Die neuen Methoden der Pflanzenzüchtung: Eine Grauzone?
Neue Technologien erlauben eine gezielte Manipulation des Erbguts von Nutzpflanzen, die die bisherigen Methoden der grünen Gentechnik ablösen sollen. Unklar ist jedoch, ob auf diese Weise gezüchtete Pflanzen auch unter das derzeitige Gentechnikgesetz fallen. Wissenschaftler warnen davor, eine Überarbeitung der gesetzlichen Bestimmungen zu versäumen, und die Öffentlichkeit nicht ausreichend an der Diskussion zu beteiligen.
In den USA werden derzeit auf über 94% der Anbaufläche für Sojabohnen und 88% der Maisanbaufläche gentechnisch veränderte gv-Pflanzen angebaut. Die gv-Sorten sind transgen, das heisst sie tragen artfremde Gene aus Bakterien, Pilzen und anderen Organismen, die die Toleranz gegenüber Schädlingen und Pflanzenschutzmitteln erhöhen. Mit Hilfe von Viren, Bakterien oder Genkanonen wurden die Resistenzgene in die Pflanzenzellen eingeschleust und in das Erbgut der Pflanze eingebaut. Die Integration in das Pflanzengenom geschieht dabei allerdings zufällig, das heißt es kann nicht gesteuert werden, wie oft und wo genau der Einbau im Erbgut der Pflanze stattfindet. Dies kann zu unerwünschten Nebeneffekten führen, wenn beispielsweise Fremdgene in wichtige Pflanzengene springen und deren Funktion zerstören. Für gv-Pflanzensorten gelten daher bestimmte Zulassungsverfahren, in denen jede neue Sorte auf ungewollte Nebeneffekte, wie beispielsweise eine unbeabsichtigte Genabschaltung hin untersucht wird.
Grüne Gentechnik am Wendepunkt
In den vergangenen drei Jahren hat die Molekularbiologie jedoch neue Technologien hervorgebracht, die einen gezielten Einbau in das Pflanzengenom möglich machen. Proteine wie beispielsweise Zinkfinger-Nukleasen, Meganukleasen und TAL-Proteine können bestimmte DNA-Sequenzen im Erbgut erkennen und daran binden. Mit ihrer Hilfe lassen sich gezielt Schnittstellen im Pflanzengenom erzeugen, um Gene an einer bestimmten Stelle im Erbgut zu löschen, auszutauschen oder hinzuzufügen. Mit den neuen molekularen Werkzeugen, die unter dem Begriff targeted genetic modifications (TagMos) zusammengefasst werden, können aber auch pflanzeneigene Gene gezielt verändern oder ausgeschalten werden. Momentan werden beispielsweise herbizidtolerante Mais-, Raps und Reissorten entwickelt, bei denen einzelne DNA-Bausteine in Genen mit Hilfe der sogenannten Oligonukleotid-gerichteten-Mutagenese verändert wurden. Bei dieser Methode wird der Zelle ein Fehler in ihrer DNA vorgegaukelt, den diese nach einer eingeschleusten, mutierten Vorlage korrigiert. Auf diese Weise kopiert der Reparaturmechanismus der Pflanzenzelle eine vorgegebene Mutation in das eigene Genom.
Wissenschaftler sehen in den neuen, präziseren Gentechnik-methoden die Möglichkeit, Züchtungsverfahren zu beschleunigen, aber auch Risiken von gv-Pflanzen besser abzuschätzen und zu kontrollieren. Im Gegensatz zur konventionellen Züchtung, bei der es bis zu 50 Jahre dauern kann bis eine resistente Obstsorte entsteht, können Genetiker mit TagMos jetzt schon innerhalb weniger Jahre neue Sorten züchten.
Genorte, bei denen eine genetische Veränderung keine unerwünschten Nebeneffekte für die Pflanze und ihre Produkte hervorruft, könnten dann auch für den Einbau anderer Gene genutzt werden, um Zulassungsverfahren zu rationalisieren. Darüber hinaus macht das gezielte Austauschen von Genen auch genetische Neukombinationen innerhalb der gleichen Pflanzenart möglich, ohne dass Gene artfemder Organismen übertragen werden müssen. Bei der sogenannten Cis-Genetik werden beispielsweise ausschließlich Gene des pflanzeneigenen Genpools übertragen oder verändert. Mit dem Cis-Ansatz hoffen Pflanzenzüchter auch auf eine bessere Akzeptanz bei den Verbrauchern, die transgenen Pflanzenprodukten kritisch gegenüber stehen.
Nicht jede gv-Pflanze ist per Definition gentechnisch verändert
Laut einer Studie der Gemeinsamen Forschungsstelle der Europäischen Kommission werden TagMos bereits von mehreren Pflanzenzüchtungsunternehmen genutzt und es steht zu erwarten, dass die ersten TagMo-Kulturpflanzen in absehbarer Zeit auf den Markt gelangen.
Ungeklärt ist jedoch die Frage, ob die neuen Pflanzensorten als gentechnisch verändert einzustufen sind oder nicht. Sowohl das gültige Gentechnikgesetz des US Departments für Landwirtschaft (USDA) von 1997, als auch das der EU von 1990 berücksichtigen die neuen Technologien noch nicht. Sie definieren einen gv-Organismus als einen Organismus, der durch die Anwendung rekombinanter, molekularbiologischer Methoden entsteht, wie es durch natürliche Kreuzung nicht möglich wäre.
Gv-Pflanzen, denen mit Hilfe von TagMos Gene artfremder Organismen übertragen wurden, dürften demzufolge ähnlich bewertet werden wie die gv-Pflanzen, die sich derzeit bereits auf dem Markt befinden. Durch den Cis-Ansatz gezüchtete Kulturpflanzen, die nur eigene veränderte Gene oder die einer nah verwandten Unterart tragen, könnten allerdings durch das Kontrollraster fallen. Eine weitere Methode, die von der aktuellen Definition von gv-Pflanzen nicht erfasst wird, ist die sogenannte RNA-induzierte DNA Methylierung. Die Technik nutzt den epigenetischen Mechanismus der DNA-Methylierung, um Gene abzuschalten, wobei das Genom der gezüchteten Nachkommen unverändert bleibt.
Wissenschaftler halten eine Überarbeitung der Gentechnikgesetzes für notwendig
Im Fachjournal der European Molecular Biology Organization (EMBO) appellieren Wissenschaftler jetzt an die Behörden, wichtige Fragen um die Zulassungsverfahren von TagMo-Pflanzen nicht zu ignorieren. Dringend notwendig seien neue, klar definierte Bewertungsmaßstäbe, die auch die unterschiedlichen Kategorien von TagMo-Pflanzen berücksichtigten. Dabei wird beispielsweise entschieden werden müssen, inwiefern sich Pflanzen mit einer TagMo induzierten Einzelmutation überhaupt von Mutanten, die durch klassische Zucht ausgewählt wurden, unterscheiden. Techniken wie die RNA-induzierte DNA-Methylierung, könnten die Verantwortlichen vor zusätzliche Herausforderungen stellen, denn nur die Elterngeneration wird bei dieser Methode gentechnisch verändert. Die Nachkommen, deren Produkte letztendlich auf den Markt gelangen, unterscheiden sich zumindest aus genetischer Sicht nicht von konventionellen Kulturpflanzen.
Ob das Endprodukt oder der Herstellungsprozess über die Einstufung entscheiden, sollte nach Meinung der Forscher öffentlich diskutiert werden. Mangelnde Transparenz um Zeit und Kosten zu sparen, könnten langfristig das Vertrauen der Konsumenten und die Züchtungsbranche schädigen, wie es bei dem Skandal um die Maissorte StarLink der Fall war. Der Bt-Mais stand damals im Verdacht, beim Menschen allergische Reaktionen auszulösen und war daher nur für Futtermittel zugelassen. Aus nicht geklärten Gründen gelangte das Getreide im Herbst 2000 trotzdem in einige Lebensmittel in den USA. Der Skandal löste damals den Rückruf mehrerer millionen Lebensmittel aus und hunderte Personen glaubten wegen eines Verzehrs von StarLink-Mais an allergischen Reaktionen zu leiden.
Die Forscher plädieren daher dafür, die Bedürfnisse der Öffentlichkeit rechtzeitig in der Debatte um die Bewertungsmaßstäbe von TagMo-Pflanzen zu berücksichtigen. Nur so könne man den Weg für die neuen, verbesserten Technologien auf lange Sicht ebnen. Um diese Transparenz zu gewährleisten, stellt Pflanzenforschung.de in loser Folge ausgewählte neue Züchtungsmethoden vor.
Quellen:
- Jennifer Kuzma and Adam Kokotovich (2011). Renegotiating GM Crop Regulation. EMBO reports 12: doi:10.1038/embor.2011.160. (Link).
- Studie der europäischen Kommission (2011): New plant breeding techniques. State-of-the-art and prospects for commercial development (Link).
- F. Cellini et al. (2004). Unintended effects and their detection in genetically modified crops. Food and Chemical Toxocology 42: 1089-1125. (Link).
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- Eine kurze Geschichte der Pflanzenzüchtung
Titelbild: Neue Züchtungsmethoden sind eine Herausforderung für bestehende Regularien (Quelle: © Gerd Altmann / pixelio.de).