„In verschiedenen Ländern zu forschen hat mich sehr weitergebracht“

Interview mit Mohammad Ayoub

30.05.2022 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Für den Doktoranden Mohammad Ayoub sind Austausch und Mobilität zentrale Elemente erfolgreicher Forschung. (Bildquelle: © Hesham Gibriel)

Für den Doktoranden Mohammad Ayoub sind Austausch und Mobilität zentrale Elemente erfolgreicher Forschung. (Bildquelle: © Hesham Gibriel)

Diversität durch Austausch – dieses Motto passt sowohl zur Forschung als auch zum Werdegang von Mohammad Ayoub. Nach Stationen in Ägypten und den Niederlanden schließt er nun seine Promotion am IPK Gatersleben ab.

Im Interview erläutert er, warum genetischer Austausch für die Weiterentwicklung von Nutzpflanzen wichtig ist und wie der wissenschaftliche und private Austausch ihn selbst bereichert hat.

Pflanzenforschung.de: Herr Ayoub, Sie stehen kurz vorm Abschluss Ihrer Promotion. Viele Promovierende empfinden diese Phase wie einen Sprint nach einem spannenden, aber anstrengenden Marathon. Wie fühlt es sich für Sie an? Wie schaffen Sie es, den Überblick zu behalten?

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Bei der Meiose tauschen Chromosomen durch „Crossing Over“ Teile des Erbguts aus. Diese Art der Rekombination erhöht die genetische Diversität unter den Nachkommen.

Bei der Meiose tauschen Chromosomen durch „Crossing Over“ Teile des Erbguts aus. Diese Art der Rekombination erhöht die genetische Diversität unter den Nachkommen.

Bildquelle: © LadyofHats/wikimedia.org/public domain

Mohammad Ayoub: Das stimmt. Ich finde die Doktorarbeit ist wie eine lange Lernreise. Selbst wenn man beim Zusammenschreiben ist, lernt man neue Dinge dazu. Ich sehe das wie viele andere mit gemischten Gefühlen: manchmal macht es Spaß und manchmal ist es anstrengend. Am Ende ist es ein tolles Gefühl, wenn ich ein langes Kapitel endlich abgeschlossen habe.

Pflanzenforschung.de: Sie haben an dem Projekt HERBY gearbeitet. Worum ging es dabei?

Mohammad Ayoub: Grundsätzlich geht es um „Sex“ bei Pflanzen. Pflanzen vermehren sich wie wir über Keimzellen, die sie durch eine bestimmte Zellteilung namens Meiose bilden. Die Meiose ist sehr wichtig. Sie sorgt dafür, dass die Nachkommen die gleiche Anzahl an Chromosomen haben wie die Eltern, und nicht etwa doppelt so viele.

Außerdem erhalten die Nachkommen durch die Meiose unterschiedliche Teile des Erbguts. Sie erhöht also die genetische Vielfalt unter den Nachkommen. Die meiotische Rekombination ist aber bei vielen Nutzpflanzen auf bestimmte Regionen im Erbgut beschränkt. Dadurch kann in der Pflanzenzüchtung nicht das ganze genetische Potenzial genutzt werden. Wir untersuchen daher die Meiose mit dem Ziel, die genetische Vielfalt zu erhöhen und so bessere Nutzpflanzen züchten zu können.

Pflanzenforschung.de: Was sind die größten Herausforderungen bei Ihrer Arbeit?

Mohammad Ayoub: Wir arbeiten an Gerste, da braucht man einen langen Atem. Gerste muss etwa ein halbes Jahr wachsen, bis man Samen ernten kann. Wenn für Experimente mutierte Pflanzen erzeugt werden müssen, dauert das ungefähr ein Jahr. Zudem ist das Genom der Gerste sehr groß und komplex, was molekularbiologische Arbeiten erschwert. Das große Erbgut hat aber auch ein paar Vorteile: Zellbiologische Untersuchungen wie zum Beispiel die Visualisierung bestimmter DNA-Abschnitte oder Proteine gehen leichter.

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Mehr als die Hälfte seiner Promotion verbrachte Mohammad Ayoub am Fluoreszenzmikroskop, um markierte Proteine in Keimbahnzellen der Gerste zu visualisieren.

Mehr als die Hälfte seiner Promotion verbrachte Mohammad Ayoub am Fluoreszenzmikroskop, um markierte Proteine in Keimbahnzellen der Gerste zu visualisieren.

Bildquelle: © Hanaa Ibrahim

Mit die größten Herausforderungen in den letzten zwei Jahren waren aber die strengen Vorschriften im Umgang mit der Corona-Pandemie. Es war nicht einfach, von zu Hause aus zu arbeiten oder nur mit einer begrenzten Anzahl von Personen in Labor und Büro. Alle waren jedoch sehr flexibel und kooperativ, so dass wir es geschafft haben, unsere Arbeit unter Einhaltung aller Sicherheitsvorschriften zu erledigen.

Pflanzenforschung.de: Zu welchen Ergebnissen sind Sie gekommen?

Mohammad Ayoub: Wir konnten einige interessante Gerstenpflanzen isolieren. Bei ihnen sind Gene verändert, die vermutlich für die meiotische Rekombination wichtig sind. Das untersucht mein Team gerade noch genauer.

Ich bin stolz auf die Ergebnisse meiner Promotion. Ich habe ein Buchkapitel mitverfasst, einen Forschungsartikel in Zusammenarbeit mit britischen Forschenden, einen weiteren Artikel aus unserem Labor und ein Protokoll-Paper. Zwei weitere Manuskripte mit mir als Erstautor werden hoffentlich bald zur Veröffentlichung eingereicht.

Pflanzenforschung.de: Sie haben während Ihrer Karriere in einigen Ländern studiert und gearbeitet. Wie beurteilen Sie die Forschungsbedingungen in den verschiedenen Ländern?

Mohammad Ayoub: Ich bin in Ägypten aufgewachsen und habe meinen Bachelor in Biotechnologie an der Universität Kairo abgeschlossen. Danach wollte ich mich weiterentwickeln. Ich konnte meinen Master an der Universität Utrecht in den Niederlanden machen und in gut ausgestatteten Labors forschen. Nach verschiedenen Laborpraktika im Bereich Zellteilung habe ich mich für eine Promotion am IPK Gatersleben entschieden.

Ich sehe da keine großen Unterschiede zwischen Deutschland und den Niederlanden. Beide Länder haben sehr gute Einrichtungen, bieten Unterstützung und ein angenehmes Arbeitsumfeld. Auf der anderen Seite gibt es in Ägypten nur unzureichende finanzielle Unterstützung und viel Bürokratie, auch wenn es sich in den letzten Jahren leicht verbessert hat. Ich sehe jedoch talentierte, leidenschaftliche und hart arbeitende Studierende und Forschende, die ihr Bestes geben, um diese Hürden in Ägypten zu überwinden.

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Die Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY verknüpfen Theorie und Praxis. Hier nahm Mohammad Ayoub (vorne links) an einer Exkursion teil.

Die Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY verknüpfen Theorie und Praxis. Hier nahm Mohammad Ayoub (vorne links) an einer Exkursion teil.

Bildquelle: © M. Arlt/PLANT 2030

Darüber hinaus konzentrieren sich die meisten Forschenden in Ägypten auf angewandte Projekte und versuchen, schnelle Lösungen für aktuelle nationale und globale Herausforderungen zu finden. Nur wenige ägyptische Labors befassen sich mit Grundlagenforschung. Das ist in Europa anders. Hier haben beide Forschungsbereiche ihren festen Platz.

Pflanzenforschung.de: Wie haben sich ihre Forschungsaufenthalte in Europa auf Ihre berufliche und persönliche Entwicklung ausgewirkt?

Mohammad Ayoub: Das war für mich alles sehr positiv. Ich habe viel gelernt – in meinem wissenschaftlichen Fach, wie man kritisch denkt und Probleme löst. Aber auch persönlich. Ich kam mit so vielen unterschiedlichen Menschen zusammen, da lernt man miteinander gut umzugehen. Das gab es in meiner Heimatstadt in Ägypten nicht. Außerdem konnte ich als Doktorand an internationalen Konferenzen teilnehmen, um meine Arbeit vorzustellen und Forschende aus der ganzen Welt zu treffen.

Pflanzenforschung.de: Sie haben auch die Gelegenheit genutzt, sich an den Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY zu beteiligen. Welche Aktivitäten fanden Sie am besten?

Mohammad Ayoub: Ich habe an Summer Schools, Online-Kursen und Exkursionen der PLANT 2030 ACADEMY teilgenommen. Und an den jährlichen Statusseminaren in Potsdam. Ich fand insbesondere die Online-Kurse toll, aber auch die Summer Schools waren eine super Erfahrung: Fachleute aus den unterschiedlichsten Bereichen treffen, beispielsweise aus der Agrarindustrie und Wissenschaft. Es ging aber nicht nur um rein Fachliches, sondern auch um die wichtigen Soft-Skills. Das hat mich sehr weitergebracht und ich habe viele Promovierende aus ganz Deutschland kennengerlernt. Der Aufbau eines wissenschaftlichen Netzwerks ist absolut notwendig, und das hat uns PLANT 2030 geboten.

Denn eine Promotion zu machen bedeutet nicht nur, in der Wissenschaft Leistung zu bringen. Der Austausch mit anderen Menschen ist mir mindestens genauso wichtig. Das hilft, um sich beruflich und persönlich weiterzuentwickeln.

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Ein wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen ist für Mohammad Ayoub ein zentraler Baustein für erfolgreiche Forschung.

Ein wissenschaftliches Netzwerk aufzubauen ist für Mohammad Ayoub ein zentraler Baustein für erfolgreiche Forschung.

Bildquelle: © M. Arlt/PLANT 2030

Pflanzenforschung.de: Wie würden Sie die Situation für junge Pflanzenforschende in Deutschland beschreiben? Was könnte hilfreich sein, um ihre Situation zu verbessern?

Mohammad Ayoub: Ich glaube, dass Deutschland schon großartige Arbeit leistet, um talentierte Menschen für ein Studium an seinen Universitäten und Forschungsinstituten zu gewinnen. Ein Hauptproblem sind jedoch die befristeten Verträge während der Promotion. Oft gibt es höchstens Dreijahresverträge. In den Niederlanden dagegen dauert der übliche Vertrag zunächst vier Jahre, und die meisten bekommen im Anschluss noch ein oder zwei Jahre, um ihre Dissertation fertigzustellen.

Eine große Herausforderung für frisch Promovierte in Deutschland – aber auch in vielen anderen Ländern – sind die begrenzten Postdoc-Stellen und Professuren. Das bedeutet viel Stress für diejenigen, die in der Wissenschaft bleiben wollen. Ich hoffe, dass die Menschen in Entscheidungspositionen diese Probleme angehen.

Pflanzenforschung.de: Haben Sie schon Pläne für die Zukunft?

Mohammad Ayoub: Ich plane, in der Wissenschaft zu bleiben, entweder hier in Deutschland oder in Ägypten. Ich unterrichte auch leidenschaftlich gern und habe bereits vor meinem Auslandsstudium Lehrerfahrung an der Universität Kairo gesammelt. Ich finde es toll, mit brillanten jungen Köpfen zu arbeiten. Auf jeden Fall möchte ich mit meiner Arbeit dazu beitragen, unser Wissen zu erweitern und so mitzuhelfen, Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

Pflanzenforschung.de: Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!


Titelbild: Für den Doktoranden Mohammad Ayoub sind Austausch und Mobilität zentrale Elemente erfolgreicher Forschung. (Bildquelle: © Hesham Gibriel)