Kuriose Pflanzenwelt: Riesenseerosen

Trickreiche Königinnen unter den Wasserpflanzen

25.08.2021 | von Redaktion Pflanzenforschung.de

Riesenseerosen der Gattung Victoria sind in Südamerika heimisch. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)

Riesenseerosen der Gattung Victoria sind in Südamerika heimisch. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)

An ihnen ist alles gigantisch: metergroße Blätter und Blüten so groß wie Wassermelonen. Und die Blüten bergen noch ein Geheimnis: Sie verändern ihre Farbe und werden zur nächtlichen Zwangsunterkunft für Käfer – Verpflegung und Heizung inbegriffen.

Sie fallen schon durch ihre riesigen und runden Blätter auf, die mit aufgestelltem Rand majestätisch auf der Wasseroberfläche schwimmen – Riesenseerosen der Gattung Victoria. Sie sind in Südamerika heimisch und nur zwei Arten sind bekannt: Die im Amazonas und Orinoko verbreitete Amazonas-Riesenseerose (Victoria amazonica) und die am Fluss Río Paraná vor allem im Norden Argentiniens und in Paraguay beheimatet Santa-Cruz-Riesenseerose (Victoria cruziana).

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Riesenseerosen bilden sehr große Blätter aus, die ein stattliches Gewicht tragen können.

Riesenseerosen bilden sehr große Blätter aus, die ein stattliches Gewicht tragen können.

Bildquelle: © Quartl / wikimedia.org / CC BY-SA 3.0

Die tropischen Wasserpflanzen wurden im 19. Jahrhundert entdeckt und nach der damaligen englischen Königin Victoria (1819 - 1901) benannt. In Europa baute man Gewächshäuser eigens für diese populäre Pflanzen, um sie ansprechend präsentieren zu können: Die „Victoria-Häuser“.

Warum sind die Blätter so groß?

Die Blätter der Santa-Cruz-Riesenseerose erreichen einen stattlichen Durchmesser von rund 1,5 Metern, bei der Amazonas-Riesenseerose sind es sogar bis zu drei Meter. Ihre Größe ist ihre Waffe. Denn sie wachsen zunächst unter Wasser zu einer Kugel zusammengerollt. Erreichen sie die Wasseroberfläche, entrollen sie sich innerhalb kurzer Zeit und überdecken die Blätter pflanzlicher Konkurrenten. Die Riesenseerosen haben so viel Sonnenlicht, die überrollten Nachbarn kaum noch.

Auch die Blattkonstruktion ist bemerkenswert: Ein Blatt kann ein Gewicht von bis zu 50 Kilogramm tragen. Bereits im 19. Jahrhundert machte man sich einen Spaß daraus, Babys und kleine Kinder auf die Blätter zu setzen. Diese enorme Tragkraft kommt von zahlreichen Luftkammern auf der Blattunterseite. Daher können auch starke tropische Niederschläge den Blättern nichts anhaben.

Die bis zu 40 cm großen Blüten haben ihr eigenes Geheimnis: Sie blühen nur zwei Tage und wechseln dabei noch ihre Farbe von Weiß nach Rosa.

Wozu dient der Farbwechsel?

Es ist eine eindeutige Botschaft an bestäubende Blütenbesucher. Weiß heißt: Kommt her! Die rosa Blüte bedeutet: Bleibt weg!

Die Blüte beginnt meist in den Abendstunden: Schneeweiße Blüten öffnen sich zum ersten Mal. Sie verströmen dabei einen intensiven fruchtigen Duft, der an Ananas erinnert. Zudem sind die Blüten mehrere Grad Celsius wärmer als die Umgebungstemperatur, denn die Riesenseerosen können ihre Blüten aktiv aufheizen (Thermogenese). So wird der Blütenduft noch stärker in der Umgebung verbreitet. Mit weißer Farbe, Duft und Wärme locken sie Käfer an. Sind die Tiere in die Blüte gekrabbelt, schließt sich die Blüte. Die Insekten müssen nun die Nacht in ihrem pflanzlichen Gefängnis verbringen.

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Die Blüten der Riesenseerosen blühen nur zwei Tage und vorwiegend bei Nacht. Kurios: Die Blüte ändert dabei sogar ihre Farbe. Erst ist sie weiß und am zweiten Tag verfärbt sie sich rosa.

Die Blüten der Riesenseerosen blühen nur zwei Tage und vorwiegend bei Nacht. Kurios: Die Blüte ändert dabei sogar ihre Farbe. Erst ist sie weiß und am zweiten Tag verfärbt sie sich rosa.

Bildquelle: © Cbaile19 / wikimedia.org / CC0

Aber schlecht geht es den Käfern dabei nicht: Hier können sie sich ausgiebig vom zuckerhaltigen Blüteninneren bedienen und haben einen beheizten und sicheren Schlafplatz. Ganz nebenbei befruchten sie die Blüten mit Pollen, die sie von einem vorangegangenen Seerosenbesuch mitgebracht haben. Erst am Nachmittag des nächsten Tages öffnen sich die Blüten wieder und entlassen ihre Gäste in die Freiheit.

Die Blüten sind jetzt rosa und duften auch nicht mehr. Denn sie haben ihre Aufgabe erfüllt und wollen keine weiteren Bestäuber mehr anziehen. An den befreiten Käfern haftet nun ihr Pollen, den sie zur nächsten weißen Blüte tragen. Pro Pflanze wird immer nun eine Blüte ausgebildet. Auf diese Weise werden die Blüten immer vom Pollen einer anderen Seerose bestäubt. Diese gezielte Fremdbestäubung soll Inzucht vermeiden.

Was interessiert Pflanzenforscher:innen an Riesenseerosen?

Riesenseerosen haben sich im Laufe der Evolution an ihre Bestäuber angepasst und umgekehrt. Das Phänomen wird Koevolution genannt. Man will verstehen, wie die ausgeklügelte Partnerschaft funktioniert. Zum Beispiel der Farbwechsel der Blätter  (vgl. Wu et al., 2018) oder die Wärmeerzeugung im Innern der Blüte (vgl. Seymour/Matthews, 2006). Hier herrschen mindestens mollige 29 Grad Celsius. Auch andere Pflanzen wie Schneeglöckchen oder Philodendren können sich aktiv aufheizen. Sie verfolgen dabei unterschiedliche Ziele. Mehr dazu hier.


Quellen:

Zum Weiterlesen:

Titelbild: Riesenseerosen der Gattung Victoria sind in Südamerika heimisch. (Bildquelle: © Steve Bidmead / Pixabay)