„Ich mag den Freiraum in der Wissenschaft“

Interview mit Stefan Steckenborn

09.06.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Stefan Steckenborn ist auch nach seiner Promotion der akademischen Forschung treu geblieben. (Bildquelle: © S. Steckenborn)

Stefan Steckenborn ist auch nach seiner Promotion der akademischen Forschung treu geblieben. (Bildquelle: © S. Steckenborn)

Der Postdoktorand Stefan Steckenborn brennt für sein Forschungsthema: die pflanzliche Zellteilung. Dafür hat er inmitten der Corona-Pandemie einen neuen Job in einer neuen Stadt angefangen.

Im Interview erklärt Stefan Steckenborn, warum er in der akademischen Forschung geblieben ist und wie er zu seiner neuen Stelle gekommen ist.

Pflanzenforschung.de: Sie haben gerade Ihre Promotion abgeschlossen und arbeiten seit kurzem als Postdoc am Max-Planck-Institut für Pflanzenzüchtungsforschung. Herzlichen Glückwünsch! Wieso sind Sie der akademischen Forschung treu geblieben und haben sich keinen Job in der Industrie gesucht?

Stefan Steckenborn: Mich motiviert hauptsächlich das Thema meines Forschungsprojekts. Darüber hinaus finde ich es toll, Kooperationen eingehen zu können und einen großen Gestaltungsfreiraum zu haben: Ich kann hier meine Zeit selbst einteilen und die Ausrichtung meiner Forschung in hohem Maße selbst planen.

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Der Pflanzenforscher Stefan Steckenborn untersucht die Modellpflanze Rhynchospora pubera, bei der die Chromosomen anders als bei den meisten Lebewesen aufgebaut sind.

Der Pflanzenforscher Stefan Steckenborn untersucht die Modellpflanze Rhynchospora pubera, bei der die Chromosomen anders als bei den meisten Lebewesen aufgebaut sind.

Bildquelle: © S. Steckenborn

Pflanzenforschung.de: Woran arbeiten Sie jetzt?

Stefan Steckenborn: Ich werde mit einer spannenden Modellpflanze, der Rhynchospora pubera, arbeiten. Sie gehört zur Gattung der Schnabelriede, die in Südamerika heimisch ist.

Diese Pflanze hat ganz besondere Chromosomen, die wir als „holozentrische Chromosomen“ bezeichnen. Die meisten Pflanzenarten und andere Organismen haben nur Chromosomen mit jeweils einem Zentromer. Sie sind Verbindungsstellen im Chromosom und spielen unter anderem bei Zellteilungen eine wichtige Rolle. Rhynchospora pubera hat aber viele Zentromere, die entlang jedes Chromosoms verteilt sind. In unserem Projekt untersuchen wir vor allem, wie das die Trennung und Rekombination der Chromosomen während der Meiose beeinflusst.

Eine besondere Herausforderung ist im Moment, dass wir die standardmäßigen Protokolle und Methoden für die Experimente nicht ohne weiteres auf diese neue Modellpflanze anwenden können. Beispielsweise möchten wir die Genschere CRISPR-Cas verwenden, um Mutationen in einem interessanten Gen zu erzeugen. Dafür müssen wir aber noch ein angepasstes Protokoll für die genetische Transformation der Pflanze entwickeln.

Pflanzenforschung.de: Hat Ihr aktuelles Projektthema einen Bezug zu Ihrer Promotion?

Stefan Steckenborn: Es ist im Prinzip das gleiche Forschungsgebiet: die pflanzliche Meiose, also die Zellteilung, durch die die Keimzellen entstehen. So kann ich meine Erfahrungen und viele der Techniken, die ich mir während meiner Promotion angeeignet habe, auch jetzt am MPI in Köln nutzen.

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Die Chromosomen der meisten Lebewesen haben monozentrische Chromosomen (oben links) die Pflanze R. pubera aber holozentrische (unten links). Das könnte die Kernteilung (Mitte und rechts) beeinflussen.

Die Chromosomen der meisten Lebewesen haben monozentrische Chromosomen (oben links) die Pflanze R. pubera aber holozentrische (unten links). Das könnte die Kernteilung (Mitte und rechts) beeinflussen.

Bildquelle: Abbildung verändert; Original von S. Steckenborn

Pflanzenforschung.de: Gibt es sonst noch etwas, was Sie als Erfahrung aus Ihrer Doktorandenzeit mitbringen?

Stefan Steckenborn: Ja, vor allem ein gutes Zeitmanagement und zu wissen, wie man sich selbst motivieren kann. Aber auch wie man ordentlich seine Arbeit präsentiert oder mit Kritik konstruktiv umgehen kann.

Pflanzenforschung.de: Wie lief die Bewerbung für den neuen Job?

Stefan Steckenborn: Der Bewerbungsprozess an sich war unkompliziert: Ich habe die Online-Ausschreibung gefunden, mich beworben und ein Online-Interview mit Dr. André Marques bekommen. Später habe ich der gesamten Arbeitsgruppe meine Doktorarbeit und meine Ideen für das neue Projekt vorgestellt.

Dr. Marques kannte ich schon beziehungsweise er mich. Wir haben uns zum ersten Mal auf einer Tagung am Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben getroffen, später auch bei anderen Veranstaltungen, bei denen ich meine Arbeit vorgestellt habe. Und mein Doktorvater Dr. Stefan Heckmann kennt ihn ebenfalls sehr gut. Ein gutes Networking ist wohl immer wichtig: für die eigene Forschungsarbeit und auch für die Jobsuche.

Pflanzenforschung.de: Neuer Job, neue Stadt, neues Institut – und das inmitten der COVID-19-Pandemie. War der Neustart dadurch kompliziert?

Stefan Steckenborn: Ich hatte einige Schwierigkeiten mit den COVID-Vorschriften. Als Ausländer ist es nicht immer einfach zu verstehen, welche der „G-Regeln“ (2G, 2G+, 3G) in den verschiedenen Bundesländern oder für eine bestimmte Aktivität gerade gelten. Aber ich denke, dass sich auch manch Einheimischer damit schwer getan hat. Die Regeln am MPI sind jedoch vergleichbar mit denen am alten Arbeitsplatz. So konnte ich mich auf meinen Umzug und auf die neue Arbeit konzentrieren.

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In der PLANT 2030 ACADEMY finden unter anderem Exkursionen statt. Am Besuch des Bundessortenamts nahm auch Stefan Steckenborn (1. v. r.) teil.

In der PLANT 2030 ACADEMY finden unter anderem Exkursionen statt. Am Besuch des Bundessortenamts nahm auch Stefan Steckenborn (1. v. r.) teil.

Bildquelle: © M. Arlt/PLANT 2030

Pflanzenforschung.de: Wie beurteilen Sie die Situation junger Pflanzenforschender in Deutschland?

Stefan Steckenborn: Ich habe vermutlich die gleichen Sorgen wie die meisten andern Nachwuchsforschenden: Die Kurzzeitverträge zwingen uns, häufig an andere Orte zu wechseln, um einen Job zu bekommen. Nach spätestens zwölf Jahren befristeter Anstellungen darf man nicht mehr weiterarbeiten, wenn man nicht eine der wenigen unbefristeten Positionen ergattern konnte. Das bringt einen in eine schwierige Situation, gerade wenn einem die akademische Forschung liegt und man gerne dort weiterarbeiten möchte.

Pflanzenforschung.de: Sie waren auch Teilnehmer der PLANT 2030 ACADEMY. Was haben Sie da „mitnehmen“ können?

Stefan Steckenborn: Ich fand die Summer Schools und die Online-Kurse toll. Da habe ich viel Neues gelernt, das man in seinem Forschungsalltag einfach gut gebrauchen kann. Sehr interessant waren auch die Exkursionen zu Unternehmen. Da habe ich auch andere Berufsperspektiven kennengelernt. Aber entschieden habe ich mich jetzt erst einmal für den akademischen Forschungsbereich.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!


Titelbild: Stefan Steckenborn ist auch nach seiner Promotion der akademischen Forschung treu geblieben. (Bildquelle: © S. Steckenborn)