Komplexer als gedacht

Pflanzen verarbeiten Umweltinformationen über stark interagierende Signalwege

24.07.2020 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Komplexes Netzwerk: Proteine in pflanzlichen Signalnetzwerken haben eine Vielzahl an Interaktionspartnern. (Bildquelle: © iStock.com/Leyn)

Komplexes Netzwerk: Proteine in pflanzlichen Signalnetzwerken haben eine Vielzahl an Interaktionspartnern. (Bildquelle: © iStock.com/Leyn)

Pflanzliche Signalwege sind bereits relativ gut erforscht. Bisher war jedoch unbekannt, ob und wie sie miteinander agieren. WissenschaftlerInnen haben jetzt hunderte vorher unbekannte Informationsknotenpunkte zwischen den einzelnen Signalwegen identifiziert. Das ist auch für Züchter relevant.

Wie feucht ist der Boden? Scheint heute die Sonne oder ist es bewölkt? Und knabbert da etwa eine Raupe am Blatt? Pflanzen nehmen kontinuierlich Informationen aus ihrer Umwelt auf und reagieren darauf. Fast immer sind dabei Pflanzenhormone involviert und viele dieser Signalwege sind bereits gut erforscht. Doch WissenschaftlerInnen wissen bisher nur sehr wenig darüber, wie der Informationsaustausch zwischen den einzelnen Signalwegen stattfindet, damit Pflanzen sich unter wechselhaften Bedingungen optimal entwickeln.

Jetzt hat das Team um Pascal Falter-Braun, Direktor des Instituts für Netzwerkbiologie (INET) und Lehrstuhlinhaber an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), genau das untersucht und herausgefunden: Die Pfade von Phytohormon-Signalwegen sind viel vernetzter als bisher angenommen.

Die Proteine und Enzyme, die bisher teilweise nur einem Signalweg zugeordnet waren, interagieren noch mit zahlreichen anderen Molekülen. „Wenn man Pflanzen mit neuen Eigenschaften züchten will, muss man folglich beachten, dass jede Veränderung mehrere Reaktionen der Pflanze beeinflussen kann und gegebenenfalls an vielen Stellschrauben gedreht werden muss“, sagt Pascal Falter-Braun, der die Studie geleitet hat.

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Anhaltende Trockenheit mindert die Ernteerträge. Um trockentolerantere Pflanzen zu züchten, muss mehr als nur ein Signalweg verändert werden.

Anhaltende Trockenheit mindert die Ernteerträge. Um trockentolerantere Pflanzen zu züchten, muss mehr als nur ein Signalweg verändert werden.

Bildquelle: © Couleur / Pixabay / CC0

Netzwerke statt einzelne Pfade

Einst dachte man, dass die Entschlüsselung des Genoms den Durchbruch beim Verständnis von biochemischen Vorgängen in Lebewesen bringen würde. Doch die DNA allein reicht nicht aus. „Vergleicht man eine Pflanze mit einer Stadt, dann ist das Genom das Telefonbuch“, sagt Pascal Falter-Braun. „Wir kennen dadurch zwar alle Namen der Bewohner, aber wir verstehen noch nicht das komplexe Gebilde, das eine Stadt ausmacht. Wie agieren die Bewohner miteinander, mit wem stehen sie beruflich in Kontakt, wer engagiert sich ehrenamtlich bei der Feuerwehr oder im Sportverein?“ Genauso ist es auch bei den Proteinen in einer Pflanze.

Die Wissenschaftler nutzten dazu eine Methode namens Hefe-2-Hybrid-System, abgekürzt Y2H (engl. Yeast-2-Hybrid-System). Damit lässt sich experimentell überprüfen, ob zwei Proteine miteinander interagieren. Insgesamt 17 Millionen Proteinpaare haben sie auf diese Weise getestet. Das war nur möglich, weil ein Großteil dieser Laborarbeit von Robotern übernommen werden kann.

Proteine interagieren auf vielfältige Weise

Mit Hilfe von bioinformatischen Methoden konnten die WissenschaftlerInnen dann insgesamt über 2 000 Informationsknotenpunkte basierend auf Protein-Protein-Wechselwirkungen in den Pflanzen identifizieren. 1 572 davon waren bisher unbekannt. „Das zeigt deutlich, dass wir es nicht mit einzelnen Signalwegen zu tun haben, sondern mit komplexen Netzwerken“, sagt Melina Altmann, die die Experimente geleitet hat. Soll heißen: Proteine, die man bisher nur aus Signalweg A kannte, beeinflussen auch Signalweg B oder C. „Wenn man an einem Rädchen dreht, verändert man alles“, fügt Altmann hinzu.

Falter-Braun sieht darin Chancen für die Weiterentwicklung von Kulturpflanzensorten: „Diese Einsicht könnte neue Strategien für die biotechnologische Entwicklung oder Züchtung von Pflanzen eröffnen, um den Herausforderungen des Klimawandels in der Landwirtschaft zu begegnen.“


Quelle:
Altmann, M. et al. (2020): Extensive signal integration by the phytohormone protein network. In: Nature, (1. Juli 2020), doi: 10.1038/s41586-020-2460-0.

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Titelbild: Komplexes Netzwerk: Proteine in pflanzlichen Signalnetzwerken haben eine Vielzahl an Interaktionspartnern. (Bildquelle: © iStock.com/Leyn)