Ertragreich - auch mit wenigen Mineralstoffen
Boden und Grundwasser schonen durch weniger Dünger? Die Nahrungsgrundlage auch in Entwicklungsländern sichern? Das alles wäre mit Pflanzen möglich, die auch mit wenigen Mineralstoffen im Boden auskommen. Wissenschaftler fanden nun ein Gen in einer ursprünglichen Reissorte, das für die verbesserte Aufnahme von Phosphor verantwortlich ist. Ein Grundstein in der Züchtung von Pflanzen, die trotz nährstoffarmen Böden hohe Erträge liefern.
Mineralstoffe im Boden sind das A und O für ein gesundes und ertragreiches Wachstum von Pflanzen. Vor allem auf Phosphor sind Pflanzen dabei angewiesen, was in weiten Teilen der Erde mit phosphorarmen Böden ein großes Problem darstellt. Dieses könnte sich jedoch bald lösen, denn Wissenschaftler fanden das erste Gen, das den Nutzungsgrad von Phosphor reguliert. Das Gen kodiert für ein Proteinkinase-Enzym, welches die Reisernte bei Pflanzen, die auf phosphorarmen Böden wachsen, deutlich erhöhen kann.
Warum stellt der Phosphorgehalt im Boden ein Problem dar?
Viele Böden weltweit sind arm an Mineralstoffen. Dazu gehört auch etwa die Hälfte der globalen Ackerflächen. Es gibt zahlreiche Faktoren, die zum Phosphor-Problem beitragen. Ein großer Teil des Phosphors im Boden ist entweder sehr fest an die Oberfläche der Erdpartikel gebunden oder in organischen Phosphorverbindungen fixiert, was verhindert, dass die Pflanzen den Phosphor aufnehmen können. Darüber hinaus liegen viele Gebiete, in denen nur wenig Phosphor zur Verfügung steht, in Entwicklungsländern, wo die Böden ohnehin oft schon ausgelaugt sind und die Bauern nicht über die finanziellen Mittel verfügen, um Düngemittel zu kaufen. Im täglichen Kampf ums Überleben spielt die Verfügbarkeit von Mineralstoffen für das Pflanzenwachstum gerade dort eine zentrale Rolle.
Selbst in wirtschaftlich besser gestellten Regionen können sich die Landwirte nicht ewig auf Dünger verlassen. Denn der Phosphor in mineralischen Düngern stammt aus Guano oder Phosphatgestein. Letzteres kommt in größeren Mengen nur in Marokko, China und den USA vor. In etwa 50 bis 100 Jahren sind dessen Vorräte erschöpft. Selbst in den Ländern, in denen Dünger heute nahezu unbegrenzt eingesetzt werden könnte, gibt es Limitierungen: Einerseits wird ein erheblicher Teil des Phosphors fixiert und steht damit den Pflanzen nicht mehr zur Verfügung. Andererseits sickert viel davon in den Boden und ins Grundwasser, was die Wasserqualität in diesen Gebieten erheblich beeinträchtigt. Pflanzen, die bei gleichen Erträgen mit weniger Phosphor auskämen, wären eine willkommene Lösung.
Besinnung auf die alten Reisarten
Den Grundstein für ihre aktuelle Veröffentlichung im Fachmagazin Nature legten Wissenschaftler bereits vor 15 Jahren, als sie eine Subpopulation von Reis, die von den nährstoffarmen Böden Indiens stammte, untersuchten. In dieser Gruppe von Pflanzen war eine Linie namens Kasalath weit weniger auf Phosphor angewiesen als alle anderen Reispflanzen. Genetische Untersuchungen und Vergleiche mit anderen Reispflanzen zeigten, dass mehrere bestimmte Regionen im Reisgenom für den Phosphor-Bedarf verantwortlich sind. Die größten Auswirkungen diesbezüglich gehen von einer Region auf dem Reischromosom 12 mit dem Namen Pup1 aus.
Herauszufinden, welches Gen oder welche Gene im Kasalath-Reis den Phosphorbedarf der Reispflanzen drosseln, war nicht ganz einfach für die Wissenschaftler, denn es gibt mehrere pflanzenphysiologische Faktoren, die diesen Bedarf beeinflussen können. Dazu gehört beispielsweise ein aktiveres Wurzelwachstum, das die Wurzeln näher zu den Stellen im Boden bringt, wo sich der Phosphor befindet, oder eine verbesserte, durch die Wurzeln gesteuerte biologische und chemische Aktivität, den fixierten Phosphor zu lösen und aufzunehmen. Auch wenn der zelluläre Verbrauch von Mineralstoffen effektiver wird, kann das den Phosphorbedarf verändern.
Genetische Analysen zeigen den Unterschied
Um herauszufinden, welcher dieser Prozesse von der Pup1-Region gesteuert wird, kreuzten die Wissenschaftler diese Region in moderne Reislinien mit hohem Phosphorbedarf ein. Deren Nachkommen wuchsen auf phosphorarmen Böden weitaus besser als die Elterngeneration und erzielte höhere Ernteerträge. Daraufhin verglichen die Forscher die DNA-Sequenz der Pup1-Region dieser Pflanzen mit dem Referenzgenom des Reises. Die Sequenzen unterschieden sich beträchtlich, wobei die Kasalath-Linie einige Sequenzabschnitte aufwies, die im Referenz-Reisgenom gar nicht vorhanden waren.
Über Gen-Expressions-Analysen stießen die Wissenschaftler auf das Gen, das für eine Proteinkinase kodierte. Dieses Gen wird bei Pflanzen, die die Kasalath Pup1-Region besitzen, in hohem Maße in den Wurzeln exprimiert. Unter phosphorarmen Bedingungen ist die Expression erhöht. Passend zu seiner Funktion gaben die Forscher dem Gen den Namen PSTOL1, für „phosphorus-starvation tolerance 1“. Dieses Gen birgt großes Potential, denn die Wissenschaftler konnten zeigen, dass Reislinien, denen dieses Gen gentechnisch eingefügt worden war, im Gegensatz zu Wildtyppflanzen auf phosphorarmen Böden besser und schneller wuchsen und mehr Reiskörner erzeugten.
Schneller mehr Wurzeln
Die Wissenschaftler konnten die Proteinkinase außerdem genauer charakterisieren: PSTOL1 gehört zur “receptor-like cytoplasmic kinase“ Untergruppe von Proteinkinasen. Diese Enzyme besitzen eine Aktivierungsfunktion für andere Eiweiße. Das ist besonders interessant, denn die Rezeptor-like Kinasen wurden bereits mit mehreren pflanzlichen Reaktionen auf abiotischen Stress, wie beispielsweise Trockenheit, in Verbindung gebracht. PSTOL1 verstärkt das frühe Wurzelwachstum und die Wurzelausbreitung, wodurch die Pflanze den Phosphor im Boden wahrscheinlich besser “abbauen“ kann.
Mit Hilfe dieser Erkenntnisse könnte die Effektivität, mit der Pflanzen Phosphor und eventuelle auch andere Nährstoffe aufnehmen, erheblich verbessert werden. Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg, denn zunächst müssen die Wissenschaftler noch die molekularen Mechanismen und die Downstream-Ziele für PSTOL1 bestimmen. Gerade versuchen die Forscher bereits, ihre Entdeckungen praktisch umzusetzen, indem sie zielgerichtete Züchtungen vornehmen, mit denen sie die Effektivität der Phosphoraufnahme optimieren wollen. Wie stabil diese Eigenschaft in verschiedenen genetischen Hintergründen und in unterschiedlichen Wachstumsumgebungen sein wird, bleibt abzuwarten.
Auch andere genomische Regionen könnten in Verbindung mit einer besseren Phosphoraufnahme stehen, wie frühere genetische Untersuchungen der Wissenschaftler zeigen. Diese zu charakterisieren und in zielgerichteten Züchtungen eventuell mit der Pub1-Region zu kombinieren, wird eventuell noch phosphat-unabhängigere Reispflanzen erzeugen.
Die Vorgehensweise der Wissenschaftler zeigte einmal mehr, wie wertvoll es sein kann, sich auf traditionelle Pflanzenarten zu besinnen, wenn man nach vorteilhaften Pflanzeneigenschaften sucht, die eventuell während der Kultivierung dieser Pflanzen verloren gegangen sind.
Quellen:
- Gamuyao, R. et al. (2012): The protein kinase Pstol1 from traditional rice confers tolerance of phosphorus deficiency. In: Nature 488, 535-539, 23. August 2012, doi: 10.1038/nature11346.
- Leon V. Kochian (2012): Plant nutrition: Rooting for more phosphorus. In: Nature 488, 466–467, 23. August 2012, doi:10.1038/488466a.
Anregungen zum Weiterlesen:
- Phosphorkreislauf und Phosphorformen im Boden (K S Kali GmbH)
- Nachhaltiger Umgang mit der begrenzten Ressource Phosphor (BMELV)
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Welternährungspflanze Reis
- Wie wir den Reis gleich zweimal zähmten
- Überschwemmungstoleranter Reis übersteht auch Dürre
- Steckbrief: Reis
Titelbild: Forscher fanden in einer Subpopulation von Reis ein Gen, welches die Phosphoraufnahme verbessert. (Quelle: © cameraobscura / pixelio.de)