Das Mendeljahr klingt aus
Mendelsche Regeln bleiben bestehen, aber auch die Herausforderungen
Im vergangenen Jahr (2016) war es 150 Jahre her, dass der Bauernsohn, Naturforscher, Entdecker, Pflanzen- und Bienenzüchter, Mönch, Ökonom, Manager, Metrologe, Statistiker, gescheiterter Prüfling und vieles mehr - in jedem Fall der "Vater der Genetik“, Gregor Johann Mendel, die Regeln der Vererbung veröffentlichte. 1866 erfolgte jedoch noch nicht der Durchbruch hin zum Universalwissen der Menschheit.
Alles hat seine Zeit und diese ist bekanntlich relativ. Als der Augustinermönch Gregor Mendel nach vielen Jahren der Forschung seine Ergebnisse zur Vererbung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Öffentlichkeit zur Diskussion stellte, ahnte er womöglich, dass es schwierig werden könnte, die Menschen von seiner Idee über die Vererbung zu überzeugen. Erst 34 Jahre später, im Jahr 1900, wurde sein Werk „Versuche über Pflanzenhybriden“ wiederentdeckt. Hugo de Vries, Carl Correns und Erich Tschermak haben, und das ist wiederum bemerkenswert, die Erkenntnisse unabhängig voneinander wiederentdeckt und in ihren Grundzügen bestätigt.
Die Zeit war nun reif und die Grundregeln der Vererbung trafen auf eine bereits etablierte Züchtungsstruktur. Zwar ein noch junges Geschäftsfeld, aber immer mehr spezialisierte Unternehmen entwickelten sich aus dem bäuerlichen Umfeld heraus und waren bereit, ihre Geschäftsideen auf eine rational begründete Basis zu stellen. Die Landwirtschaft unterlag - ausgelöst durch die industrielle Revolution - einem Modernisierungsdruck. Mehr und mehr Menschen gingen vom Land in die Zentren der Industrie, was im Umkehrschluss bedeutete, dass jeder Bauer mehr Menschen ernähren musste. Die gezielte und beschleunigte Verbesserung von Kulturpflanzen, aber auch von Nutztieren galt es, voranzubringen. Damit war die wissenschaftlich begründete Pflanzenzüchtung geboren.
Statistik, Beharrlichkeit und Wissen
Im zurückliegenden Jahr stellte Pflanzenforschung.de regelmäßig Beiträge zu aktuellen Entwicklungen in der Züchtung in den Kontext des Mendeljahres. Unsere Grundidee war, deutlich zu machen, dass Gregor Mendel die Welt verändert hat, so wie es auch heute noch eine neue Generationen von Forscherinnen und Forschern tut. Ausgeklügelte experimentelle Designs, ein auf Fakten und Statistik beruhendes Wissen, aber auch ein großes Stück Beharrlichkeit gehörten damals und gehören auch heute noch zum Handwerkszeug jeder Züchtung und Forschung. Molekulare Instrumente, Computer, Roboter und Analysemaschinen ergänzen diese nun passgenau.
Objektiver Blick auf die Welt tut Not
Obwohl Pessimismus und Sorge über die Zukunft an Dominanz zu gewinnen scheinen, zeigen Zahlen und Fakten eine andere Entwicklungsrichtung der Welt. Objektivität tut Not. Dies war der Konsens der Pflanzenzüchter beim offiziellen Festakt zum Mendeljahr, der Ende 2016 in Berlin stattfand. Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP), die Gemeinschaft zur Förderung von Pflanzeninnovation e. V. (GFPi) und die Gregor Mendel Stiftung würdigten den akribischen Forscherdrang Mendels, der mit seiner Veröffentlichung vor 150 Jahren einen Schub für die Pflanzenzüchtung auslöste.
Einer der Gastredner war Prof. Joachim von Braun. Als Direktor des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn und einer der beiden Vorsitzenden des Bioökonomierates stellte er die Bedeutung von Innovationen bei den Kulturpflanzen in den Kontext knapper werdender Ressourcen und Veränderungen, die durch den globalen Klimawandel ausgelöst werden. Noch nie lebten so viele Menschen wie heute auf der Erde. Noch nie zuvor lebten so viele Menschen wie heute in Wohlstand und Sicherheit, noch nie waren so viele Menschen mit Bildung vertraut, hatten Zugang zu medizinischer Versorgung und war die Kindersterblichkeit so gering wie heute. Noch nie zuvor wurden so viele Menschen wie heute ernährt! Auch dank Mendel.
Um Herausforderungen zu meistern, bedarf es Innovationen
Natürlich bleibt es eine Herausforderung, sieben und demnächst neun oder zehn Milliarden Menschen zu ernähren. Auch das Wohlstandsgefälle, so von Braun, zwischen der stetig wachsenden Gruppe wirtschaftlich erfolgreicher und wohlhabender Staaten und den ärmsten Regionen der Welt, muss überbrückt werden. Dieses Gefälle abzubauen, bedeutet nicht zwangsläufig Verzicht zu üben. Vielmehr muss es gelingen, den Wohlstand auf Basis einer nachhaltigen und fairen Produktion und eines nachhaltigen Konsums zu realisieren. Auch wenn das Klima schon immer dynamisch und Veränderungen unterlegen war, stellt der sich vollziehende Klimawandel, allein schon aufgrund der Menge, der durch diesen betroffenen Menschen eine neue Dimension und eine immense Herausforderung dar. Jedoch auch eine, die gemeistert werden kann.
Wissen und Technologien sind vorhanden. Es gilt, diese ein- und umzusetzen. „Um den Hunger zu beenden, muss sich auch die Regierungsführung in vielen Entwicklungsländern verbessern. Es muss aber auch mehr und dieses Mehr nachhaltiger produziert werden. Auch Konsumgewohnheiten müssen sich ändern, vor allem in der westlichen Welt. Wir sollten Hightech nutzen, wenn dies den Hunger reduzieren kann“, so Prof. von Braun weiter.
Beispiele aus der Pflanzeninnovation und der Robotik gilt es, besser aufeinander abzustimmen. Neue Geräte und Sensoren, die gezielter und bedarfsgerechter Pflanzen düngen und schützen sowie Pflanzen kontinuierlich beobachten, um schnell auf Veränderungen zu reagieren, all dies sind Entwicklungen, die nicht nur Produktivitätssteigerungen, sondern auch enorme Nachhaltigkeitschancen beinhalten. „Landwirtschaft 4.0“ ist das Schlagwort, hinter dem sich viele dieser Entwicklungen verbergen. Die Digitalisierung wird mehr und mehr zu einem globalen Thema. Bildung, aber auch Weiterbildung und ein offener Dialog sind neben Forschung und Innovation die zentralen Schlüssel damit die Digitalisierung der Landwirtschaft, eine Präzisionslandwirtschaft und Präzisionszüchtung sowie eine nachhaltige und gerechte Landwirtschaft für zehn Milliarden Menschen funktionieren.
Ideologische Grabenkämpfe zu unterschiedlichen Produktionsmethoden, das Beharren auf Gewohntem, obwohl die Fakten und Statistiken in eine andere Richtung weisen - davon gilt es, sich zu verabschieden. Ergebnisoffene Auseinandersetzungen, um die jeweils beste, lokal angepasste Lösung beinhalten auch, das Handeln immer wieder zu hinterfragen. Dieses Grundprinzip der Forschung auf gesellschaftliche Prozesse zu übertragen, verlangen uns viel ab. Es hilft, Türen zu öffnen und diese offen zu halten. Auch dies sind Einsichten des Mendeljahres. Eines Jahres, das eine Person in den Mittelpunkt stellte, die den Siegeszug ihrer Erkenntnisse nicht miterleben konnte. Einer Person, die für ein rationales Denken steht und damit stellvertretend ist für Viele.
Mendel mit seiner Vielgestaltigkeit als Forscher, Ökonom, Manager usw. war ein Paradebeispiel eines transdisziplinären Denkens. So gesehen wird Gregor Mendel uns auch 2017 begleiten.
Weiterführende Informationen:
- Webseite des Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e.V. (BDP): www.150-jahre-mendel.de
Video:
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- 1866 – 2016 - 150 Jahre Mendelsche Regeln
- Mendel und die moderne Pflanzenzüchtung - „Die Mendelschen Regeln sind auf keinen Fall überholt, aber…“
- Maiszucht vor, mit und nach Mendel - Auf dem Weg zur idealen Nahrungspflanze
Titelbild: Gregor Mendel führte Jahre lang Experimente mit Erbsen durch, um die Regeln der Vererbung zu verstehen. (Bildquelle: © PublicDomainPictures/pixabay, CCO)