Neue Zahlen zum Artensterben

Landwirtschaft ist die größte Bedrohung

04.01.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) wächst unter anderem auf extensiv genutzten Wiesen, die artenreich und potentiell bedroht sind. (Bildquelle © LUM3N / Pixabay)

Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) wächst unter anderem auf extensiv genutzten Wiesen, die artenreich und potentiell bedroht sind. (Bildquelle © LUM3N / Pixabay)

Forscher:innen haben exemplarisch berechnet, welche Pflanzenarten in Brasilien, Südafrika und Norwegen vom Aussterben bedroht sind – und welche Faktoren dazu beitragen. Auf Basis der neuen Berechnungsmethode könnten nun konkrete und zielgenaue Gegenmaßnahmen ergriffen werden.

Der Artenschutz ist neben dem Klimaschutz einer der größten Herausforderungen unserer Zeit. Mittlerweile ist die Dringlichkeit auch in der internationalen Politik angekommen: Auf der UN Biodiversitäts-Konferenz COP15 in Montreal im Dezember 2022 wurden weitreichende Ziele beschlossen, unter anderem eine Unterschutzstellung von 30 Prozent der Landes- und Meeresfläche bis 2030. Für einen effektiven Artenschutz reicht aber nicht nur der Schutzstatus, es müssen auch die konkreten Bedrohungen der Artenvielfalt erkannt und bekämpft werden. Ein internationales Forschungsteam hat jetzt eine neue Berechnungsmethode vorgestellt, mit dem die Ursachen für den Verlust der pflanzlichen Artenvielfalt in den einzelnen Ländern quantitativ erfasst werden können.

Nationale Rote Listen als Grundlage

Für ihre Berechnungen nutzten die Forscher:innen das Modell STAR Metric (Species Threat Abatement and Restoration). Diese Methode berechnet eine Maßzahl, die die regionale Bedrohung einer Art und die Wahrscheinlichkeit einer Erholung der Populationen bei entsprechenden Gegenmaßnahmen angibt. Somit kann STAR Metric bei politischen Entscheidungen helfen, indem es die Effektivität von unterschiedlichen Schutzmaßnahmen bewertet.

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Intensive Landwirtschaft: Monokulturen, fehlende Saumstrukturen und der übermäßige Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln setzen der Artenvielfalt am stärksten zu. 

Intensive Landwirtschaft: Monokulturen, fehlende Saumstrukturen und der übermäßige Einsatz von Dünger und Pflanzenschutzmitteln setzen der Artenvielfalt am stärksten zu. 

Bildquelle: © MemoryCatcher / Pixabay

Bisher wurde STAR Metric für verschiedene Gruppen von Wirbeltieren auf Grundlage der globalen IUCN (International Union for Conservation of Nature) Red List angewendet. Da laut der Forscher:innen schätzungsweise global mehr als 30 Prozent der Pflanzenarten vom Aussterben bedroht sind, aber nur etwa 13 Prozent dieser Arten von der Roten Liste der IUCN erfasst werden, griffen sie für eine größere Genauigkeit auf die nationalen Roten Listen für Gefäßpflanzen von Brasilien, Südafrika und Norwegen zurück.

Landwirtschaft größte Bedrohung der Artenvielfalt

Die Forscher:innen identifizierten 2791 bedrohte endemische Pflanzenarten in Brasilien und 1894 in Südafrika. Hinzu kamen noch einmal 301 bedrohte heimische Pflanzenarten in Norwegen. Die größte Gefahr für die Pflanzen ging in allen drei Ländern von der Landwirtschaft aus. Eine Reduzierung dieser Bedrohung würde das Aussterberisiko für Pflanzenarten daher am stärksten senken (Norwegen -54 Prozent, Südafrika -36 Prozent, Brasilien -29 Prozent). In Norwegen gefährdet vor allem die Aufgabe traditioneller Bewirtschaftungsmethoden den Artenreichtum. Würde man althergebrachte Praktiken mit extensiv bewirtschafteten Wiesen und Weiden wieder stärken, reduziere sich das Risiko für Artenverluste bereits um 29 Prozent, so die Forscher:innen.

In Südafrika und Brasilien stehen vor allem die Plantagenwirtschaft und Viehhaltung am Pranger. Deren umweltverträglichere Neugestaltung könnte das Artensterben je nach Land um 10-18 Prozent bzw. 9-16 Prozent reduzieren. Generell würde ohne den fortschreitenden Landschaftsumbau in Brasilien das Artensterben um 24 Prozent reduziert werden, eine Eingrenzung der Urbanisierung um 21 Prozent.

In Südafrika würde schon die effektive Bekämpfung invasiver Arten das Aussterberisiko lokaler Arten um 21 Prozent verringern. In Norwegen wiederum ist der Klimawandel ein bedeutender Treiber des Artensterbens. Könnte man ihn stoppen, wären 39 Prozent weniger Arten in ihrer Existenz gefährdet.

Die Forscher:innen betonen auch, dass manche der berechneten Risiken nicht regional gelöst werden können. So ist der Klimawandel ein Problem, das nur durch globale Anstrengungen in den Griff zu bekommen ist.

Beliebig einsetzbar

Die Berechnungen mit dem STAR-Modell können laut Forscher:innen auf beliebige Landschaftsgrößen angewendet werden - von lokalen Schutzgebieten bis hin zu globalen Maßstäben. Sie bieten einen praktikablen Ansatz, die Bedrohungen für Pflanzen- und Tierarten auf der vorhandenen Datengrundlage abzuschätzen und Möglichkeiten zum Gegensteuern zu bewerten. Entscheidend für den Artenschutz ist aber, dass nun auch wirklich gehandelt wird und die in der Abschlusserklärung von COP15 angekündigten Maßnahmen in Angriff genommen werden.


Quelle:
Mair, L. et al (2022): Quantifying and mapping species threat abatement opportunities to support national target setting. In: Conservation Biology, e14046, 2022, doi: 10.1111/cobi.14046

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Titelbild: Die Acker-Witwenblume (Knautia arvensis) wächst unter anderem auf extensiv genutzten Wiesen, die artenreich und potentiell bedroht sind. (Bildquelle © LUM3N / Pixabay)