Kahle Kronen

Waldzustandsbericht: Deutsche Wälder leiden unter steigenden Temperaturen

22.04.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Um unsere heimischen Wälder steht es schlecht. (Bildquelle: © FelixMittermeier/Pixabay/CC0)

Um unsere heimischen Wälder steht es schlecht. (Bildquelle: © FelixMittermeier/Pixabay/CC0)

Anhaltende Hitze und Dürreperioden strapazieren Deutschlands Wälder. Die Folgen dieser Klimaveränderungen sind heute schon sichtbar: Die Anzahl von Schädlingen nimmt zu, Bäume haben weniger Laub und Nadeln und viele von ihnen sterben sogar ab. Wie schlecht es wirklich um unsere Wälder steht, zeigt der aktuelle Waldzustandsbericht der Bundesregierung.

Der regelmäßig erscheinende Waldzustandsbericht der Bundesregierung informiert seit 1980 über den Vitalitätszustand deutscher Wälder. Hierfür nehmen Experten quer über Deutschlands Waldflächen verteilt stichprobenartig den Kronenzustand von etwa 10.000 Bäumen auf. Als einer von verschiedenen Beurteilungsmaßstäben dient die Verlichtung der Kronen im Vergleich zu einer voll belaubten bzw. benadelten Baumkrone. Dabei wird der Zustand jeder Baumkrone einer festgelegten Stufe (Abweichungsintervalle von 5 Prozent) zugeordnet und dokumentiert. Das Johann Heinrich von Thünen-Institut, Bundesforschungsinstitut für Ländliche Räume, Wald und Fischerei in Braunschweig, wertet die erhobenen Daten anschließend aus und skaliert sie zu einem repräsentativen Bild vom Status Quo unserer wichtigsten Baumarten.

Trockenstress führt zu Kronenverlichtung

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Mit dem Fernglas studieren die Inventurteams die Baumkronen auf Transparenz, Ausbildung der Äste und Größe der Blätter. Für ihre Bewertung ziehen sie das Buch „Waldbäume" mit Musterabbildungen heran.

Mit dem Fernglas studieren die Inventurteams die Baumkronen auf Transparenz, Ausbildung der Äste und Größe der Blätter. Für ihre Bewertung ziehen sie das Buch „Waldbäume" mit Musterabbildungen heran.

Bildquelle: © Thünen-Institut/Nadine Eickenscheidt

Die Ergebnisse der vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Anfang Januar veröffentlichten Broschüre zum Waldzustand sind erschreckend: Seit Beginn der Erhebungen war der Anteil an Bäumen mit gesunden Kronen noch nie so niedrig wie im Jahr 2019. Der Anteil an Bäumen mit deutlicher Kronenverlichtung war mit 36 Prozent besonders hoch. Dr. Nicole Wellbrock vom Thünen-Institut erklärt, dass diese Entwicklung sich bereits angekündigt hatte: „Die Perioden mit Trockenstress haben in den letzten fünf Jahren deutlich zugenommen. Das zeigen Modellierungen des Bodenwasserhaushalts an den Punkten der Bodenzustandserhebung.“

Eichen und Buchen sind stark betroffen

Die alarmierenden Ergebnisse sind im aktuellen Bericht in erster Linie auf den schlechten Zustand deutscher Eichen zurückzuführen. Denn die Hälfte des Bestands zeigte 2019 eine deutliche Kronenverlichtung. Doch auch bei Buchen kommen die Wissenschaftler zu einem schlechten Resümee: Obwohl kein sogenanntes Mastjahr – eine vermehrte Fruchtbildung – vorlag, hat die Kronenverlichtung bei Buchen in den letzten zwei Jahren deutlich zugenommen.

Auch Nadelwälder geben Grund zur Besorgnis

Bislang hatten die Forscher eine steigende Kronenverlichtung zwar vorrangig bei Laubbäumen beobachtet, die Entwicklung seit 2018 zeigt aber, dass auch zunehmend Nadelbäume wie Kiefern und Fichten betroffen sind: Bei lediglich einem knappen Drittel der untersuchten Fichten konnten die Experten eine volle und gesunde Krone dokumentieren. Bei über einem Drittel stellten sie sogar eine deutliche Verlichtung fest. Ein Zustand, den es bei diesem Nadelbaum seit Beginn der Aufzeichnungen noch nie gab. Grund dafür ist zum einen, dass die Fichte als Flachwurzler sehr anfällig für Trockenstress ist. Zum anderen hat sich aber auch die Zahl an Schädlingen, z. B. Borkenkäfer, massiv erhöht – bei den ohnehin schon angegriffenen Nadelbäumen haben sie nun leichtes Spiel.

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Fatal: Auch die Zahl an Schädlingen wie Borkenkäfern (Larve abgebildet) hat sich massiv erhöht – bei den ohnehin schon angegriffenen Nadelbäumen haben sie leichtes Spiel.

Fatal: Auch die Zahl an Schädlingen wie Borkenkäfern (Larve abgebildet) hat sich massiv erhöht – bei den ohnehin schon angegriffenen Nadelbäumen haben sie leichtes Spiel.

Bildquelle: © David Hablützel /Pixabay/ CC0

Flächenhaftes Absterben ist keine Seltenheit mehr

Doch nicht nur die Kronenverlichtung und Schädlingszahlen bereiten den Wissenschaftlern Sorge: Die Mortalitätsrate von Bäumen hat sich im Vergleich zu den Jahren davor verdoppelt. Insgesamt 180.000 Hektar Wald gelten derzeit als massiv geschädigt. Dabei wurde 2019 vor allem vom flächendeckenden Absterben von Fichtenwäldern in den Medien ausführlich berichtet.

Ist unser Wald noch zu retten?

Wird der Waldzustandsbericht 2020 besser ausfallen? Dr. Nicole Wellbrock bleibt realistisch: „Schädigungen offenbaren sich meist erst mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung.“ Eine Prognose, die nicht gerade hoffen lässt. Dazu kommt der Umstand, dass durch den milden Winter 2019/20 viele Schädlinge gut überleben konnten. Doch trotz aller Negativaussichten nennt die Wissenschaftlerin auch Maßnahmen, mit denen das Waldsterben langfristig gestoppt werden kann: „Konsequenter Klimaschutz, die Minderung von Stickstoffeinträgen aus Verkehr, Industrie und Landwirtschaft und begleitend ein nachhaltiger Waldumbau.“


Quellen:

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Um unsere heimischen Wälder steht es schlecht. (Bildquelle: © FelixMittermeier/Pixabay/CC0)