„Mit Genomeditierung schütze ich Getreide vor Krankheiten“

Interview mit Iris Hoffie

06.09.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Die Pflanzenforscherin Iris Hoffie hat sich ein großes Ziel gesetzt: Getreide soll sich selbständig gegen Rostpilze verteidigen können. Dazu setzt sie die Genschere CRISPR/Cas9 ein. (Bildquelle: © Robert Hoffie)

Die Pflanzenforscherin Iris Hoffie hat sich ein großes Ziel gesetzt: Getreide soll sich selbständig gegen Rostpilze verteidigen können. Dazu setzt sie die Genschere CRISPR/Cas9 ein. (Bildquelle: © Robert Hoffie)

Rostpilze bedrohen weltweit die Getreideproduktion. Iris Hoffie entwickelt daher Weizen- und Gerstenpflanzen, die resistent gegen die Krankheitserreger sind. Im Interview erläutert die Forscherin vom IPK Gatersleben, welche Rolle ein Zuckertransporter und die Genschere dabei spielen.

Auch verrät sie uns, welchen Stellenwert Wissenschaftskommunikation für sie hat und was sie von der geplanten Deregulierung von genomeditierten Pflanzen hält.

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„Rostender“ Weizen. Pilzkrankheiten wie Gelbrost gefährden weltweit die Produktion von Getreide.

„Rostender“ Weizen. Pilzkrankheiten wie Gelbrost gefährden weltweit die Produktion von Getreide.

Bildquelle: Darrell Wesenberg / Bugwood.org / CC-BY 3.0

Pflanzenforschung.de: Frau Hoffie, mit Ihrer Forschung wollen Sie den Rost bei Weizen und Gerste bekämpfen. Wie rostet denn Getreide?

Iris Hoffie: (lacht) Tatsächlich sehen infizierte Pflanzen manchmal so aus als wenn sie rosten. Je nach Pilz bilden sich gelbe, orange oder bräunliche Pusteln auf den Blättern und dunkle Pusteln an den Blattscheiden und Getreidehalmen.

Pilzkrankheiten wie Braunrost, Gelbrost und Schwarzrost stellen eine ständige Bedrohung für die weltweite Getreideproduktion dar. Die Pilze schwächen die Pflanzen und können zu erheblichen Ertragsverlusten führen. Leider zeichnet sich bereits ab, dass die veränderten klimatischen Bedingungen die Ausbreitung von Rostpilzen in den gemäßigten Breiten weiter begünstigen.

Pflanzenforschung.de: Und was können Sie dagegen machen?

Iris Hoffie: Der effektivste und umweltfreundlichste Weg zur Bekämpfung dieser Pilze sind resistente Sorten. Die Pflanzen können sich also selbst gegen die Pilze wehren und so kommen auch weniger Pestizide zum Einsatz.

In meinem Projekt geht es um Gersten- und Weizenlinien, die dauerhaft gegen verschiedene Pilzkrankheiten resistent gemacht werden sollen. Wir arbeiten dabei mit einem bereits vom Weizen bekannten Resistenzgen. Es trägt den Namen Lr67res und ist eine bestimmte Variante des Zuckertransporter-Gens TaSTP13-D. Die Variante ermöglicht eine universelle und stabile Wirksamkeit gegen Schwarz-, Braun- und Gelbrost sowie Mehltau.

Pflanzenforschung.de: Wie kann denn ein veränderter Zuckertransporter zu Pilz-resistenten Pflanzen führen?

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Die Pflanzenforscherin Iris Hoffie bei ihrer Arbeit im Labor am IPK Gatersleben.

Die Pflanzenforscherin Iris Hoffie bei ihrer Arbeit im Labor am IPK Gatersleben.

Bildquelle: © Robert Hoffie

Iris Hoffie: Ehrlich gesagt ist der Mechanismus hinter der Resistenz noch nicht vollständig verstanden. Aber was wir bereits wissen: Durch den Austausch eines einzigen genetischen Buchstabens im Gen enthält der Zuckertransporter eine andere Aminosäure. Es wird angenommen, dass dadurch weniger Zucker vom Zellzwischenraum in die Zelle transportiert wird. Von genau diesem Zucker ernähren sich aber nach einer Infektion die Pilze. Durch den gehemmten Zuckertransport bekommen sie nicht genug Nahrung und können sich nicht so schnell in der Pflanze ausbreiten. So hat die Pflanze mehr Zeit, um weitere Abwehrmaßnahmen einzuleiten.

Die Gen-Variante Lr67res ist somit für eine sogenannte partielle Resistenz verantwortlich. Das heißt, die Pflanzen können zwar befallen werden, aber das Schadbild ist deutlich geringer als bei ungeschützten Pflanzen. Solche partiellen Resistenzen sind meist dauerhaft – sprich, die Pilze können sich nicht gut an diesen Abwehrmechanismus anpassen – und wirken zugleich gegen mehrere Arten von Krankheitserregern.

Leider kann das Resistenzgen mit den klassischen Methoden der Pflanzenzüchtung, also hier der Kreuzungszüchtung, nicht genutzt werden.

Pflanzenforschung.de: Warum nicht?

Iris Hoffie: Weil sich bei den pilzresistenten Weizensorten auf dem gleichen Chromosom sowohl das Resistenzgen Lr67res als auch ein unerwünschtes Gen befinden. Und zwar in direkter Nachbarschaft. Dieses Gen ist verantwortlich für einen zu hohen Wuchs des Weizens – dadurch knicken die Halme schnell bei Unwettern oder bei der maschinellen Bearbeitung. Und die Krux bei eng benachbarten Genen ist, dass sie immer gemeinsam vererbt werden, wir nennen das gekoppelt vererbt. Es gibt also bei Kreuzungen keine Nachkommen, die resistent sind und gleichzeitig die gewünschten kurzen Halme haben. Immer nur lange Halme – also langstrohiger Weizen, der für den Anbau ungeeignet ist.

Wir möchten deshalb die Genschere CRISPR/Cas9 nutzen, um das Zuckertransporter-Gen in niedrigwüchsigen Sorten punktgenau umzuprogrammieren – in das Resistenzgen Lr67res. Die Veränderung des Getreidegenoms ist allerdings gar nicht so einfach.

Pflanzenforschung.de: Wo liegt die Schwierigkeit?

Iris Hoffie: Die gentechnische Veränderung von Getreide, insbesondere von Weizen, ist sehr anspruchsvoll. Die nötigen Werkzeuge wie die Genschere lassen sich nur schwierig in solche Zellen des Weizens einschleusen, aus denen anschließend wieder ganze Pflanzen regeneriert werden können.

Aber unsere Arbeitsgruppe – das ist die Pflanzliche Reproduktionsbiologie unter Leitung von Jochen Kumlehn – hat glücklicherweise schon viel Erfahrung damit und wir unterstützen uns im Team gegenseitig. Trotz aller Schwierigkeiten haben wir jetzt schon erfolgreich Weizen- und Gerstenmutanten für mein Projekt erzeugt.

Pflanzenforschung.de: Neue Züchtungstechnologien wie die von Ihnen verwendete Genschere CRISPR/Cas9 sind gerade wieder in aller Munde. Woran liegt das?             

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Bei der Genomeditierung können präzise einzelne Basen in der Sequenz der DNA verändert werden. Symbolbild.

Bei der Genomeditierung können präzise einzelne Basen in der Sequenz der DNA verändert werden. Symbolbild.

Bildquelle: © swiftsciencewriting / Pixabay

Iris Hoffie: Generell hat die Debatte um die Grüne Gentechnik in den letzten Jahren wieder an Fahrt gewonnen. Zum einen wegen neuer Techniken wie der Genschere CRISPR/Cas9, zum anderen aber auch, weil sich junge Forschende in die Debatte einbringen und versuchen, die Öffentlichkeit sachlich und fundiert über ihre Arbeit zu informieren. Die neuen Züchtungstechniken haben das Potenzial, die Pflanzenzucht enorm zu beschleunigen und zu präzisieren. Dennoch muss auch immer wieder betont werden, dass die neuen Techniken nur eine Ergänzung des Werkzeugkastens der Pflanzenzüchtung sind und die herkömmlichen Methoden nicht ersetzen.

Ganz aktuell ist jetzt die Debatte um eine angepasste Regulierung von neuen Züchtungstechnologien wie Genom-Editierung. Der Umgang mit gentechnisch veränderten Organismen, also sogenannte GVOs, ist in der EU in einer Richtlinie festgehalten, die zuletzt im Jahr 2001 überarbeitet wurde. Das heißt: vor mehr als 20 Jahren! Damals gab es diese neuen Technologien noch gar nicht. Aus wissenschaftlicher Sicht ist eine Überarbeitung des Gentechnikgesetzes dringend notwendig. Deshalb begrüße ich sehr, dass die EU-Kommission im Juli einen Vorschlag zur Deregulierung von genomeditierten Pflanzen gemacht hat. In dem Vorschlag finden sich viele Hinweise aus der Wissenschaft wieder, auch von unserem Institut.

Pflanzenforschung.de: Wie stehen Sie selbst zur Regulierung von genomeditierten Pflanzen?

Iris Hoffie: Aus über 30 Jahren Risikoforschung ist bekannt, dass GVOs nicht gefährlicher sind oder ein größeres Risiko bergen als klassisch gezüchtete Pflanzen. Darüber hinaus lassen sich genomeditierte Pflanzen in den meisten Fällen nicht von klassisch gezüchteten Pflanzen unterscheiden, da in der Regel nur kleine Punktmutationen induziert werden, die auch spontan hätten entstehen können. Deshalb ist auch das Risikopotential genauso gering oder sogar geringer wie bei herkömmlicher Züchtung. .

Wünschenswert finde ich daher eine produkt- und nicht eine prozessbasierte Beurteilung. Das heißt, die Eigenschaften der Pflanze und nicht die Art ihrer Herstellung sollten im Fokus stehen. Zudem würde ich mir wünschen, wenn die Debatte faktenbasiert geführt würde. Dafür müssen wir Forschende auch besser kommunizieren.

Pflanzenforschung.de: Neben Ihrer Promotion haben Sie sich für ein besseres Verständnis von Pflanzenforschung bei Schülerinnen und Schülern engagiert. Worum ging es in den Projekten?

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Bei den Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY lernte Iris Hoffie (vorne rechts) unter anderem Pflanzenzuchtunternehmen kennen.

Bei den Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY lernte Iris Hoffie (vorne rechts) unter anderem Pflanzenzuchtunternehmen kennen.

Bildquelle: © M. Arlt / PLANT 2030

Iris Hoffie: Das Online-Mentoringprogramm CyberMentor hatte mich gefragt, ob ich ein Jahr lang Mentorin werden wolle – für eine Schülerin, die sich für MINT-Fächer und speziell für Naturwissenschaften interessiert. Wir haben uns regelmäßig online ausgetauscht und sogar gemeinsame Experimente per Video-Meeting durchgeführt, zum Beispiel die DNA-Extraktion aus verschiedenen Obst- und Gemüsearten in der Küche. Weil mir diese Tätigkeit so viel Spaß gemacht hat, habe ich dann im Grünen Labor Gatersleben angefangen – im Projekt Fabunity, das vom Bundesforschungsministerium gefördert wird. Dort haben wir Experimente und Workshop-Konzepte für Schülerinnen und Schüler entwickelt. Leider fehlt mir heute dazu die Zeit, denn nach meiner Doktorarbeit habe ich eine herausfordernde Postdoc-Stelle angetreten.

Ich fand es total bereichernd, meine Faszination für Pflanzen und Pflanzenforschung an andere weiterzugeben. Dieser Austausch hat auch meinen Horizont erweitert. Daher kann ich nur alle Forschende ermutigen, sich an CyberMentor oder ähnliche Programme zu wenden. Oder einfach in der Schule vor Ort nachzufragen, ob an einer Zusammenarbeit Interesse besteht. Es macht riesigen Spaß und hilft, unsere Forschung für andere verständlich zu machen.

Pflanzenforschung.de: Nutzen Sie auch selbst Angebote zur Weiterbildung und zum Austausch?

Iris Hoffie: Ja, auf jeden Fall. Ich nehme gern an solchen Angeboten teil, zum Beispiel bei der PLANT 2030 ACADEMY. Bei den Workshops kann man gut Kontakte knüpfen, bekommt Ideen, wie man seine weitere Karriere planen kann und lernt natürlich viel dazu. Besonders gut haben mir die Exkursionen zu Pflanzenzuchtunternehmen gefallen. Normalerweise bekommt man nicht die Möglichkeit, hier mal reinzuschauen und die praktische Arbeit in den Unternehmen kennenzulernen. Und man kriegt ein besseres Gefühl, vor welchen Herausforderungen die Pflanzenzüchtung aktuell steht.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!