Wundheilung bei Pflanzen

Rein mechanische Kräfte lenken die Zellteilungen

23.04.2024 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Blattläuse – aber auch andere Insekten – fügen Pflanzen Wunden zu. Forscher haben jetzt einen Mechanismus aufgeklärt, wie der Wundverschluss funktioniert. (Bildquelle: © Drc406 / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Blattläuse – aber auch andere Insekten – fügen Pflanzen Wunden zu. Forscher haben jetzt einen Mechanismus aufgeklärt, wie der Wundverschluss funktioniert. (Bildquelle: © Drc406 / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)

Pflanzen schließen ihre Wunden, indem sich die Teilungsebenen der angrenzenden Zellen ändern. Ein Zusammenspiel aus mechanischen Einflüssen und Neuorientierung der Mikrotubuli-Gerüste.

Wer hinfällt und sich das Knie blutig aufschlägt, kann auf die „erste Hilfe“ der Thrombozyten (Blutplättchen) hoffen. Sie eilen herbei und heften sich aneinander, bis die Wunde durch ein Blutpfropf notdürftig verschlossen ist. Dann wandern Fibroblasten ein und verschließen die Wunde endgültig. Doch was passiert, wenn Pflanzen verwundet werden? Forschende haben dazu neue Erkenntnisse gewonnen.

Was steuert die Ausrichtung der Zellteilungsebene?

Anders als tierische Zellen sind pflanzliche Zellen recht fest in eine Matrix aus Zellwänden eingebunden. Sie verhindert weitgehend, dass sich Zellen bewegen und ihre Größe verändern können. Sowohl beim Wachstum etwa von Seitenwurzeln als auch beim Wundverschluss kommt es deshalb darauf an, dass Zellen sich entlang der richtigen Ebene teilen. Nur so gelangen neue Zellen an den Ort, an dem sie gebraucht werden.

Jetzt konnte ein Forschungsteam feststellen, welche Faktoren die Ebene der Zellteilung bestimmen. Diskutiert wurden zuvor geometrische Faktoren, Wachstumssignale sowie Stressfaktoren. Grundsätzlich gilt: Eine Zelle teilt sich entlang ihrer kürzesten Achse, um den Bedarf an neuen Zellwänden zu minimieren. Bestimmte Faktoren – etwa eine veränderte Genexpression oder die Anlagerung polaritätsbestimmender Proteine – können diesen Mechanismus überschreiben. Im Fall der Wundheilung scheinen diese Faktoren jedoch eine untergeordnete Rolle zu spielen.

Mechanische Kräfte statt molekularer Signale

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Schema des Wundverschlusses durch gerichtete Zellteilung infolge mechanischer Einflüsse und Mikrotubuli-Bündel.

Schema des Wundverschlusses durch gerichtete Zellteilung infolge mechanischer Einflüsse und Mikrotubuli-Bündel.

Bildquelle: © Hoermayer et al.; CC-BY-4.0

Denn auch die neue Studie konnte keine chemischen oder biomolekularen Signale identifizieren, die die Zellteilung zugunsten des Wundverschlusses steuerten. Zwar ließen sich infolge der Verwundung Wellen von Calcium-Ionen und auch eine Anreicherung von Wasserstoffperoxid beobachten; doch mit den räumlich begrenzten Zellteilungen zum Wundverschluss fanden die Forscher:innen keinen Zusammenhang. Gab das Team den Extrakt einer verwundeten Wurzelspitze auf die Zellen, führte das weder dazu, dass sich die Teilungsebene veränderte, noch stieg die Aktivität von ERF115 an, einem Gen, das Zellen verstärkt exprimieren, wenn sie an Wunden angrenzen.

Ein weiterer Faktor, der die Zellteilung beeinflusst, ist der Turgor. Das ist der Druck, den die Zellflüssigkeit auf die Zellwände ausübt. Zellen, die in eine bestimmte Richtung wachsen, orientieren sich an der Zugbelastung der Zellwände und richten Mikrotubuli und ihre Teilungsebene danach aus. Mikrotubuli bilden das innere Skelett einer Pflanzenzelle. Dieser kombinierte Effekt aus mechanischer Belastung und Mikrotubuli ist der neuen Studie zufolge maßgeblich für den Wundverschluss.

Verformung und Mikrotubuli ändern die Zellteilungsebene

Mit hochauflösender Echtzeitbildgebung konnten die Autor:innen zeigen, wie Wurzelzellen von Arabidopsis thaliana auf eine mit einem Laser erzeugte Wunde in ihrer Nähe reagieren. So vergrößerten Zellen in direkter Nachbarschaft der Wunde innerhalb von 20 Minuten – und wesentlich langsamer auch Zellen in zweiter Reihe – ihre Breite und ihr Volumen und drangen so in den Raum der Wunde vor. Ursächlich dafür war allein der Druckabfall in Richtung der zerstörten Zelle. Gleichzeitig stabilisierten sich Mikrotubuli in den verformten Zellen und erzeugten so eine Umorientierung der Teilungsebene. Dabei wechseln sie von einer transversalen zu einer schließlich longitudinalen Anordnung.

Weitere Untersuchungen ergaben, dass in Zellen, die an die Wunde angrenzen – und nur in diesen –, bereits im Moment der Deformation neue Mikrotubuli-Bündel erschienen, die sich innerhalb von 30 Minuten vom Zellinneren zu den kortikalen Membranen bewegten. Auslöser und stabilisierender Faktor dürfte demnach der mechanische Stress der Zellverformung durch die Wunde sein.

Änderung der Zellteilungsebene noch bis zur G2-Phase möglich

Analysen von Zellen in unterschiedlichen Phasen der Zellteilung ergaben, dass sich die Teilungsebene noch ziemlich spät im Zellzyklus umorientieren kann – bis zum Übergang in die G2-Phase. Erst mit dem Erscheinen des Präprophasebands ist die Teilungszone so weit etabliert, dass die Zelle nicht mehr auf eine nahe Wunde reagieren kann.

Die Studie hat damit erstmals den Mechanismus aufgedeckt, wie durch flexible Neuorientierung der Zellteilungsebenen durch rein mechanische Kräfte der Wiederaufbau von pflanzlichem Gewebe vonstattengeht.


Quelle:
Hoermayer, L., et al. (2024): Mechanical forces in plant tissue matrix orient cell divisions via microtubule stabilization. In: Developmental Cell 59, 1-12 (20. Mai 2024). doi: 10.1016/j.devcel.2024.03.009.

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Titelbild: Blattläuse – aber auch andere Insekten – fügen Pflanzen Wunden zu. Forscher haben jetzt einen Mechanismus aufgeklärt, wie der Wundverschluss funktioniert. (Bildquelle: © Drc406 / Wikimedia; CC-BY-SA-3.0)