert, dem genau diese Funktion zukommt.

Einem prionartigen Protein auf der Spur

Die Pflanzenforscher:innen untersuchten das Proteom der Ackerschmalwand Arabidopsis thaliana auf Besonderheiten im Samen. Dabei stießen sie auf eine Gruppe von intrinsisch ungeordneten Proteinen. Über solche Proteine ist bekannt, dass sie daran beteiligt sind, auch ohne Membranen Kompartimente in der Zelle zu bilden.

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Eine 3D-Rekonstruktion eines Arabidopsis-Embryos. Verschiedene Farben werden verwendet, um unterschiedliche Zellen zu kennzeichnen.

Eine 3D-Rekonstruktion eines Arabidopsis-Embryos. Verschiedene Farben werden verwendet, um unterschiedliche Zellen zu kennzeichnen.

Bildquelle: © George W. Bassel

449 dieser zugehörigen Gene wurden in trockenen Samen stärker exprimiert als in anderen Geweben. Darunter befanden sich die Gene für 14 prionenartige Proteine, von denen man weiß, dass sie reversibel Proteinphasen trennen können. Nur für ein einziges dieser Proteine war die Funktion unbekannt. Das Forschungsteam taufte es FLOE1 und widmete ihm seine volle Aufmerksamkeit.

Reversible Ausbildung von Kondensaten

Während der embryonalen Entwicklung bildet FLOE1 cytoplasmische Kondensate. In trockenen Samen ohne Wasser jedoch entstehen diese Kondensate nicht und das Protein tritt in einer diffusen Verteilung auf. Hatten die Embryonen jedoch bereits ihre Entwicklung vor der Trockenheit begonnen, fanden sich auch hier Kondensate von FLOE1. Die Kondensatbildung und Auslösung ist reversibel: Ist der Embryo in einem wässrigen Medium, entstehen sie. Legt man sie in wasserfreies Glycerin, lösen sie sich auf – und umgekehrt. Weil es weniger als eine Minute dauerte, bis sich nach der Benetzung mit Wasser Kondensate bildeten, gehen die Fachleute davon aus, dass kein biosynthetischer Prozess, sondern eine rein biophysikalische Reaktion dahinterstecken muss.

FLOE1 ist der Wassersensor

Als nächstes klärte das Forschungsteam, ob FLOE1 eine essentielle Rolle bei der Keimung spielt. Doch Knock-out-Mutanten zeigten unter normalen Bedingungen keine Auffälligkeiten. Was sich jedoch beobachten ließ, war, dass die Knock-out-Mutanten unter Wassermangel häufiger keimten als der Wildtyp. Weitere Untersuchungen bestätigten, dass die Phasentrennung von FLOE1 in vivo mit dem Beginn der Keimung korreliert und dass bei Wassermangel das Protein die Keimung verzögert – was die Überlebenschancen des Keimlings verbessert.

RNA-Analysen legten nahe, dass das Protein an einer vorgelagerten Stelle der Keimungsregulation steht. Relevante Unterschiede in der Genexpression fanden sich jedoch zwischen Wildtyp und Knock-out-Mutante erst unter Salzstress – einer Entsprechung zu Wassermangel. Diese Effekte traten unabhängig von den Konzentrationsverhältnissen der wichtigen antagonistischen Regulatoren Abscisinsäure und Gibberellinsäure auf. Dies führt zu der Annahme, dass FLOE1 als „Wassersensor“ ein eigenständig arbeitender Regulator der Keimung ist.

Spezielle Domänen reagieren auf den Wassergehalt

Um zu sehen, wie FLOE1 als Wassersensor agieren kann, untersuchten die Forscher:innen die molekulare Struktur des Proteins und seine Domänen. Dabei fanden sie eine Region, die reich an Glutamin, Prolin und Serin ist – ganz offensichtlich entscheidend für die Initiierung der Phasentrennung des Proteins. Auch konnten die Fachleute zeigen, wie ganze Domänen das biophysikalische Phasenverhalten beeinflussen. Je nach Wassergehalt sind sie dafür verantwortlich, dass das Protein entweder in gelöster Form, als flüssiger Tropfen oder als festes Gel vorliegt.

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Video: FLOE1-Proteine, die mit grün fluoreszierendem Protein (GFP) markiert sind, strömen durch das Zytoplasma von Tabakzellen.

Videoquelle: © Yanniv Dorone // Carnegie Science; youtube.com

Anschließende Versuche belegten die Funktion bestimmter Domänen bei der Einleitung der Keimung. Fehlte dem Protein eine Region, die reich an Asparaginsäure und Serin ist, dann lag das Protein unabhängig vom Wassergehalt immer kondensiert vor. Somit verhindert die Region die Phasentrennung bei Trockenheit. Unter Salzstress war hier die Keimungsrate sogar besonders hoch, was auf eine Gain-of-function-Mutation deutet. Fehlte die Region mit Glutamin, Prolin und Serin, verhielt sich der Samen wie die Knock-out-Mutante. Damit dürfte diese Region für die eigentliche Funktion von FLOE1 maßgeblich sein und die Phasentrennung bei genügend Wassergehalt initiieren.

Es gibt zwei Isoformen von FLOE1

Als spannend erwies sich auch die Betrachtung der beiden Isoformen des Proteins, die infolge alternativen Splicings entstehen können. Während die eine Form vorwiegend während der Samenruhe vorliegt, entsteht die zweite Isoform verstärkt beim Keimungsprozess. Analysen zum Einfluss von Standortbedingungen ergaben noch, dass beide Isoformen unter wärmeren Bedingungen aktiver sind. Die zweite Isoform ist weniger aktiv in Regionen mit unregelmäßigem Niederschlag wie der mediterranen Zone. Dies deutet drauf hin, dass die Isoformen auch eine Rolle bei der Standort-spezifischen Anpassung der Keimung spielen könnten. Abschließend recherchierte das Team, dass es in allen evolutionären Linien grüner Pflanzen Homologe zu FLOE1 gibt.

Zusammengefasst sorgen biophysikalische Eigenschaften des Proteins FLOE1 dafür, dass es den Feuchtigkeitsgehalt messen kann und bei günstigen Bedingungen die Keimung auslöst. Wie genau dieser Schritt dann erfolgt, war nicht Gegenstand der Studie. Klar ist jedoch: Ein besseres Verständnis der Rolle der einzelnen Domänen und Isoformen könnte dabei helfen, Nutzpflanzen besser an den Klimawandel und zunehmende Wetterextreme anzupassen.


Quelle:
Dorone, Y. et al. (2021): A prion-like protein regulator of seed germination undergoes hydration-dependent phase separation. In: Cell, 184, 4284–4298, (5. August 2021), doi: 10.1016/j.cell.2021.06.009.

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Titelbild: Wann die Aussaat keimt, hängt von der vorhandenen Feuchtigkeit ab. (Bildquelle: © katerinavulcova / Pixabay)