Schon gewusst? Wälder wären ein Super-Kohlenstoffspeicher …

… wenn man sie nur lässt!

20.11.2023 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Waldschäden steigen weltweit an. Hier abgestorbene Fichten und nachwachsender Bestand im Nationalpark Harz. (Bildquelle: © ArtMechanic, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Waldschäden steigen weltweit an. Hier abgestorbene Fichten und nachwachsender Bestand im Nationalpark Harz. (Bildquelle: © ArtMechanic, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)

Ein internationales Team von Wissenschaftler:innen hat herausgefunden, dass Wälder weltweit noch bis zu 226 Milliarden Tonnen Kohlenstoff zusätzlich speichern könnten – aber nur, wenn man sie erhält und sich erholen lässt. Zum Vergleich: Im Moment emittiert die Menschheit 11 Milliarden Tonnen Kohlenstoff in Form von Kohlendioxid pro Jahr.

Es ist eine Großstudie: 200 Wissenschaftler:innen aus aller Welt haben zusammen die noch bestehende Speicherkapazität der Wälder für Kohlenstoff berechnet und im renommierten Fachmagazin Nature publiziert. Die Koordination der Studie lag bei der ETH Zürich, wichtige methodische Beiträge steuerte das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) bei. Die Daten sind besser als je zuvor: Die Forschenden verknüpften Satellitendaten und Untersuchungen vom Boden aus zum Zustand der Wälder. Dabei ging es nicht nur um die Bäume selbst, sondern auch um die Speicherkapazität des Waldbodens für Kohlenstoff, also dem Beitrag von Totholz, Laub, Humus und anderer Biomasse.

Waldschutz ist Klimaschutz

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Das Deutsches GeoForschungsZentrum / Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ) hat erhebliche Beiträge zur Studie geleistet: Prof. Martin Herold, Leiter der Sektion Fernerkundung und Geoinformatik am GFZ: "Unsere Überwachungsinfrastrukturen machen uns zu einem ausgezeichneten und weltweit sichtbaren Partner bei solch wichtigen globalen Analysen.“

Das Deutsches GeoForschungsZentrum / Helmholtz-Zentrum Potsdam (GFZ) hat erhebliche Beiträge zur Studie geleistet: Prof. Martin Herold, Leiter der Sektion Fernerkundung und Geoinformatik am GFZ: "Unsere Überwachungsinfrastrukturen machen uns zu einem ausgezeichneten und weltweit sichtbaren Partner bei solch wichtigen globalen Analysen.“

Bildquelle: © GFZ

Natürliche Kohlenstoffspeicher sind wichtig zur Eindämmung des Klimawandels. Deshalb werden sie auf der kommenden Weltklimakonferenz „COP28“ in den Vereinigten Arabischen Emiraten auch im besonders Fokus stehen.

Pro Jahr emittiert die Menschheit noch 11 Milliarden Tonnen Kohlenstoff durch die Nutzung fossiler Energieträger in die Atmosphäre – in Form von Kohlendioxid. Wälder sind nach den Ozeanen der größte Kohlendioxid-Speicher weltweit. Deshalb stellt sich eine entscheidende Frage: Wieviel Kohlenstoff könnten unsere Wälder noch zusätzlich speichern, wenn man sie pflegt und hegt?

Enorm viel Potenzial

Das Forschungsteam kommt auf vielversprechende Zahlen: Unsere Wälder hätten im Idealfall noch eine zusätzliche Speicherkapazität von 328 Milliarden Tonnen Kohlenstoff. Allerdings ist das nicht mehr realistisch, da große Waldflächen für Siedlungen und Landwirtschaft bereits endgültig verloren gingen. Aber das noch existierende Speicherpotenzial wird immerhin auf 226 Milliarden Tonnen geschätzt:

  • 139 Milliarden Tonnen Kohlenstoff könnten die Wälder noch aufnehmen, wenn die bestehenden Wälder wirkungsvoll geschützt werden und sie sich erholen könnten.
  • Weitere 87 Milliarden Tonnen Kohlenstoff an Speicherkapazität kämen noch hinzu, wenn bislang zerstückelte Waldlandschaften wieder vernetzt und nachhaltig bewirtschaftet würden.

Realität sieht leider anders aus

Alle Wälder weltweit zu schützen und nachhaltig zu bewirtschaften, ist zurzeit kaum ein realistisches Szenario. Die Entwaldung weltweit schreitet sogar voran: Laut dem Global Forest Resources Assessment 2020 der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) belief sich die jährliche Netto-Entwaldungsrate in den Jahren 2010-2020 weltweit auf etwa 10 Millionen Hektar. Hinzu kommt der nahezu ungeminderte Ausstoß von Treibhausgasen, der die globale Erwärmung beschleunigt und damit die Wälder noch mehr unter Druck setzt.

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Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF wurden in Brasilien bisher 17,3 Prozent des Regenwalds abgeholzt oder brandgerodet. Auf dem Foto sind Rauchentwicklung und Feuer in den Bundesstaaten Amazonas, Mato Grosso und Rondônia zu sehen, 20. August 2019.

Nach Angaben der Naturschutzorganisation WWF wurden in Brasilien bisher 17,3 Prozent des Regenwalds abgeholzt oder brandgerodet. Auf dem Foto sind Rauchentwicklung und Feuer in den Bundesstaaten Amazonas, Mato Grosso und Rondônia zu sehen, 20. August 2019.

Bildquelle: © Wikipedia, gemeinfrei

Und es gibt die Gefahr der sogenannten Kipppunkte. Kippunkte im Klimawandel bezeichnen kritische Schwelleffekte, bei deren Überschreiten das Klimasystem in einen irreversiblen Zustand übergehen kann. Diese Punkte könnten abrupte und nicht-lineare Veränderungen auslösen, wie das Schmelzen der polaren Eiskappen oder die Freisetzung von großen Mengen Methan aus Permafrostböden. Die Besorgnis besteht darin, dass einmal überschrittene Kippunkte schwerwiegende und nicht-rückholbare Folgen für das globale Klima haben könnten, selbst wenn menschliche Emissionen reduziert werden.

Wälder in Gefahr

In diesem Zusammenhang ein Blick auf Mitteleuropa bzw. Deutschland: Der Waldschadensbericht 2022 des Bundeslandwirtschaftsministeriums zeigt für Deutschland alarmierende Ergebnisse: Die Waldschäden sind weiterhin auf hohem Niveau und betreffen mittlerweile fast alle Baumarten. Besonders betroffen sind Fichten, Kiefern, Buchen und Eichen. Folge: Nur noch 21 Prozent der Bäume sind gesund.

Die Hauptursachen für die Waldschäden sind nach wie vor der Klimawandel und die damit verbundenen Wetterextreme, insbesondere Trockenheit und Hitze. Hinzu kommt ein erhöhter Schädlingsbefall, da die Bäume durch Trockenheit geschwächt sind. Unter diesen Umständen wird es auf jeden Fall schwerer, das Potenzial der Wälder für den Klimaschutz voll auszunutzen.

Letzte Chance?

Die Wissenschaftler:innen betonen in ihrem wissenschaftlichen Beitrag ihre Vision: „Obwohl Wälder keine Ersatzlösung für die Reduzierung von Emissionen sein können, unterstützen unsere Ergebnisse die Idee, dass die Erhaltung, Wiederherstellung und nachhaltige Bewirtschaftung verschiedener Wälder wertvolle Beiträge zur Erreichung globaler Klima- und Biodiversitätsziele leisten können.“


Quelle:
Mo, L. et al. (2023): „Integrated global assessment of the natural forest carbon potential“. In: Nature (2023). doi: 10.1038/s41586-023-06723-z

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Titelbild: Waldschäden steigen weltweit an. Hier abgestorbene Fichten und nachwachsender Bestand im Nationalpark Harz. (Bildquelle: © ArtMechanic, Wikipedia, CC BY-SA 3.0)