Kleine RNAs regulieren die Abwehr in der Tomate

22.03.2012 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Tomatenpflanzen nutzen kleine RNA Moleküle, um sich gegen Bakterien und Viren zu wehren. (Quelle: © Dusan Kostic - Fotolia.com)

Tomatenpflanzen nutzen kleine RNA Moleküle, um sich gegen Bakterien und Viren zu wehren. (Quelle: © Dusan Kostic - Fotolia.com)

Kleine RNA-Moleküle unterdrücken in Tomatenpflanzen die Produktion wichtiger Abwehrproteine. Sie sind Teil eines neu entdeckten Rückkopplungsmechanismus, durch den die Pflanzen ihre Immunantwort in unterschiedlichen Geweben präzise regulieren kann.

Bei einem Angriff von Bakterien oder Viren muss das pflanzliche Immunsystem schnell reagieren, um wirkungsvolle Abwehrprozesse einzuleiten. Eine wichtige Rolle spielen dabei sogenannte NBS-LRR-Immunrezeptoren, die bestimmte Proteine der Krankheitserreger als Angriffssignal spezifisch erkennen und daraufhin die Verteidigungsmechanismen in der Pflanze auslösen.

Die Konzentration dieser NBS-LRR-Proteine muss die Pflanze zeitlich und gewebsspezifisch präzise regulieren, um den Befall an den richtigen Stellen abzuwehren. Wissenschaftler entdeckten jetzt in Tomatenpflanzen, dass diese präzise Feinregulation der NBS-LRR-Resistenzfaktoren durch sogenannte microRNAs erreicht wird. microRNAs sind erst seit den späten 90er Jahren bekannt. Bis dahin glaubte man, dass höhere Organismen RNA-Moleküle ausschließlich als Kopie genetischer Information nutzen, die als „messenger“ RNA (mRNA) aus dem Zellkern zu den Orten der Proteinproduktion transportiert wird. Die microRNAs gehören jedoch zu den „nichtkodierenden“ RNAs und verschlüsseln keine Proteininformation. Es handelt sich dabei um kurze RNA-Moleküle von 21 – 24 Nukleotiden, die durch hochkonservierte Sequenzen an spezifische, proteinverschlüsselnde mRNAs binden und diese für den Abbau markieren. Durch diese kontrollierte Zerlegung der mRNAs können Zellen die Produktion bestimmter Proteinmengen schnell und präzise hoch- und runter regulieren.

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Die Haarnadelstruktur eines microRNA-Moleküls. Durch entwindende und schneidende Enzyme prozessiert die Zelle aus dieser Vorläuferstruktur kurze, einzelsträngige microRNAs, die an bestimmte messenger RNAs binden und diese für den Abbau in der Zelle markieren.

Die Haarnadelstruktur eines microRNA-Moleküls. Durch entwindende und schneidende Enzyme prozessiert die Zelle aus dieser Vorläuferstruktur kurze, einzelsträngige microRNAs, die an bestimmte messenger RNAs binden und diese für den Abbau in der Zelle markieren.

Bildquelle: © Opabinia regalis/ Wikimedia.org; CC BY-SA 3.0

Nachtschattengewächse, zu denen auch die Tomaten gehören, besitzen eine sehr umfassende und variable Familie der mi482/2118-microRNAs. Sequenzanalysen der Wissenschaftler zeigten, dass die 31 Vertreter dieser Familie alle an NBS-LRR-mRNAs binden können. Experimente in Tomatenpflanzen bestätigten, dass gesunde Tomatenpflanzen die microRNAs dazu nutzen, den Proteinpool der NSB-LRR-Proteine permanent niedrig zu halten. Erst als die Wissenschaftler die Tomatenpflanzen mit Viren oder Bakterien infizierten, gaben die Pflanzen die NBS-LRR-Proteinsynthese wieder frei: Die miRNA482-Konzentration nahm ab und die Zellen produzierten vermehrt die NBS-LRR-Proteine.

Die Forscher vermuten daher, dass bestimmte Faktoren der Viren und Bakterien notwendig sind, um die microRNAs zu deaktivieren und die Produktion der Abwehrproteine wieder aufzunehmen. Über diesen neuen microRNA-gesteuerten Abwehrmechanismus, so lautet die Theorie der Wissenschaftler, seien Pflanzen in der Lage eine unspezifische Immunabwehr auszulösen. Da die Genome vieler Pflanzen ein- zweihundert NBS-LRR-Resistenzgene verschlüsselten, könnten Pflanzen über diesen Weg die Herstellung mehrere NBS-LRR-Faktoren gleichzeitig aktivieren. Die Pflanze senkt dabei die Energiekosten ihrer Abwehr und beschleunigt ihre Verteidigung: Sie muss lediglich auf den Pool der NBS-LRR-mRNAs zurückgreifen, die direkt in die Proteine übersetzt werden können, wenn der Erreger angreift.

Die neue Abwehrstrategie, so räumen die Forscher ein, funktioniere jedoch möglicherweise nicht in allen Pflanzen gleich, da die Variabilität der mi482/2118-RNA-Familie in Pflanzengruppen sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Während die mi482/2118-RNAs innerhalb der Nachtschattengewächse und Schmetterlingsblütlern an einigen Stellen ihrer Sequenz variierten, fanden die Forscher beispielsweise in der Familie der Korbblütler und der Kürbisgewächse kaum Varianten dieser microRNAs. Pflanzen mit diversen microRNAs, wie die Tomate, so vermuten die Forscher, können die NSB-LRR Proteine vermutlich besser ausschalten, als Pflanzen mit weniger diversen microRNA-Familien.


Quellen:

  • N. A. Eckardt (2012): A MicroRNA Cascade in Plant Defense. In: Plant Cell. Online Publikation, März 2012, DOI 10.1105/tpc.112.240311.
  • P. V. Shivaprasad et al.(2012): A MicroRNA Superfamily Regulates Nucleotide Binding Site–Leucine-Rich Repeats and Other mRNAs. In: Plant Cell. Online Publikation, März 2012, DOI: 10.1105/tpc.111.095380.

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