Gezielte Flächennutzung bewahrt Biodiversität
Intensiver Ackerbau bitte nur auf artenarmen Flächen
Mit der wachsenden Erdbevölkerung wird auch die Nachfrage nach landwirtschaftlich erzeugten Produkten steigen. Doch wie lässt sich dieser Mehrbedarf decken, ohne der Natur weiteren Schaden zuzufügen? Mit einer gezielten Landnutzungsplanung könnte der Konflikt zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Naturschutz teilweise entschärft werden. In einer Studie zeigen deutsche Wissenschaftler nun das Potenzial dieses Ansatzes auf.
Wissenschaftler der Universität Göttingen, des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Universität Münster haben Informationen zu den Lebensräumen von nahezu 20.000 Wirbeltieren mit Landnutzungsplänen verglichen. Die Datensätze enthielten Informationen zur Verbreitung und zu den ökologischen Bedürfnissen tausender Tierarten in aller Welt. Auch Daten zur landwirtschaftlichen Produktion der 16 weltweit wichtigsten Feldfrüchte haben die Wissenschaftler dazu herangezogen.
88 Prozent des Artenverlustes könnte vermieden werden
In der Regel führt eine Steigerung der landwirtschaftlichen Produktion zum Verlust von Artenvielfalt und Ökosystemfunktionen auf den betroffenen Ackerflächen. „Unseren Berechnungen zufolge wird intensivere Landnutzung die globale Biodiversität auf Agrarland bis 2040 um elf Prozent verringern“, heißt es in der Publikation. Was aber passiert, wenn das landwirtschaftliche Wachstum auf Gegenden beschränkt ist, in denen möglichst wenige Tierarten gefährdet sind? Die Wissenschaftler untersuchten, ob eine derartige gezielte Landnutzungsplanung die globalen Artenverluste verringern würde. Sie fanden heraus, dass durch diese Optimierung rund 88 Prozent des prognostizierten Artenverlusts vermieden werden könnte.
Doch beim Gespräch mit Erstautor Lukas Egli vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig wird schnell klar, dass sich ein solch komplexes Thema nicht in ein paar Zahlen zusammenfassen lässt.
Auswirkungen einer intensiveren Landnutzung
„In unserer Studie ging es nicht darum, wie sich eine Umwandlung von bisher nicht landwirtschaftlich genutzten Flächen auf die biologische Vielfalt auswirken würde. Wir haben lediglich den Umstand betrachtet, was geschehen würde, wenn die vorhandenen Agrarflächen weltweit noch intensiver bewirtschaftet würden“, erklärt Egli die Ausgangssituation der Studie. Das Spektrum der dabei berücksichtigten Tierarten war eingeschränkt: „Zur Erfassung der Biodiversität standen uns lediglich globale Verbreitungsdaten zu Vögeln, Säugetieren und Amphibien zur Verfügung“, erklärt Egli, warum beispielsweise Insekten in der Studie keine Beachtung fanden. Zu ihrer Verbreitung und Lebensbedingungen gäbe es schlichtweg keine globalen Daten.
Deutschland spielt untergeordnete Rolle
Global betrachtet hätten Länder wie zum Beispiel Indien, Brasilien oder Indonesien das größte Potential, um die globale Landwirtschaft nachhaltiger zu gestalten“, ist eine Schlussfolgerung der Wissenschaftler. „Das ist ganz einfach so, weil in diesen Ländern viel mehr seltene Arten leben als zum Beispiel in Europa“, erklärt Egli. Deutschland spiele daher in dieser Frage nur eine untergeordnete Rolle. „Neben den wenigen Arten, die hierzulande im Vergleich zu einer tropischen Region leben, hat das auch noch einen ganz anderen Grund: Unsere Landwirtschaft hat das maximale Ertragspotential schon weitgehend erreicht“, so Egli. Realistische Zukunftsmodelle prognostizieren lediglich eine Produktionssteigerung durch Intensivierung von weniger als 1 Prozent für Deutschland.
Volle Intensivierung – 40 Prozent Artenverlust
„Wenn wir aber tatsächlich überall in Deutschland mit voller Auslastung produzieren würden, könnten wir die Erträge noch um etwa 15 Prozent steigern. Die Artenvielfalt würde sich gemäß unseren Prognosen dann um satte 40 % reduzieren“, so Egli weiter. Der Grund dafür: Viele Arten könnten eine intensive Landnutzung verkraften, eine „vollintensive“ Nutzung allerdings nicht mehr. Für präzisere Aussagen müssten allerdings genauere regionale Daten herangezogen werden und auch andere Tierarten und Umweltfaktoren wie Nährstoffkreisläufe und Wasserverschmutzung miteinbezogen werden.
In Deutschland müsse zwischen einer intensiveren Nutzung bereits vorhandener Agrarflächen und einer Expansion der Agrarflächen abgewogen werden. Auch die biologische Landwirtschaft könne ein interessanter Kompromiss sein. „Für solche Fragen greift unsere Studie aber zu kurz“, so Egli.
Potential für Artenschutz in Brasilien größer
In Brasilien beispielsweise zeichne sich ein ganz anderes Bild ab. „Nehmen wir an, die Landwirtschaft sollte hier bis 2040 um 14 Prozent intensiviert werden. Dann wäre es durchaus sinnvoll zu schauen, ob dabei in allen Regionen des Landes gleichviele Arten beeinträchtigt würden. Sind Regionen weniger gefährdet, könnte die Landwirtschaft in diesen Gebieten verstärkt intensiviert werden. Die Bauern in den besonders schützenswerten Regionen müssten dann allerdings eine Entschädigung erhalten. Damit ließen sich gemäß unserer Berechnungen rund zwei Drittel des prognostizierten Artenverlustes verhindern“, so Egli.
Auf die richtige Region kommt es an
Aufgrund der wachsenden Bevölkerungszahlen wird prinzipiell immer mehr Nahrung benötigt. Egli verweist allerdings auch auf andere Stellschrauben: „Wir sollten weniger Nahrungsmittel wegwerfen. Auch ein wohlüberlegter bzw. eingeschränkter Konsum tierischer Produkte kann die Lage etwas entspannen. Wenn wir aber mehr produzieren müssen, haben wir aber durchaus Möglichkeiten, diese Produktionsziele so schonend wie möglich zu erreichen.“ Das funktioniere aber eben nur, wenn lediglich auf einem Teil der Flächen die Produktion intensiviert wird. Wenn aber alle verfügbaren Flächen vollintensiviert werden, bliebe kein Handlungsspielraum mehr für den Artenschutz.
Quelle:
Egli, L. et al. (2018): Winners and losers of national and global efforts to reconcile agricultural intensification and biodiversity conservation. In: Global Chance Biology, (28. Februar 2018), DOI: 10.1111/gcb.14076.
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Titelbild: Artenarmut: So sieht intensiv genutztes Agrarland in Zentral-Europa aus. (Bildquelle:© Christoph Scherber)