Maiszucht vor, mit und nach Mendel

Auf dem Weg zur idealen Nahrungspflanze

09.06.2016 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Ziel der Züchtungsforschung ist es, Informationen aus allen Bereichen der Pflanze zusammenzutragen, um eine möglichst nährstoffreiche, aber gleichzeitig widerstandsfähige Pflanze zu generieren. (Bildquelle: © Gregory Heath, CSIRO/CC BY 3.0)

Ziel der Züchtungsforschung ist es, Informationen aus allen Bereichen der Pflanze zusammenzutragen, um eine möglichst nährstoffreiche, aber gleichzeitig widerstandsfähige Pflanze zu generieren. (Bildquelle: © Gregory Heath, CSIRO/CC BY 3.0)

Mendeljahr 2016

Mais wird vom Menschen bereits seit 10.000 Jahren gezüchtet. Doch erst mit modernen molekularbiologischen Methoden gelingt es, auch die biochemische Zusammensetzung der Maiskörner gezielt zu verbessern und die Nahrungssituation vieler mangelernährter Menschen auf der Erde zu stärken. Wichtige Grundlage der Züchtung bleiben aber auch heute noch die durch Mendel aufgeklärten Regeln zur Vererbung. Mit Hilfe ausgeklügelter innovativer Methoden entfalten diese Regeln eine neue Wirkung.

Zu Beginn der Pflanzenzucht suchten die Menschen für sie besonders vorteilhaft erscheinende Pflanzen nach ihrem Phänotyp aus und brachten deren Saatgut erneut aus. Über die Auswahl besonders ertragreicher oder leicht zu erntender Pflanzen entstanden vor vielen hundert Jahren die ersten Varianten unserer heutigen Hauptnahrungspflanzen. Doch erst die Erkenntnisse, die Darwin und Mendel vor über hundert Jahren machten, ebneten den Weg für die molekulare Pflanzenzucht.

Heute arbeiten Züchter mit der markergestützten Selektion oder mit genomischen Ansätzen, um die Pflanzenzucht zu optimieren. Dabei geht es auch längst nicht mehr nur um ertragreiche Pflanzen. Vielmehr sind die chemischen Inhaltsstoffe der Pflanzen in den letzten Jahren immer mehr in den Vordergrund gerückt. Diese Inhaltsstoffe sind einerseits wichtig für die menschliche Ernährung, aber auch für Toleranz- und Resistenzmechanismen der Pflanze.

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Mais (Zea mays) ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Es existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Maissorten, darunter auch mehrfarbiger Mais.

Mais (Zea mays) ist eine der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Es existiert eine Vielzahl an unterschiedlichen Maissorten, darunter auch mehrfarbiger Mais.

Bildquelle: © Carl Davies, CSIRO/ CC BY 3.0

Große genetische Diversität in Mais

Am Beispiel von Mais haben Wissenschaftler die aktuellen Entwicklungen in der molekularbiologisch fokussierten Pflanzenzucht zusammengetragen. Mais ist nicht nur eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel für viele Menschen weltweit, Mais ist auch eine wissenschaftliche Modellpflanze mit einer ganz erheblichen genetischen Diversität.

Unsere heutige Maispflanze entstand aus ihrem wilden Vorgänger Teosinte (Zea mays ssp. Parviglumis) vor etwa 10.000 Jahren in Mexiko. Seitdem wurde die Maiszucht konsequent fortgesetzt und verbessert, bis zur Entwicklung der heute kultivierten Hybridmaissorten. Der wilde Mais-Urahne Teosinte weist eine sehr große genetische Diversität auf, die der Mais übernommen hat. Verschiedene Maissorten unterscheiden sich auf DNA-Level zu 1,4 % voneinander. Die Nukleotid-Diversität in Mais ist zwei bis fünffach höher als die in anderen domestizierten Graspflanzen, also Getreiden, und 14-fach höher als die von Menschen.

Genom und Metabolom zusammengepuzzelt

In den letzten Jahren trugen zahlreiche sequenzierte Genome von Maislinien und deren wilden Vorfahren zu einem besseren Verständnis der Maiszucht bei. Mit Hilfe technischer Innovationen konnten Wissenschaftler die genetischen Hintergründe der chemischen Maiszusammensetzung entschlüsseln, also zeigen, welche Gene für den Protein- oder Fettgehalt der Maiskörner verantwortlich sind. In Laboren weltweit entstanden außerdem genetische Karten für sekundäre Pflanzenmetabolite wie Flavonoide und Benzoxazinoide.

Auch auf der Ebene des Metaboloms hat sich einiges getan. Dort sind alle charakteristischen Stoffwechsel-Eigenschaften eines Organismus zusammengefasst. Bei der Entschlüsselung des Metaboloms spielen heute Hoch-Technologien wie die Massenspektronomie, nukleare Magnetresonanz oder chromatographische Verfahren eine Rolle.

Nährstoffeigenschaften durch Zucht optimieren

Stärke-, Protein- und Ölgehalt machen Mais zu einer der wichtigsten Nahrungspflanzen weltweit. Ein zentrales Zuchtziel besteht deshalb darin, die Nährstoffeigenschaften des Mais weiter zu optimieren. Doch das ist nicht immer einfach, wie ein Beispiel verdeutlicht: Allein der Ölgehalt des Maiskorns wird von 22 Quantitativen Trait Loci (QTLs) beeinflusst. Das sind Abschnitte eines Chromosoms, für die in entsprechenden Studien ein Einfluss auf die Ausprägung eines quantitativen, phänotypischen Merkmals nachgewiesen wurde. Es genügt also nicht, nur an einer genetischen Stellschraube zu drehen, um den Ölgehalt der Maiskörner zu optimieren.

Und es gibt noch eine weitere, große Schwierigkeit die Züchter, wenn sie den Kernölgehalt ihrer Maispflanzen verbessern möchten: Die negative Korrelation zur Kornquantität. Je besser der Kernölgehalt, desto weniger Körner produziert die Maispflanze. Über Mutationsstudien werden hier Maispflanzen gesucht, die sowohl mit hohem Ölgehalt als auch Körnerzahl und Kornqualität punkten können.

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Im Jahr 1866, also vor 150 Jahren veröffentlichte der Naturforscher und Mönch Gregor Mendel seine drei Mendelschen Regeln. Daher wurde 2016 zum Mendel Jahr erklärt.

Im Jahr 1866, also vor 150 Jahren veröffentlichte der Naturforscher und Mönch Gregor Mendel seine drei Mendelschen Regeln. Daher wurde 2016 zum Mendel Jahr erklärt.

Mangelernährung beheben

Neben den Hauptnährstoffen findet man in Maiskörnern auch phänotypische Variationen von B-Vitaminen, Folaten, Vitamin C, Provitamin A und Mineralien. Da zwei Milliarden Menschen weltweit schon heute als mangelernährt gelten, gewinnt die Versorgung mit Mikronährstoffen immer mehr an Bedeutung. Hierbei spielt die markergestützte Selektion bei der Rückkreuzung eine wichtige Rolle (MAS – marker-assisted selection). Dabei wird ein Gen oder eine genetische Region mit Hilfe von molekularen Markern von einer Donorpflanze durch mindestens fünf bis sechs Rückkreuzungen in eine Empfängerpflanze übertragen und dadurch für dieses Merkmal homozygot, also reinerbig. Auch die vermehrte Anreicherung von essentiellen Aminosäuren ist Ziel der aktuellen Züchtungsforschung.

Auch Stressresistenz wichtig

Doch all die verbesserten molekularen Eigenschaften der Maiskörner nützen wenig, wenn die Maispflanzen nicht gleichzeitig biotischen und abiotischen Stress aushalten können. Denn parallel zur wachsenden Weltbevölkerungen verändern sich auch die klimatischen Bedingungen auf der Erde. Die Zeit drängt und nur mit einer durchdachten Kombination von Metabolomics, also der Untersuchung der pflanzlichen Stoffwechselvorgänge, und genetischen Methoden können alle Ansprüche an unsere zukünftigen Nahrungspflanzen erfüllt werden. Dazu gehören ausreichend hohe Ernten auch unter widrigen Umweltbedingungen und wertvolle Inhaltsstoffe für die menschliche Ernährung.

Sind die genetische Basis und das metabolische Netzwerk einer Pflanze bekannt, und lassen sich diese Daten mit molekularen Markern kombinieren, bestehen beste Voraussetzungen, um die ideale Nahrungspflanze zu züchten. Hier ist der Mais anderen Nahrungspflanzen durch langjährige, intensive Züchtungsforschung bereits überlegen. Doch einige der Erkenntnisse, die in Maispflanzen gewonnen wurden, können auch auf andere Nahrungspflanzen übertragen werden.


Quelle:
Wen, W. et al. (2016): Broadening Our Portfolio in the Genetic Improvement of Maize Chemical Composition. In: Trends in Genetics, (24. Mai 2016), doi: 10.1016/j.tig.2016.05.003.

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Titelbild: Ziel der Züchtungsforschung ist es, Informationen aus allen Bereichen der Pflanze zusammenzutragen, um eine möglichst nährstoffreiche, aber gleichzeitig widerstandsfähige Pflanze zu generieren. (Bildquelle: © Gregory Heath, CSIRO/CC BY 3.0)