Gib Gummi!
Löwenzahn produziert mehr Kautschuk – durch den Einsatz der Genschere
Mit gezielten Schnitten der Genschere CRISPR/Cas haben US-amerikanische Forscher:innen Löwenzahnpflanzen geschaffen, die deutlich mehr Kautschuk enthalten. Solche Pflanzen wären eine alternative und nachhaltige Quelle für Naturkautschuk – bislang stammt dieser Rohstoff zur Produktion von Gummi ausschließlich von ökologisch bedenklichen Kautschukbaumplantagen.
Naturkautschuk ist der Grundstoff, aus dem Gummi-Reifen für Fahrzeuge aller Art produziert werden. Er wird aus dem Kautschukbaum (Hevea brasiliensis) gewonnen. Die Kautschuk-Plantagen in Südamerika und Südostasien sind aber ökologisch problematisch: Mit rasant steigendem Kautschukbedarf - die globale Produktion hat sich von ca. sieben Millionen Tonnen im Jahr 2000 auf knapp 14 Millionen Tonnen im Jahr 2018 verdoppelt - werden immer mehr Regenwälder in Plantagen umgewandelt – auf Kosten der Biodiversität in diesen Regionen. Problematisch ist auch der hohe Wasserbedarf der Plantagen.
Zudem sind die Monokulturen trotz hohem Pestizideinsatz anfällig für Krankheitserreger wie Viren und Schadpilze, auch Extremwetterereignisse fordern ihren Tribut. Die globale Produktion von Naturkautschuk brach aus diesen Gründen 2020 um 10 Prozent ein. Eine Alternative ist synthetischer Kautschuk. Der wird aber mit Erdöl produziert, ist also ein nicht nachhaltiges und klimaschädliches Produkt.
Löwenzahn als alternative Quelle
Diese Situation gefährdet zunehmend die globale Versorgungslage. Daher gibt es erste Ideen und Schritte, Naturkautschuk aus alternativen Pflanzenquellen zu gewinnen: aus Löwenzahn. Er gehört zu den wenigen Pflanzengattungen, die Kautschuk in nennenswerten Mengen produzieren können. Spitzenreiter ist der Russische Löwenzahn (Taraxacum koksaghyz) mit einem natürlichen Naturkautschukgehalt von ca. 12 Prozent – und er kann problemlos in Europa angebaut werden.
Konkurrenzfähigkeit herstellen
Doch noch kann aus den Löwenzahnwurzeln Naturkautschuk nicht zu wettbewerbsfähigen Bedingungen gewonnen werden – zu teuer wäre seine Produktion im Vergleich zu den Kautschukbaumplantagen als Produktionsgrundlage.
Ein wichtiger Optimierungsschritt ist die Erhöhung des Kautschukgehalts im Russischen Löwenzahn. Das ist nun einem US-amerikanischen Forscherteam in kurzer Zeit gelungen – mit Hilfe der Genschere CRISPR/Cas. Aus vorangegangenen Studien war bereits bekannt, dass im Löwenzahn die Biosynthese von Inulin mit der Kautschukbildung in Konkurrenz steht. Daher lag es nun nahe, die Inulinbiosynthese durch Stilllegung eines zentralen Gens dieses Stoffwechselwegs zu unterdrücken. Die Forscher:innen wählten dazu das 1-Fructan:Fructan-1-Fructosyl-Transferase-Gen (1-FFT) aus und inaktivierten es durch zwei gezielte Schnitte mit der Genschere. In nur 10 Wochen gelang die Erzeugung von Löwenzahn mit einem um ca. 20 Prozent erhöhten Kautschukgehalt.
Das Team ist überzeugt, dass der Kautschukgehalt mit weiteren Anpassungen noch deutlich weiter gesteigert werden kann.
Taraxagum-Projekt: Erfolge auch in Deutschland
Auch ein deutsches Forschungskonsortium arbeitet an der Wirtschaftlichkeit der Kautschukproduktion aus Löwenzahn: das Taraxagum-Projekt. Unter der Leitung des Reifenherstellers Continental und auch mit Förderung durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) soll die ganze Wertschöpfungskette von der Saatgutproduktion, Anbau, Ernte bis zur Kautschukgewinnung optimiert und wettbewerbsfähig gemacht werden. Ziel ist ein lokaler Anbau von Löwenzahn und damit eine sichere und nachhaltige Versorgung europäischer Unternehmen mit Kautschuk. Das Projekt startete bereits 2011 und als erstes Serienprodukt ist seit 2019 ein Fahrradreifen aus Löwenzahn-Kautschuk auf dem Markt.
Das Taraxagum-Projekt versuchte bislang noch nicht, Löwenzahnpflanzen mit Hilfe der Genschere zu optimieren. Aufgrund des EU-Gentechnikrechtes ist es praktisch nicht möglich, genomeditierte Pflanzen in Europa anzubauen. Dies könnte sich mit der aktuellen Gesetzesinitiative der EU-Kommission ändern: Sie sieht vor, dass die meisten genomeditierten Pflanzen nicht mehr dem Gentechnikrecht unterliegen. Kommt es dazu, würden Projekte wie Taraxagum viel schneller zum Erfolg kommen – mit Hilfe der Genschere
Quelle:
Ariyaratne, M. et al. (2023): „CRISPR/Cas9-mediated Targeted Mutagenesis of Inulin Biosynthesis in Rubber Dandelion“. In: Journal of the American Society for Horticultural Science 148 (2023). doi: 10.21273/JASHS05311-23
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Titelbild: Löwenzahn der Art Taraxacum koksaghyz enthält einen begehrten Rohstoff: Naturkautschuk. Durch die Genschere soll er noch mehr davon produzieren (Bildquelle: © Pflanzenforschung.de)