Aufputschen gegen Stress

Koffein kann chronischen Stress mildern

12.06.2015 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee. (Bildquelle: © al62 - Fotolia.com)

Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee. (Bildquelle: © al62 - Fotolia.com)

Koffein scheint nicht nur ein wirksamer Muntermacher zu sein, es kann auch die Folgen von langanhaltendem Stress lindern. Das fand ein Forscherteam zumindest bei Mäusen heraus. Aber auch beim Menschen könnte der Wirkmechanismus des Koffeins in Zukunft zur Behandlung von chronischem Stress genutzt werden.

Wer kennt es nicht – in sehr stressigen Zeiten trinken wir oft intuitiv das ein oder andere Tässchen Kaffee oder Tee mehr. Das darin enthaltene Koffein ist ein natürlicher Wachmacher, der anregend wirkt. Koffein ist neben Antioxidantien der wohl bekannteste sekundäre Pflanzenstoff, und lässt sich nicht nur in Kaffeebohnen und Teepflanzen finden. Auch in den Blättern des Mate-Strauches ist es enthalten, weshalb ein Aufgussgetränk daraus in Südamerika verbreitet ist, der „Mate-Tee“ wird auch in Deutschland immer beliebter. Darüber hinaus gibt es koffeinhaltige Erfrischungsgetränke, denen Koffein gezielt beigemischt wird. Der bekannteste Vertreter ist wohl Cola, das ursprünglich natürliche Extrakte der koffeinreichen Kolanuss enthielt.

Das Aufputschen mit Getränken wie Kaffee und Tee bei Stress scheint nicht von ungefähr zu kommen, es kann sogar als eine Art Eigenbehandlung bei chronischen Stress angesehen werden. Das impliziert eine neue Studie, die positive Effekte von Koffein auf stressbedingte Beschwerden bei Mäusen feststellte.

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Mit Koffein gegen Stress: Prof. Dr. Christa E. Müller von der Universität Bonn war an der Studie beteiligt.

Mit Koffein gegen Stress: Prof. Dr. Christa E. Müller von der Universität Bonn war an der Studie beteiligt.

Bildquelle: © Barbara Frommann/Uni Bonn

Linderung für gestresste Mäuse

Für die Untersuchung wurde Mäusen über mehrere Wochen Koffein verabreicht. Die Tiere nahmen das Koffein (mit einer Konzentration von 1 Gramm/Liter) mit der Nahrung oder über das Trinkwasser auf. Nach einiger Zeit wurden die Mäuse gezielt Stress ausgesetzt, z. B. indem die Mäuse gezwungen wurden in einem Behälter zu schwimmen oder an ihrem Schwanz in die Luft gezogen und dort baumeln gelassen wurden.

Langanhaltender Stress ging an den Mäusen nicht spurlos vorbei. Erste Anzeichen des Stresses waren beispielsweise ein wahrnehmbarer Gewichtsverlust oder depressive Züge im Verhalten. Allerdings stellte das internationale Forscherteam unter Beteiligung deutscher Forscher der Universität Bonn fest, dass die „behandelten“ Mäuse im Vergleich zur Kontrollgruppe, die kein Koffein erhalten hatte, weniger Stresssymptome zeigten. Sie waren vitaler, weniger ängstlich und schnitten sogar in Gedächtnistests besser ab.

Diese Testreihe zeigte, dass Koffein prophylaktisch wirkt und Beschwerden erst gar nicht so schlimm werden lässt. Darüber hinaus testeten die Forscher auch die therapeutische Wirkung. Dafür bekam ein Teil der bereits gestressten Mäuse eine Substanz namens „SCH58261“, die ebenfalls wie Koffein wirkt, jedoch viel stärker und ganz gezielt diejenigen Rezeptoren im Gehirn der Mäuse blockiert, die bei Stress „überreagieren“. Die typischen Stresssymptome verbesserten sich bei den behandelten Mäusen. Sie benahmen sich ähnlich wie ungestresste Mäuse.   

Blockade im Gehirn sorgt für positive Effekte

Bei Stress wird der Adenosinrezeptor „A2A“ im Gehirn vermehrt aktiviert. Dies löst Prozesse in den Zellen aus, die dann zu Stresssymptomen führen. Koffein wirkt wie ein Gegenspieler – es dockt sich an die Rezeptoren an und hemmt sie in der Signalweiterleitung. „Wurde in den Mäusen das Gen, das den Rezeptor A2A codiert, stumm geschaltet oder wurde der Rezeptor durch Koffein oder spezifische A2A-Hemmer blockiert, dann klangen die Beschwerden durch den anhaltenden Stress ab“, beschreibt Prof. Dr. Christa E. Müller vom Pharmazeutischen Institut der Universität Bonn.

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Chronischer Stress sorgt nicht nur für schlechte Laune, er kann krank machen. Symptome können zunehmende Ängste, Probleme mit der Konzentrationsfähigkeit, bis hin zu einer Depression sein.

Chronischer Stress sorgt nicht nur für schlechte Laune, er kann krank machen. Symptome können zunehmende Ängste, Probleme mit der Konzentrationsfähigkeit, bis hin zu einer Depression sein.

Bildquelle: © hikrcn - Fotolia.com

Potenzial als Anti-Stress-Behandlung beim Menschen

Die Versuche wurden zwar an Mäusen durchgeführt, doch die beteiligten Forscher sehen hier Anknüpfungspunkte für neuartige Stresstherapien beim Menschen. Chronischer Stress ist nicht nur schlecht für die Laune, auch die Konzentrationsfähigkeit leidet darunter und im schlimmsten Fall kann er ernsthaft krank machen. Depressionen und Burnout können die Folgen sein. Daher sucht man nach neuen Behandlungsmöglichkeiten.

Synthetische Wirkstoffe wie „SCH58261“, die wie Koffein wirken, könnten auch beim Menschen zum Einsatz kommen. „Die Substanz ist dem Koffein sehr ähnlich, hat aber weniger Nebenwirkungen. Sie blockiert ausschließlich die A2A-Rezeptoren und wirkt deutlich stärker als das Koffein“, berichtet Prof. Müller. Daher war in den Tierversuchen eine geringere Dosierung (0,1 mg/Kilogramm) ausreichend.

Die Wirksamkeit für den Menschen müsste jedoch erst noch in klinischen Studien überprüft werden. Dabei sollte jedoch bedacht werden, dass die körperlichen Reaktionen gegen Stress als Warnungen angesehen werden können – quasi eine Aufforderung des Körpers etwas ruhiger zu treten. Eine rein therapeutische Behandlung könnte bei chronischer Überforderung zwar die Symptome lindern, aber die Ursache wäre nicht bekämpft. Es könnten auch andere Wechselwirkungen auftreten. Nichtsdestotrotz könnten solche Substanzen hilfreich sein bei der Behandlung der Folgen von größerem Stress, wie beispielsweise posttraumatischen Belastungsstörungen.


Quelle:

Kaster, M.P. et al. (2015): Caffeine acts through neuronal adenosine A2A receptors to prevent mood and memory dysfunction triggered by chronic stress. In: PNAS, (08. Juni 2015), doi: 10.1073/pnas.1423088112.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Wer unter Stress steht, trinkt meist mehr Kaffee oder Tee. (Bildquelle: © al62 - Fotolia.com)