Natürlich schneller

Erhöhte Rekombinationsrate soll Kreuzungszüchtung optimieren

21.12.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Am Beispiel der Gerste hat ein Forschungsteam untersucht, ob sich die Rekombinationsrate beeinflussen und die Selektionszüchtung so beschleunigen lassen. (Bildquelle: © Hans Braxmeier / Pixabay)

Am Beispiel der Gerste hat ein Forschungsteam untersucht, ob sich die Rekombinationsrate beeinflussen und die Selektionszüchtung so beschleunigen lassen. (Bildquelle: © Hans Braxmeier / Pixabay)

Gentechnik und Genomeditierung sind vielversprechende Werkzeuge für die Pflanzenzüchtung. Doch auch die klassische Rekombinationszüchtung könnte mithalten, wenn es gelänge, die Rekombinationsraten zu steigern. Eine neue Studie weist am Beispiel Gerste den Weg dorthin.

Das sogenannte Crossing over, der reziproke Austausch zweier Genomabschnitte auf homologen Chromosomen, ist einer der wichtigsten Mechanismen während der Meiose. Er ist zugleich die Grundlage der Selektionszüchtung, mittels derer Pflanzenzüchter versuchen, erwünschte Merkmale in einer einzigen Pflanze zu vereinen. Wie schnell und erfolgreich diese Methode sein kann, hängt davon ab, wie häufig und in welchen Genombereichen Rekombinationsereignisse auftreten. Ein Forschungsteam der Universität Düsseldorf und des Max-Planck-Instituts für Pflanzenzüchtungsforschung in Köln hat nun einen Weg vorgeschlagen, diese Züchtungsmethode, die manchen schon als Auslaufmodell galt, zu optimieren und zukunftsfähig zu machen.

#####1#####
Was genau ist Genomeditierung? Diese und andere wichtige Pflanzenzüchtungsmethoden stellen wir in unserem Special "Let´s grow!" vor.

Was genau ist Genomeditierung? Diese und andere wichtige Pflanzenzüchtungsmethoden stellen wir in unserem Special "Let´s grow!" vor.

Bildquelle: © Pflanzenforschung.de

Zunehmend halten Methoden der Genomeditierung auch in der Pflanzenzüchtung Einzug. Nach wie vor gibt es dabei jedoch technische Herausforderungen, und ebenso wie bei älteren Methoden der Gentechnik stehen dem kommerziellen Einsatz in der Landwirtschaft regulatorische Hürden und oftmals fehlende Verbraucherakzeptanz im Weg. Es sieht also durchaus so aus, als ob es für eine modernisierte Selektionszüchtung, die effektiv die natürliche Variation ausnutzt, noch eine Weile Bedarf geben könnte.

Rekombinationsrate variiert stark zwischen Genotypen

Die Häufigkeit und die Verteilung von Rekombinationsereignissen variiert stark zwischen Genotypen einer Art. Gelänge es zu verstehen, wovon diese beiden Faktoren abhängen, könnte man diese optimieren und dadurch die Selektionszüchtung erheblich beschleunigen, so der Gedanke des Forschungsteams.

Nach dem Prinzip der Genomischen Selektion haben die Fachleute daher in einem ersten Schritt 23 Inzuchtlinien von Gerste gekreuzt, die einen Großteil der weltweiten Gerstendiversität abdecken. Dann kartierten sie die Genome von 45 resultierenden Populationen und ermittelten die Rekombinationsraten für das Gesamtgenom, einzelne Chromosomen und größere Genomabschnitte. Dabei unterschied das Team zwischen allgemeinen Rekombinationseffekten der jeweiligen Elterngenome und spezifischen Rekombinationseffekten, die auf die Kombination der gewählten Elternlinien zurückzuführen waren.

Anhand der je nach Population zwischen 6.569 und 12.962 SNPs erzielten die Genkarten eine Auflösung von 0,88 bis 3,17 Centimorgan (cM). Ein Centimorgan entspricht einem Crossing over-Ereignis pro 100 Meiosen und beschreibt zugleich den Abstand zweier Loci auf dem Chromosom. Hinsichtlich der genomweiten Rekombinationsrate reichte der gefundene Wert je nach Population von 0,31 cM pro eine Million Basenpaare (Mbp) bis zu 0,73 cM/Mbp. Als klein erwies sich die durchschnittliche Rekombinationsrate in der pericentromeren Region. Außerdem korrelierte die Rate mit der Gendichte, und lange Chromosomen wiesen mehr Crossing over-Ereignisse auf.

Elternpflanzen sind maßgeblicher als deren Kombination

Der weit größte Teil der Rekombination ließ sich den allgemeinen Rekombinationseffekten zuordnen. Spezifische Effekte hatten nur einen Anteil von rund einem Neuntel. Demnach entscheiden vor allem die Eigenschaften der einzelnen Elternpflanzen über die Rekombinationsrate und weniger die Entscheidung, welche Elternpflanzen miteinander gekreuzt wurden. Für Vorhersagen im Sinne der Züchtung ist das günstig.

#####2#####
Grafische Illustration der Unterschiede in der Rekombinationsrate zwischen den 45 Sommergerstenfamilien, wobei rot eine hohe und weiß eine niedrige Rekombinationsrate bedeuten.

Grafische Illustration der Unterschiede in der Rekombinationsrate zwischen den 45 Sommergerstenfamilien, wobei rot eine hohe und weiß eine niedrige Rekombinationsrate bedeuten.

Bildquelle: © HHU / Federico Casale

Ob ein Genom eine hohe oder niedrige Rate aufwies, liegt der Studie zufolge zudem nicht an einzelnen besonders rekombinationsfreudigen Genomabschnitten, sondern scheint eher eine genomweite Tendenz zu sein. Weitere Einflussfaktoren für die Rekombinationsrate sind bekanntermaßen Umwelteinflüsse. Hier zeigte sich, dass Linien aus warmen Regionen besonders viele Rekombinationsereignisse aufwiesen. Die jährliche Niederschlagsmenge hingegen zeigte keine signifikante Korrelation, ebenso wenig wie die genetische Ähnlichkeit der Elternlinien.

Rekombination wird wohl polygen vererbt

Bei der Suche nach gemeinsamen genetischen Faktoren der unterschiedlichen Populationen, die die Rekombinationsrate beeinflussen, stießen die Forschenden auf 16 QTL. Detailanalysen deuteten auf transregulatorische Mechanismen hin. Allerdings ergaben die Untersuchungen auch, dass die gefundenen QTL weniger als drei Prozent der phänotypischen Varianz erklären. Anderen Studien war es bislang ebenfalls nicht gelungen, gemeinsame Steuerungselemente der Rekombination zu identifizieren. Das legt nahe, dass die meiotische Rekombination ein polygen vererbtes Merkmal ist.

In einem letzten Schritt entwickelte das Team ein Modell, um die Rekombinationsrate vorhersagen zu können, und erreichte dabei eine Vorhersagegenauigkeit für die genomweite Rate von 0,80 bis 0,85. Auch für einzelne Chromosomen gelang eine gute Prognose, während die Vorhersage der Rekombinationsrate für einzelne Genombereiche von 10 Mbp Länge weniger verlässlich ausfiel.

Potenzial für die Pflanzenzüchtung bestätigt

Die Annahme hat sich damit bestätigt, dass eine Optimierung der klassischen Selektionszüchtung möglich sein sollte, indem die Rekombinationsrate mindestens einer Elternpflanze entsprechend berücksichtigt wird. Die SNP-basierten Profile nach dem Prinzip der Genomischen Selektion haben sich dafür als ressourceneffizienter und funktionaler Ansatz erwiesen. Die mögliche Sorge, dass Merkmale einer hohen Rekombinationsrate negativ mit agronomisch bedeutsamen Merkmalen korrelieren könnten, hat sich zumindest für Gerste in dieser Studie nicht bestätigt.


Quelle:
Casale, F. et al. (2021): Genomic prediction of the recombination rate variation in barley – A route to highly recombinogenic genotypes. In: Plant Biotechnology Journal, (16. November 2021), doi: 10.1111/pbi.13746.

Zum Weiterlesen auf Pflanzenforschung.de:

Titelbild: Am Beispiel der Gerste hat ein Forschungsteam untersucht, ob sich die Rekombinationsrate beeinflussen und die Selektionszüchtung so beschleunigen lassen. (Bildquelle: © Hans Braxmeier / Pixabay)