Bessere Früchte durch Insektenbestäubung
Stille statt sum, sum … wo sind sie alle hin?
Die Bestäubung durch Insekten verbessert nicht nur den landwirtschaftlichen Ertrag, sondern hat auch einen bedeutenden Einfluss auf hormonelle Prozesse der Pflanze. Dadurch entwickeln sich Früchte mit besonders hoher Qualität und Vermarktbarkeit. Doch in Deutschland leben immer weniger Insekten - eine fatale Entwicklung.
„Der oft zitierte 'Stumme Frühling' ist längst dabei, Realität zu werden. Das wird besonders dann deutlich, wenn die Natur jetzt mit dem Frühjahrsbeginn und zu Ostern nach den frostigen Tagen wieder zum Leben erwacht“, sagt Prof. Beate Jessel, Präsidentin des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Mit „stummem Frühling“ bezieht sich Frau Jessel auf den dramatischen Rückgang von Insekten, der sich in Deutschland seit mehreren Jahrzehnten bemerkbar macht.
Inventur der Artenvielfalt: deutlich weniger Insekten in Deutschland
Gerade erst sind die neuen Daten erschienen. Etwa alle zehn Jahre gibt das Bundesamt für Naturschutz seine aktualisierten roten Listen heraus. Sie dokumentieren, wie gefährdet verschiedene Tier-, Pflanzen- und Pilzarten in Deutschland sind und stellen mit ihren Gesamtartenlisten eine Inventur der Artenvielfalt dar. An der Erstellung der umfangreichen Listen wirken mehr als 20.000 Ehrenamtliche mit, die Daten zu Arten und Unterarten für Deutschland sammeln, analysieren und aufbereiten. Bisher wurden 25 Insektengruppen hinsichtlich der Bestandsentwicklung in den letzten 50 bis 150 Jahren bewertet. Der aktuelle Stand ist besorgniserregend: Bei etwa 44 Prozent aller Insekten-Arten ist es zu einem deutlichen Rückgang gekommen.
Insektenbefruchtung für ein Drittel aller Feldfrüchte relevant
Viele Pflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten unbedingt angewiesen, um überhaupt Früchte und Samen zu bilden. Doch auch bei manch anderen Pflanzen hat Insektenbestäubung einen bisher eher unterschätzten Wert. Das zeigt jedenfalls eine aktuelle Studie der Universität Göttingen. Die Qualität und Ertragsmenge von etwa einem Drittel aller weltweit produzierten Feldfrüchte könnte durch eine tierische Bestäubung verbessert werden. Für Erdbeeren, Äpfeln, Zuckermelonen, Ackerbohnen und Raps gibt es bereits konkrete Vergleichsdaten zwischen einer Insektenbestäubung und einer Selbstbefruchtung. Wie eine Insektenbestäubung allerdings beispielsweise die Fruchtentwicklung auf molekularer Ebene beeinflusst, war bisher nicht vollständig bekannt.
Auf einem Erdbeerfeld in der Nähe Göttingens haben die Forscher verschiedene Bestäubungsvarianten miteinander verglichen:
- Die Selbstbestäubung ist die Übertragung des eigenen Pollens der Blüte ohne das Zutun von Tieren.
- Bei der Handbestäubung erfolgt eine manuelle Bestäubung mit Pollen derselben Blüte durch Menschenhand mithilfe eines Pinsels.
- Die offene Bestäubung bezeichnet die Pollenübertragung durch Insekten und in geringeren Anteilen auch durch Wind.
Insekten- und Handbestäubung bringt hochwertige Erdbeeren
Die Selbstbestäubung zeigte sich dabei als wenig effektiv: Sie führte zu kleineren und leichteren Erdbeeren, die zudem zu über 90 Prozent deformiert waren. Die Früchte hatten auch eine kürzere Haltbarkeit und waren somit für den Handel wenig attraktiv. Die Pflanzen produzierten außerdem weit weniger des Hormons Auxin, das an zahlreichen Wachstums- und Entwicklungsprozessen beteiligt ist.
Wesentlich besser sah es hingegen auf dem Feld bei den Insekten-bestäubten Erdbeeren aus: Hier entwickelten sich wohlgeformte, schwere und große Früchte. „Insekten- und Handbestäubung führte zudem, wie anhand des Zucker-Säure-Verhältnisses nachgewiesen wurde, zu einem sortenspezifischeren Verhältnis von Geschmackskomponenten in der Frucht“, so Dr. Inga Smit, Co-Autorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin der Abteilung Qualität pflanzlicher Erzeugnisse.
Insekten- und Handbestäubung aktiviert bestimmte Phytohormone
Die Insekten- oder Handbestäubung ist effektiver und gleichmäßiger. Das führt zu einem gleichmäßigeren Fruchtansatz im Vergleich zur Selbstbestäubung und die Pflanze produziert dann deutlich mehr vom Phytohormon Indol-3-Essigsäure. Das Hormon wiederum ist maßgeblich an der Fruchtentwicklung von Erdbeeren beteiligt. Auch bei anderen Früchte, die durch Bestäubung entstehen, spielt dieser Prozess eine Rolle.
Erstautor Alexander Wietzke betont: „Die natürliche Bestäubungsleistung in unseren Agrarökosystemen – welche insbesondere durch Insekten erbracht wird – ist daher essentiell, um Ernte- und Qualitätsverluste zu verhindern und der global steigenden Lebensmittelnachfrage gerecht werden zu können.“
Wir sind auf Insekten angewiesen!
Theoretisch könnte die Bestäubungsleistung der Insekten auch durch Menschenhand ersetzt werden. Der Ansatz ist jedoch umständlich, teuer und zudem sehr zeitintensiv. Schließlich muss jede einzelne Blüte mit einem Pinsel bestäubt werden. Das Fazit der Wissenschaftler fällt daher eindeutig aus: „Nur bei einer ausreichenden Insektenbestäubung kann die steigende Lebensmittelnachfrage befriedigt sowie der Ertrag und die Qualität der Produkte, und damit ihre Vermarktbarkeit, garantiert werden.“
Sum, sum. Hoffentlich hören wir dieses Geräusch in Zukunft wieder öfter, wenn wir sorgsamer mit unseren tierischen Helfern umgehen.
Quelle:
Wietzke, A. et al. (2018): Insect pollination as a key factor for strawberry physiology and marketable fruit quality. In: Agriculture, Ecosystems & Environment, Volume 258, (15. April 2018), doi.org/10.1016/j.agee.2018.01.036.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Lauschangriff beim Hummelflug - Bestäubungserfolg kann mit der Summfrequenz vorhergesagt werden
- Schnappschuss aus der Urzeit - Insektenbestäubung doch keine Erfindung der Blütenpflanzen?
- Im Schatten der Bienen - Bestäubungsleistung anderer Insekten wird dramatisch unterschätzt
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Titelbild: Werden die Blüten der Erdbeere von Bienen bestäubt, sind sie größer und schmecken besser als bei einer Selbstbefruchtung der Pflanze. (Bildquelle: © Alexander Wietzke/Universität Göttingen)