Die „Ökologie“ des globalen Agrarhandels
Positive Effekte werden durch „Cash Crops“ stark verringert
Der internationale Agrarhandel ist sinnvoll, weil viele Menschen nur durch ihn mit Lebensmitteln versorgt werden können. Er kann sogar die Umwelt entlasten. Wäre da nicht der Handel mit Luxusgütern wie Kaffee und Kakao, der die ökologische Gesamtbilanz stark herunterzieht.
In den letzten 30 Jahren hat sich der globale Handel mit Lebensmitteln mehr als verdoppelt. Etwa ein Viertel der globalen Nahrungsproduktion geht auf Reisen. Oft wird der internationale Handel pauschal als schädlich für die Artenvielfalt und das Klima betrachtet. Die Auswirkungen wurden allerdings bisher immer nur scheibchenweise betrachtet. In einer neuen Meta-Studie hat ein internationales Forschungsteam unter Leitung des Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrums in Frankfurt das jetzt nachgeholt. Dafür werteten die Forscher:innen über 100 Studien aus und beurteilten die Auswirkungen des Handels auf die Verfügbarkeit von Lebensmitteln, auf CO2-Freisetzung sowie Habitat- und Biodiversitätsverluste.
Globaler Import und Export
Über 80 Prozent der Weltbevölkerung lebt in Ländern, die mehr Kalorien importieren als exportieren. Dabei geht es hauptsächlich um Weizen, Mais, Soja, Zucker und Palmöl. Der globale Handel hat daher zunächst Vorteile, denn dadurch werden wesentlich mehr Menschen mit genug Kalorien und wichtigen Mikronährstoffen (Vitamine, Spurenelemente) versorgt als noch vor 30 Jahren. Dabei geht der „Kalorienfluss“ meist von produzierenden Regionen mit geringer Bevölkerungsdichte in Richtung „verbrauchender“ Regionen mit einer hohen Bevölkerungsdichte und entsprechend weniger Land pro Kopf. Negative Auswirkungen dieser Produktion auf die Umwelt (vor allem Biodiversitäts- und Habitatverluste, CO2-Emissionen) werden so in die produzierenden Länder „exportiert“.
„Land-Spar-Effekt“
Allerdings hat dieses System auch Vorteile: Denn insbesondere Grundnahrungsmittel wie Weizen werden hauptsächlich in Regionen angebaut, die klimatisch die besseren Voraussetzungen dafür bieten – sprich die höchsten Erträge pro Fläche ermöglichen. Das spart global betrachtet Anbauflächen. Für das Jahr 2008 betrug dieser Effekt geschätzte 88 Megahektar Land, das entspricht etwa sieben Prozent der gesamten Anbaufläche. Er reduziert Biodiversitäts- und Habitatverluste und verringert CO2-Freisetzungen.
Große Umweltschäden durch Luxusgüter
Aber es gibt natürlich auch die Schattenseiten des globalen Handels. Durch internationale Handelsbeziehungen ist es heute normal, dass in den Industrieländern der gemäßigten Zone sehr viele exotische Lebensmittel konsumiert werden, zum Beispiel die sogenannten „Cash Crops“ wie Kaffee, Tee, Kakao und Palmöl. Sie werden in den Tropen angebaut, aber nicht von der örtlichen Bevölkerung verbraucht. Reine Luxusgüter für die Industriestaaten, die kaum etwas zur Kalorienversorgung der Menschheit beitragen. Und in den produzierenden Ländern entstehen dadurch immense Umweltschäden.
Entwaldung und Biodiversitätsverluste
Die Entwaldung riesiger Areale für den Anbau dieser „Cash Crops“ ist eines der größten Probleme. Aber auch die Produktion von Soja und Rindfleisch für den Export führt zum gleichen Ergebnis. Allein dadurch werden jährlich Hunderttausende Hektar an Wald vernichtet, so die Forscher:innen. So „importiert“ die EU mit diesen Lebensmittel zwischen 13 und 30 Prozent ihres ernährungsbedingten CO2-Fußabdrucks.
Aufforstungen und die Zunahme an Waldflächen in den gemäßigten Zonen können diese Verluste nicht ausgleichen, betonen die Forscher:innen. Auch auf die Biodiversität hat der Handel negative Auswirkungen: So gehen zwischen 14 und 30 Prozent der globalen Biodiversitätsverluste auf seine Kosten. Auch hier ist der Import der „üblichen Verdächtigen“ wie „Cash Crops“, Rindfleisch, Soja sowie exotische Früchte und Gemüse dafür verantwortlich.
Abhängigkeit und Ursache von Krisen
Ein weiterer kritischer Punkt dieser Handelsbeziehungen ist die gegenseitige Abhängigkeit: In Krisenzeiten oder bei schlechten Ernten kommt das besonders negativ zum Tragen. Als ein Beispiel führen die Forscher:innen die Dürre in Russland in den Jahren 2008 bis 2010 an: Durch die Trockenheit brachen die Erntemengen beim Getreide ein, so dass Russland seine Exporte in den Nahen Osten verringerte. Die folgende Nahrungsmittelknappheit in den arabischen Ländern war möglicherweise einer der Auslöser des Arabischen Frühlings.
Positive Effekte nutzen
Der globale Handel kann also recht fragil sein, besonders in Zeiten des Klimawandels. Dennoch kann er viel zu einer nachhaltigen Produktion und effektiven Landnutzung beitragen. Die Forscher:innen betonen, dass es dafür wichtig sei, die positiven Effekte des globalen Handels zu fördern und schädigende Anbaupraktiken wie Überdüngung, Rodungen und übermäßigen Wasserverbrauch konsequent zu vermeiden. Auch das Verhalten der Konsumenten muss sich ändern: Eine geringere Nachfrage nach nährstoffarmen, kostenintensiven und umweltschädigenden Lebensmittel wäre hilfreich.
Quelle:
Kastner, T. et al. (2021): Global agricultural trade and land system sustainability: Implications for ecosystem carbon storage, biodiversity, and human nutrition. In: One Earth 4, (22. Oktober 2021), doi: 10.1016/j.oneear.2021.09.006.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Rechnung ohne den Wirt gemacht - Biodiversität ist ein kaum beachteter Faktor bei der Agrarproduktivität
- Ein hoher Preis für viel Ertrag - Intensive Landwirtschaft hat negative Auswirkungen auf die Biodiversität
- Fahrplan zur Langlebigkeit - Mehrjährige Getreide könnten die Umweltbilanz der Landwirtschaft verbessern
- Jetzt oder nie! - Nur sofortiges globales Handeln kann die ökologische Krise noch stoppen
Titelbild:„Cash Crops“ wie Kaffee ziehen die ökologische Gesamtbilanz des internationalen Agrarhandels herunter. (Bildquelle: © Ri Butov / Pixabay)