Bioenergie – Mythos und Wahrheit

Globale Modelle zur Energieversorgung lassen oftmals wichtige Kriterien außer Acht

13.02.2014 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Mais, Mais, Mais: Einer der Hauptkritikpunkte des Bioenergie-Booms in Deutschland ist der massiv gestiegene Anbau von Energiemais. (Quelle: © fotandy / Fotolia.com)

Mais, Mais, Mais: Einer der Hauptkritikpunkte des Bioenergie-Booms in Deutschland ist der massiv gestiegene Anbau von Energiemais. (Quelle: © fotandy / Fotolia.com)

Britische Forscher haben festgestellt, dass viele Modellierungen zur zukünftigen globalen Versorgung mit Biomasse in der Realität nicht umsetzbar sind.

Bioenergie ist die Energie der Zukunft: Man braucht nicht viel dafür, außer etwas Land, Wasser, Sonne und CO2. In der Theorie klingt das alles zu schön, um wahr zu sein. Es ist leider auch nicht wahr, stellten jetzt britische Forscher fest. Zumindest mit den heute verfügbaren Technologien. Denn viele der Studien, die das Potential von Biomasse zur Energiegewinnung modellieren, gehen von zu optimistischen oder schlicht realitätsfernen Annahmen aus, anstatt belastbare wissenschaftliche Fakten zu nutzen.

Wie grün wird die Zukunft?

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In Biogasanlagen wird Biomasse vergoren, um daraus Biogas zu gewinnen.

In Biogasanlagen wird Biomasse vergoren, um daraus Biogas zu gewinnen.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ Jan-Otto

In Deutschland wurden 2009 etwa 10 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche zum Anbau von Energiepflanzen genutzt, hauptsächlich Raps, Mais und Getreide. Auch international setzen viele Entscheidungsträger auf Bioenergie. Die Internationale Energieagentur (International Energy Angency, IEA) schätzt, dass bis 2035 50 EJ (Exajoule) oder 10 Prozent der global benötigten Primärenergie aus Biomasse kommen könnten, eventuell sogar noch mehr.

Kritiker sehen hingegen eine große Gefahr der Konkurrenz zwischen Energie- und Nahrungspflanzen und somit der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln. Auch übermäßiger Wasserverbrauch sowie ein Verlust der Biodiversität werden befürchtet. In diesem Rahmen kommt Studien zum Thema eine wichtige Rolle zu, denn sie sind letztlich die Basis, auf der politische Entscheidungen getroffen werden. Das nahmen die Wissenschaftler zum Anlass, 90 dieser Studien aus den letzten 20 Jahren genauer zu betrachten. Sie untersuchten sie auf wissenschaftlich ermittelte Fakten, auf Schätzungen und auf die Daten, die diesen Schätzungen zugrunde lagen.

Ein kritischer Blick

Die Bandbreite der Ergebnisse für das globale Biomassepotential schwankte dabei zwischen knapp 100 EJ bis hin zu 600 EJ pro Jahr bis 2050. Ein Potential von 600 EJ würde bedeuten, dass der heute aktuelle Gesamtprimärenergiebedarf von 550 EJ ab 2050 allein durch Bioenergie gedeckt werden könnte.

Wie entstehen solche Zahlen? Eine Basis für Modellierungen zum globalen Bioenergiepotential sind die zukünftig erreichbaren Erträge für die wichtigsten Grundnahrungsmittel, also Weizen, Reis und Mais. Sie sollen die Ernährung der Weltbevölkerung sicher stellen. Können hier die Erträge maximal gesteigert werden, bleibt mehr Ackerfläche für Energiepflanzen übrig, so die Annahme. Zahlen für zu erwartende Ertragssteigerungen liefert unter anderem die Welternährungsorganisation (Food and Agriculture Organisation of the United Nations, FAO). In zwei Studien (2003, 2006) beschreibt sie eine jährliche Ertragssteigerung von etwa 0,9 Prozent bis 2050. Obwohl diese Annahme in der Vergangenheit zutraf, wird diese Aussage für die Zukunft von einigen Experten als zu optimistisch eingeschätzt wird. Inzwischen hat die FAO diese Zahl ebenfalls eingeschränkt. Trotzdem wird sie in vielen Studien immer noch als Berechnungsgrundlage genutzt.

Die alleinige Konzentration auf Ertragssteigerungen ist generell problematisch, warnen die die Autoren der Studie. Denn dabei werden wichtige Faktoren wie Ernteverluste oder Verteilungsungerechtigkeiten nicht mit berücksichtigt. Auch die Annahme, dass bei einer Erhöhung der Erträge automatisch mehr Land für Energiepflanzen übrig bleibt, ist nach Aussage der Wissenschaftler unsicher. Bei zurückblickenden Untersuchungen zur Auswirkung steigender Erträge auf die Landnutzung konnte sowohl die vermehrte Stilllegung von Äckern als auch eine Ausdehnung der Ackerflächen festgestellt werden. Studien, die sich auf Land-Einsparungen durch höhere Erträge berufen, sollten daher mit Vorsicht betrachtet werden, da sie regionale Besonderheiten außer Acht lassen, betonen die Forscher.

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Weltweit steigt der Fleischkonsum und damit auch der Flächenbedarf für Futtergetreide.

Weltweit steigt der Fleischkonsum und damit auch der Flächenbedarf für Futtergetreide.

Bildquelle: © iStockphoto.com/ SteveOehlenschlager

Fleisch kontra Bioenergie

Auch in anderen Bereichen wurden, nach der nun vorliegenden Metastudie wichtige Punkte vernachlässigt. So berücksichtigen viele Studien beispielsweise nicht den Zeitbedarf und die Kosten, die entstehen, wenn es darum geht, Land für großflächige Bioenergie-Projekte zu erwerben. Auch die Verfügbarkeit von Wasser wird von vielen Autoren nicht ausreichend bewertet. Ein weiterer, oft unterschätzter Faktor ist der zunehmende Fleischkonsum und der damit verbundene steigende Flächenbedarf für Futtergetreide. Heutzutage wird bereits etwa ein Drittel der globalen Getreideproduktion an Tiere verfüttert. Setzt dieser Trend sich fort, könnten die Bemühungen um mehr Platz für Energiepflanzen wieder zunichte gemacht werden.

Kleinere Brötchen backen

Die oben genannten Beispiele zeigen, wie schwer es ist, das Biomassepotential in globalem Maßstab realistisch zu bewerten. Der Grund liegt  in der Vielzahl von Faktoren, die berücksichtigt werden müssen und die sich zum Teil nur schwer quantifizieren lassen. Daher ist eine Herangehensweise, die statt belastbarer Zahlen mehr oder weniger zwangsläufig auf groben Schätzungen fußt, nach Meinung der Forscher ungeeignet.

Sie plädieren stattdessen für einen kleinräumigen, schrittweisen Einstieg in die Nutzung von Energiepflanzen, um belastbare Daten zu erhalten. Die so gewonnenen Daten könnten anschließend als Grundlage für eine großflächigere Produktion genutzt werden. Auf diesem Weg würde man sich dem Ziel, Biomasse als wichtigen Träger der zukünftigen Energieproduktion zu nutzen, in kleinen Schritten nähern, dabei die Grenzen ausloten und mögliche negative Auswirkungen rechtzeitig bekämpfen können.

Der Weg in die Zukunft

Die Bedeutung der Bioenergie als zukünftiger Energieträger zeigt sich an zwei wichtigen Aspekten: Durch die gesteigerte Nachfrage nach Biomasse lohnen sich die Investitionen in die Landwirtschaft. Wurde diese in den zurückliegenden Jahrzehnten eher stiefmütterlich behandelt, sprechen nun Insider von der Renaissance des ländlichen Raums und der Landwirtschaft. Ein zweiter Aspekt ist mit politischen Weichenstellungen „weg vom Öl“ also weg von der fossilen Energie verbunden. Heute gibt es weltweit Forschungsprojekte die es auf die Potenziale von Reststoffen abgesehen haben. Quantitativ ist die Gerüstsubstanz der Pflanzen das am häufigsten vorkommende Biomolekül der Welt. Am Aufschluss von Stroh oder Holz wird weltweit mit Hochdruck geforscht. Erste Pilotanlagen gibt es rund um den Globus und es wäre nicht das erste Mal, dass eine neue Technologie alle Hochrechnungen alt aussehen lässt.


Quelle:
Slade, R. et al (2013): Global energy resources. In: Nature Climate Change, Vol 4, 99–105, (Februar 2014), doi: 10.1038/NCLIMATE2097.

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Mais, Mais, Mais: Einer der Hauptkritikpunkte des Bioenergie-Booms in Deutschland ist der massiv gestiegene Anbau von Energiemais. (Quelle: © fotandy / Fotolia.com)