Auch Fliegenzüchten muss man lernen
Lehrfilme verbreiten innovative Labortechniken weltweit
Egal, ob man Socken stricken oder einen Schrank zimmern möchte, auf Videoportalen findet man detaillierte Erklärungen für die obskursten Probleme des Alltags. Auch Forscher verbreiten ihr Wissen zunehmend im Videoformat. Die Ergebnisse von verschiedenen Laboren auf der ganzen Welt könnten dadurch besser vergleichbar werden.
Über zwanzig Jahre hat die Biologin Jane Polston gebraucht, um die optimalen Bedingungen für die Anzucht von Weißen Fliegen zu bestimmen. Diese Insekten sind der Graus eines jeden Obst- und Gemüsebauers, denn sie ernähren sich von über 500 verschiedenen Pflanzenarten, stehlen dabei Nährstoffe aus den Blattadern und bereiten Schimmelbefall den Weg.
Noch viel schlimmer aber ist ihre Funktion als Krankheitsüberträger. Zahlreiche Viren lassen sich von den Weißen Fliegen von Pflanze zu Pflanze chauffieren und können so mühelos ganze Felder und Plantagen zerstören.
Weiße Fliegen sind gefährliche Virus-Taxen
Aus diesem Grund arbeiten Forscher weltweit daran Tomaten, Bohnen oder Baumwolle gegen diese Viren resistent zu machen. Dazu müssen sie die Weißen Fliegen kontrolliert vermehren und das ist einfacher gesagt als getan. Polston hatte die Zucht bereits perfektioniert, aber dieses Wissen befand sich lediglich in den Händen und Köpfen der sieben Mitarbeiter ihres Labors. Jetzt hat sie einen Film darüber ins Internet gestellt, damit jeder die Handgriffe nachmachen kann.
„Es war sehr schwierig, einige der Details dieser Technik schriftlich zu erklären, Videos baten einen besseren Ansatz“, begründet Polston ihre Entscheidung. Ähnlich wie Kochrezepte sind auch Versuchsprotokolle kurz und exakt, aber wenig detailliert. Wer eine Technik nicht beherrscht oder bestimmte Tricks und Kniffe nicht kennt, wird kein perfektes Ergebnis erzielen. Videos können dazu beitragen, handwerkliche Raffinessen eines Labors auf der ganzen Welt verfügbar zu machen.
Das Fachmagazin „Journal of Visualized Experiments“ (JoVE) hat sich seit seiner Gründung 2006 auf die Publikation von Forschung im Videoformat spezialisiert. Damit wollen die Herausgeber zwei der größten Probleme der wissenschaftlichen Gemeinschaft angehen: die schlechte Reproduzierbarkeit von Ergebnissen und das zeit- und arbeitsaufwändige Erlernen neuer Techniken, heißt es auf der Webseite.
Immer mehr Wissenschaftler geben ihr Wissen in Videos weiter
Wie bei allen wissenschaftlich anerkannten Journals gilt auch bei JoVE das Prinzip des peer-review, wobei Forscher die Ergebnisse ihrer Kollegen kontrollieren, damit kein Unsinn publiziert wird. Für Wissenschaftler, die der Karriere willen ständig auf die Anzahl ihrer Fachartikel schielen, wird diese Form der Wissensverbreitung damit erst interessant, denn sie können die Filme als prestigesteigernde Veröffentlichung ihrem Lebenslauf hinzufügen.
JoVE macht es den Forschern so einfach wie möglich. Die Redakteure des Magazins bereiten das Skript vor, schicken Filmteams aus und kümmern sich um die Nachbearbeitung. Ganze 13 Städte sind in Deutschland als Drehorte gelistet, auch die USA, Kanada und Großbritannien sind gut abgedeckt. Außen vor sind bisher vor allem Labore in Südamerika, Afrika und Asien. Forscher aus diesen Ländern können sich bisher nur mit selbstgedrehten Filmen um eine Veröffentlichung bemühen.
Nur das Problem der Konkurrenz können selbst Videojournals nicht aus der Welt schaffen. So wie Brausehersteller ein großes Geheimnis daraus machen, welche Zusatzstoffe sie in ihre Softdrinks mischen, haben auch biotechnologische Firmen kein gesteigertes Interesse daran, eine innovative Technik sofort nach der Entwicklung der ganzen Welt auf dem Silbertablett zu präsentieren.
Doch zumindest bei der Anzucht von weißen Fliegen soll es zukünftig dank Jane Polston nicht am stümperhaften Handwerk scheitern. Es ist wichtig, die Tiere mit gelben Plastikkarten anzulocken um sie dann vorsichtig in Plastikröhrchen von einer Population zur nächsten zu transportieren. Will man sichergehen, dass die Insekten wirklich alle Pflanzen mit ihrem Virus infizieren, sollte man zusätzlich mit einem Stock über die Blätter streichen. Wem das jetzt zu komplex war, dem sei das Video empfohlen.
Quelle:
Polston, J. E. und Capobianco, H. (2013): Transmitting Plant Viruses Using Whiteflies. In: J. Vis. Exp. (81), e4332, doi: 10.3791/4332.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
Pflanzenforschung: Sind Studien verschiedener Laboratorien vergleichbar?
Titelbild: Weiße Fliegen sind gefürchtete Virenüberträger, die vielen Nutz- und Zierpflanzen schaden. (Quelle: © iStockphoto.com/ alohaspirit)