„Diversity matters!” – bei Menschen und Pflanzen
Interview mit Nina Bziuk
Pflanzen leiden ebenso unter Stress wie wir Menschen. Nina Bziuk erforscht im Projekt PrimedPlant, wie Mikroorganismen Pflanzen helfen, mit Stress umzugehen – und zeigt, wie wichtig eine hohe Diversität auch im Boden ist.
Im Interview erläutert Nina Bziuk nicht nur das spannende Zusammenspiel von Pflanzen und Mikroorganismen, sondern verrät auch, wie sie sich selbst gegen Stress wappnet.
Pflanzenforschung.de: Ein vielfältiges Mikrobiom im Boden soll den chemischen Pflanzenschutz weitgehend ersetzen. Das klingt nach einem tollen Ziel!
Nina Bziuk: Ja, das ist es auch. Mit unserem Forschungsprojekt wollen wir Getreidepflanzen – in unserem Fall Gerste – besser vor Krankheitserregern schützen. Dafür sollen natürlich vorkommende Mikroorganismen im Boden sorgen, also ein rein biologischer Ansatz. Einige meiner Projektpartner schauen sich dabei einzelne Mikroorganismen an und nutzen deren spezielle Eigenschaften.
Ich hingegen untersuche die Gesamtheit aller Mikroorganismen, also das Mikrobiom. Ich versuche herauszufinden, was genau am Mikrobiom wichtig ist, damit unsere Pflanzen gesünder sein können.
Pflanzenforschung.de: Sind da bestimmte Mikroorganismen wichtig oder eher die Diversität allgemein?
Nina Bziuk: Das ist eine sehr gute Frage, die tatsächlich nicht so einfach zu beantworten ist. Es gibt sehr viele Theorien zu diesem Thema und noch keine klaren Antworten. Wir forschen viel an bestimmten Mikroorganismen, die bekanntermaßen pflanzennützliche Eigenschaften besitzen. Diese Mikroorganismen könnten wir in der Landwirtschaft direkt einsetzen, um die Pflanzengesundheit zu verbessern. Entweder stimulieren oder verstärken diese Organismen Resistenz-Antworten in der Pflanze oder sie wirken sogar direkt gegen Pathogene.
Basierend auf meinen Studien denke ich jedoch, dass eine hohe Diversität des Mikrobioms, also ein möglichst breites Spektrum von Mikroorganismen, ebenfalls sehr entscheidend für die Pflanzengesundheit ist. Man könnte sagen, dass die Pflanzen dann eine größere Auswahl an natürlich vorkommenden Mikroorganismen haben, um sich gegen Stress zu wappnen.
Pflanzenforschung.de: Wie reizen die Mikroorganismen die Pflanzen? Und reagieren alle Pflanzen gleich?
Nina Bziuk: Die Mikroorganismen können ganz unterschiedliche pflanzennützliche Eigenschaften besitzen. Viele Mikroorganismen stellen bestimmte chemische Stoffe her, die Sekundärmetabolite. Sie werden von der Pflanzenwurzel wahrgenommen und können den Hormonhaushalt von Pflanzen verändern oder die Nährstoffaufnahme verbessern.
In unserem Projekt arbeiten wir zum Beispiel viel mit dem Bakterium Ensifer meliloti. Es stellt kleine Moleküle her, die eigentlich zur Kommunikation zwischen den Bakterien wichtig sind. Diese Botenstoffe können die Pflanzen aber auch in eine Art frühen „Alarm-Zustand“ versetzen. Tritt dann später tatsächlich Stress auf – beispielsweise weil ein Krankheitserreger versucht eine Pflanze zu infizieren – dann ist sie auf diese Situation besser vorbereitet.
Es kommt immer auf das große Ganze an, also auf das System von Mikroorganismen und Pflanzen. Pflanzen können dabei teilweise sehr ähnlich, aber auch ganz unterschiedlich auf die Mikroorganismen reagieren. In unserem Projekt haben wir sogar herausgefunden, dass verschiedene Genotypen der gleichen Art ganz anders auf ein und dasselbe Bakterium reagieren können.
Pflanzenforschung.de: Was haben Sie mit Ihrem Team außerdem herausgefunden?
Nina Bziuk: In meiner Doktorarbeit habe ich mich hauptsächlich mit dem Mikrobiom der Gerstensamen beschäftigt. Es hat sich gezeigt, dass die Diversität des Mikrobioms stark vom Genotyp der Pflanzen abhängig ist. Zudem waren wir in der Lage, einzelne Bakterienstämme aus Gerstensamen zu isolieren, die dann zumindest unter Laborbedingungen pflanzennützliche Eigenschaften zeigten. Das ist toll, da wir so die Struktur des Samenmikrobioms mit den Eigenschaften der isolierten Bakterien verknüpfen können. Ich nenne es gerne den „Schatz im Gerstensamen“.
In einer anderen Studie haben wir ebenfalls etwas sehr Faszinierendes entdeckt: Gerste, die in einem Feldboden angezogen wurde, war deutlich weniger anfällig gegenüber Mehltau als Gerste in einer Standardtopferde.
Nachdem wir das Mikrobiom des Feldbodens auf unsere Standardtopferde übertragen hatten, stieg auch hier die Widerstandsfähigkeit der Pflanzen gegenüber Mehltau. Woran das genau liegt? Nun, als wir uns das Mikrobiom-Transplantat genauer anschauten, entdeckten wir, dass es eine deutlich höhere mikrobielle Diversität hat als Standardtopferde. Wir konnten zeigen, dass genau das wichtig ist. Also: „Diversity matters“!
Pflanzenforschung.de: Auch bei Menschen wird es ja immer deutlicher, dass wir ein ausgewogenes Mikrobiom brauchen, zum Beispiel im Darm oder auf der Haut. Wie lang weiß man das schon bei Pflanzen?
Nina Bziuk: Dieses Phänomen ist durchaus schon seit langer Zeit bekannt und wird viel diskutiert. Vor allem in den letzten Jahren stößt es auch in der allgemeinen Öffentlichkeit auf immer mehr Interesse. Zum Beispiel gibt es seit einigen Jahren den Ansatz „One Health“. Dieser beschreibt den Zusammenhang zwischen der Gesundheit von Umwelt, Menschen und Tieren. Ich denke, wir müssen ein Verständnis dafür entwickeln, dass die Pflanze nicht alleine steht, sondern dass es eine Gesamtheit mit sehr vielen Wechselwirkungen gibt. Im Endeffekt betrifft das auch uns Menschen.
Pflanzenforschung.de: Wie lange wird es dauern, bis optimierte Mikrobiome auch in der Landwirtschaft praktisch eingesetzt werden?
Nina Bziuk: Die Forderung nach einer hohen mikrobiellen Diversität in landwirtschaftlichen Böden ist bereits jetzt schon vorhanden. Das muss nur noch umgesetzt werden. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es gerade eine neue Richtlinie der EU, die Biodiversität in der Landwirtschaft fördern will. Dazu gehört zum Beispiel Agroforstwirtschaft, reduziertes Pflügen und der Anbau von Zwischenfrüchten. All dies kann die landwirtschaftlichen Böden in ihrer mikrobiellen Diversität auf eine positive Weise stark beeinflussen.
Pflanzenforschung.de: Seit Sie sich in der Forschung viel mit Stress beschäftigen, hat sich da bei Ihnen auch der Blick auf Stress im eigenen Alltag geändert?
Nina Bziuk: (lacht) Eine gesunde Ernährung und tägliche Herausforderungen machen uns stärker! Aber ganz im Ernst – als Nachwuchswissenschaftlerin ist man oft einem hohen Erfolgs- und Erwartungsdruck ausgesetzt. Das variiert natürlich je nach den Vorgaben von Arbeitgeber beziehungsweise Universität.
Generell ist allerdings meine Beobachtung, dass in einigen Fällen die Quantität von Publikationen präferiert wird, im Vergleich zur Qualität. Der Publikationsdruck ist schon arg hoch und die Finanzierung der Arbeiten nicht immer ideal. Und Publikationen sind oft maßgeblich für die weitere wissenschaftliche Karriere. Ich schätze mich unfassbar glücklich, dass ich immer eine gute Unterstützung erfahren habe und auch ausreichend finanziert wurde, um meine Ziele zu erreichen. Für die Zukunft wünsche ich mir gute Perspektiven für eine dauerhafte wissenschaftliche Karriere.
Pflanzenforschung.de: Wie wappnen Sie sich gegen zu viel Stress?
Nina Bziuk: Auch hier passt vielleicht „diversity matters“. Ich denke, dass ein guter Ausgleich für Stress sehr wichtig ist. Mir persönlich hilft es immer sehr, in guter Gesellschaft zu sein, mich mit Freunden und Kollegen auszutauschen. Genauso gerne bin ich aber auch in meinem kleinen Garten, wo ich mich voll und ganz austoben kann. Ansonsten gehe ich noch tanzen und liebe Handwerk. Natürlich ist neben einer Promotion nicht unendlich viel Platz für viele andere Aktivitäten. Aber die Abwechslung hilft mir, den Kopf frei zu kriegen und kreativ zu sein – das hilft mir dann auch bei meiner Forschung.
Pflanzenforschung.de: Das ist also ihr Erfolgsgeheimnis, um „in Balance“ zu bleiben?
Nina Bziuk: Nun, der Erfolgsdruck ist sehr hoch. Man muss aber nicht alles alleine meistern. Bei uns gibt es verschiedene Aktivitäten für PhDs und junge PostDocs, wo wir uns zum Beispiel abends gemeinsam treffen und uns in Ruhe über alles Mögliche austauschen können. Sowas kann ich allen jungen Forschenden nur empfehlen. Dabei wird man nämlich herausfinden, dass man mit seinen Problemen gar nicht so alleine ist. Die schwierigen Phasen machen wir alle durch, und mir hat es sehr gutgetan, wenn jemand da war, der genau wusste, wovon ich sprach und gute Tipps geben konnte.
Es ist auch sehr schön, wenn man selbst plötzlich diejenige ist, die diese Tipps gibt. Das zeigt einem, wie viel man schon erreicht hat. Zum Beispiel hatten wir auch den einen oder anderen schönen Abend bei dem PLANT 2030 Statusseminar.
Pflanzenforschung.de: Sie haben auch an mehreren Aktivitäten der PLANT 2030 ACADEMY teilgenommen. Was konnten Sie davon mitnehmen?
Nina Bziuk: Am besten hat mir das Mentoring-Programm gefallen. Durch dieses Programm konnte ich ganz neue Einblicke gewinnen und es hat sehr gutgetan, mit Außenstehenden über meine Arbeit zu sprechen. In der vergangenen Zeit fand ich zudem das Angebot der Onlinekurse sehr gut, die zwar einen festen Rahmen hatten, trotzdem konnte man selber bestimmen, wann man was und wie viel man auf einmal macht. So konnte ich sie sehr gut in meine Wochenplanung einbauen.
Pflanzenforschung.de: Haben Sie vielen Dank für das Gespräch und viel Erfolg für Ihre Vorhaben!
Im Text verlinkte Studien von Nina Bziuk:
- Bziuk, N. et al. (2021): The treasure inside barley seeds: microbial diversity and plant beneficial bacteria. In: Environmental Microbiome 16, Nr. 20., (28. Oktober 2021), doi: 10.1186/s40793-021-00389-8.
- Bziuk, N. et al. (2022): Barley Rhizosphere Microbiome Transplantation – A Strategy to Decrease Susceptibility of Barley Grown in Soils With Low Microbial Diversity to Powdery Mildew. In: Frontiers in Microbiology 13, Nr. 830905, (24. Mai 2022), doi: 10.3389/fmicb.2022.830905.
Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:
- Robuster durch Priming - Das Projekt „PrimedPlant“
- Priming, Gerste und das „Schön-Wetter-Experiment“ - Interview mit Dr. Adam Schikora
- Schon gewusst? Auch Pflanzen können geimpft werden - „Priming“ gegen Pflanzenkrankheiten
Titelbild: Die Forscherin Nina Bziuk möchte Pflanzen mithilfe von Mikroorganismen gegen Krankheiten wappnen. (Bildquelle: © J. Schierstaedt)